Online Banking

Trade Republic sperrt Konto: Werkzeugmacher kämpft gegen Geldwäschevorwurf

Immer mehr Kunden setzen auf digitales Banking. Das ist sehr komfortabel. Doch was, wenn Konto und Kreditkarte plötzlich gesperrt sind, sich beim Institut niemand meldet, dafür aber Ermittler des Landeskriminalamts anklopfen?

Eine Waschmaschine, in deren Waschtrommel Euroscheine gewaschen werden als Symbolbild für falsche Geldwäschevorwürfe gegen Trade Republic-Kunden

05.11.2025

Trade Republic sperrt Konto: Werkzeugmacher kämpft gegen Geldwäschevorwurf

Thorsten Loth ist als Werkzeugmacher und freiberuflicher Konstrukteur in den Bereichen Maschinenbau und Optik und in Sachen Technologie auf der Höhe der Zeit. So begeistert er sich auch für Onlinebanking und eröffnet Anfang dieses Jahres ein Konto bei der Berliner Neobank Trade Republic. Loth: „Die App ist gut, das Zinsangebot attraktiv.“ Diese Entscheidung soll er bald bereuen.

Plötzliche Kontosperrung: Kündigung ohne Begründung

Während eines Urlaubs im Juni ist plötzlich seine Kreditkarte gesperrt. Von Trade Republic hat Loth die Kündigung erhalten. Seine Bank schreibt lapidar: „Hallo Thorsten Ralf, Leider müssen wir dir mitteilen, dass wir dein Konto bei Trade Republic im Rahmen unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen außerordentlich kündigen. Die Kündigung ist ab sofort wirksam, und Dein Profil ist ab heute gesperrt. Du kannst keine Gelder mehr einzahlen oder Wertpapiere handeln.“ Angabe eines konkreten Grundes? Fehlanzeige.

Kundendienst antwortet mit Bots

Das ist ärgerlich, doch längst nicht alles. Loth hat über die App keinen Zugriff mehr auf sein Konto und das Guthaben von rund 2.500 Euro. Beschwerden per E-Mail bleiben erfolglos. Die Bank antwortet: „Hallo Thorsten, wir haben deine Nachricht geprüft – vielen Dank, dass du dich bei uns meldest. Leider können wir dein Anliegen nicht per E-Mail bearbeiten. Für allgemeine Anfragen und Themen rund um dein Konto nutze bitte ausschließlich die Trade Republic App.“

Loth: „Ich habe bestimmt 15 Mails auf verschiedenen Wegen an die Bank geschickt. Es kamen nur automatische Antworten von Bots.“ Der gebürtige Suhler mit Sitz in Jena verzweifelt. Er suchte Hilfe bei der Bafin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Doch vergebens. Kern der Antwort: In der genannten Sache könne sie ihm nicht weiterhelfen. „Dies liegt im Aufgabenbereich der Bafin begründet. Die Bafin wird ausschließlich zum Schutz kollektiver Verbraucherinteressen (§ 4 Abs. 1a FinFDAG) tätig.“ Und es kommt alles noch schlimmer.

Polizei ermittelt wegen Geldwäscheverdacht

Wenige Wochen nach der Kontokündigung durch Trade Republic nimmt Loth während einer Autofahrt einen Anruf entgegen. Es ist ein Beamter des Landeskriminalamts (LKA) Thüringen. Loth: „Es war eine offizielle Vernehmung als Beschuldigter in einem Geldwäscheverdachtsfall. Beim LKA lagen alle Auszüge von meinem Konto bei Trade Republic vor.“ Geldwäscheverdacht bei einem Konto mit überschaubarem Guthaben und monatlichen Eingängen im vierstelligen Bereich – Loths Honorareinnahmen aus seiner Tätigkeit? Der Konstrukteur aus Jena wendet sich im August an das DUP UNTERNEHMER-Magazin und erteilt Vollmacht, seinen Fall zu recherchieren.

Staatsanwaltschaft Gera bestätigt Ermittlungsverfahren

Redaktionelle Anfrage beim Landeskriminalamt Thühringen (TLKA). Es antwortet die Pressesprecherin des TLKA, Sandra Frankenhäuser: „In Thüringen ist die Staatsanwaltschaft Gera die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Geldwäscheverfahren. An diese können sich die Betroffenen eines solchen Verfahrens wenden, so auch Herr Loth in seinem Fall. Sein Sachverhalt wurde bereits durch das TLKA  an die Staatsanwaltschaft Gera übergeben.“

Trade Republic verweist auf Geldwäscheprävention

Anfrage bei der Staatsanwaltschaft Gera. Thomas Riebel, Oberstaatsanwalt stV und Pressesprecher der Behörde: „Dem Beschuldigten lag aufgrund einer Geldwäscheverdachtsmeldung der Trade Republic Bank GmbH zur Last, sein Privatgirokonto bei der Bank für Geldwäschehandlungen gemäß § 261 StGB verwendet zu haben. Die Bank teilte dies aufgrund von ihrerseits festgestellter Auffälligkeiten im Kundenverhalten mit.“ Auf die Frage, ob bei der Behörde womöglich weitere, Trade-Republic-Kunden betreffende Verdachtsfälle anhängig sind, teilt Riebel mit: „Dazu kann ich keine Aussage treffen, da eine derartige statistische Erhebung bei der Staatsanwaltschaft Gera nicht geführt wird.“

Mantel des Schweigens

Anfrage bei Trade Republic, Anruf und E-Mail von Sophie Dietrich, Graduate Communications Manager bei Trade Republic: „Wie vorhin telefonisch besprochen, kann ich Ihnen zu individuellen Kundenanliegen keine Auskunft erteilen. Wir haben Ihr Anliegen jedoch intern an die zuständige Stelle weitergeleitet." Auf weitere Nachfrage weist sie darauf hin, dass Trade Republic seine regulatorischen Verpflichtungen zur Geldwäscheprävention sehr ernst nehme. „Wir überwachen Kundentransaktionen mit modernen Systemen und melden auffällige Aktivitäten vorschriftsgemäß an die zuständigen Behörden. Dies ist ein bei allen Finanzinstituten etablierter und gesetzlich geforderter Standardprozess. Bitte haben Sie Verständnis, dass die spezifischen Details dieser Überwachungs- und Prüfverfahren aus Sicherheitsgründen, zum Schutz der Kunden und aufgrund gesetzlicher Verschwiegenheitspflichten streng vertraulich sind.“ Die Frage, wie viele Anzeigen wegen Geldwäscheverdachts gegen Kunden Trade Republic in den ersten acht Monaten des Jahres gestellt hat, bleibt ebenfalls unbeantwortet.

Verfahren eingestellt: Kontoauszahlung nach Monaten

Aber es kommt Bewegung in Loths Situation. Am 22. September erhält er von Trade Republic die Mitteilung, dass das Restguthaben ausgezahlt wird, der Betrag geht am selben Tag auf einem seiner Konten bei einer anderen Bank ein. Dann teilt Loth am 24. September mit: „Ich habe gestern ein Schreiben bekommen, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat.“

Verdacht auf fehlerhafte Algorithmen

Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen? Der technologieaffine Loth vermutet „fehlerhafte Algorithmen bei Trade Republic, welche die Konten überprüfen. Dadurch könnten die Anzeigen bei der Financial Intelligence Unit (FIU) ausgelöst werden. Loth ist ganz sicher nicht der Einzige, den ein solches Schicksal ereilt, und Trade Republic nicht die einzige Bank, deren Systeme womöglich auch Fehlsignale senden.

Zehntausende Verdachtsmeldungen

Die FIU ist bei der Generalzolldirektion angesiedelt und „nationale Zentralstelle für die Entgegennahme, Sammlung und Auswertung von Verdachtsmeldungen über verdächtige Finanztransaktionen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung stehen könnten“, erklärt Peter Bock aus der Pressestelle der Behörde in Köln. Bock weiter: „Im Jahresbericht 2024 ist ausgeführt, dass die FIU insgesamt 265.708 Verdachtsmeldungen entgegengenommen hat. Die Zahl der an die zuständigen Behörden abgegebenen Analyseberichte belief sich auf 87.731. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Analysebericht mehrere Verdachtsmeldungen umfassen kann. Ein direktes Verhältnis zwischen eingegangenen Verdachtsmeldungen und abgegebenen Analyseberichten lässt sich daher nicht herstellen.“

Im vergangenen Jahr hat die FIU 41.821 staatsanwaltliche Rückmeldungen erhalten. Bock: „Der überwiegende Teil der Rückmeldungen – knapp 96 Prozent – betrafen Einstellungsverfügungen.“

Wenn Algorithmen über Konten entscheiden

Um die Nachteile eines freiberuflichen Einzelkämpfers zu minimieren, gründete Loth das Kollegium Jencad.de Thüringer Ingenieure in Jena. Sein Fall zeigt, wie schnell technologische Systeme Fehlalarme auslösen können – und welche Folgen das für Betroffene haben kann.

Portrait, Thorsten Loth

Thorsten Loth

ist Werkzeugmacher und freiberuflicher Konstrukteur in den Bereichen Maschinenbau und Optik