Jedes Jahr müssen weltweit mehr als sechs Millionen chirurgische Eingriffe virtuell vorgeplant werden. Was auf den ersten Blick nach einem rein technischen Prozess klingt, ist in Wahrheit ein zeitkritischer und oft mühsamer Bestandteil des Klinikalltags. Heute verfügbare Planungssoftwares sind teuer, kompliziert und nur von speziell geschultem Personal bedienbar. Viele Kliniken lagern die Planung deshalb an externe Dienstleister aus. Ein Umweg, der nicht nur Zeit, sondern auch Einfluss kostet.
Ich halte das für ein strukturelles Problem: Die Chirurginnen und Chirurgen, die am Ende operieren, haben oft keinen direkten Zugriff auf die Planung, die die Grundlage ihrer Arbeit bildet. Genau das wollten wir bei Inzipio ändern.
Von der Idee zur Plattform
Gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Ali Modabber, einem erfahrenen MKG-Chirurgen, dem Maschinenbauingenieur Dr. Stefan Raith und dem Betriebswirt Thomas Roth haben wir Inzipio gegründet. Unsere Vision war klar: eine Plattform zu entwickeln, die die gesamte Prozesskette der Operationsplanung digitalisiert und automatisiert. Von der Analyse der CT-Daten über das Design individueller Implantate bis hin zu 3D-druckbaren Schnittschablonen.
Als Chief AI Officer ist es meine Aufgabe, die künstliche Intelligenz in diese Prozesse zu integrieren. Unsere Algorithmen lernen, anatomische Strukturen zu erkennen, optimale Operationswege vorzuschlagen und Modelle zu generieren, die bisher nur mit großem manuellem Aufwand erstellt werden konnten.
Das Ergebnis: Chirurginnen und Chirurgen können ihre Eingriffe selbst planen – intuitiv, schnell und präzise. So bleibt die Kontrolle dort, wo sie hingehört: im Operationssaal.
KI als Assistent, nicht als Ersatz
Ich werde oft gefragt, ob KI den Arzt ersetzt. Meine klare Antwort lautet: Nein. Künstliche Intelligenz ist kein Ersatz für menschliche Erfahrung, sondern ein Werkzeug, das diese erweitert.
Unsere Technologie unterstützt Ärztinnen und Ärzte dabei, Routineaufgaben zu automatisieren, komplexe Daten zu interpretieren und Szenarien zu vergleichen. Das reduziert Fehlerquellen und spart wertvolle Zeit. Statt Stunden in Planungssoftware zu investieren, können sich Medizinerinnen und Mediziner wieder stärker auf ihre Patientinnen und Patienten konzentrieren. In einer Zeit, in der medizinisches Personal ohnehin knapp ist, ist das mehr als nur Effizienzgewinn – es ist ein Beitrag zu besserer Versorgung.
Vom Prototyp zum Medizinprodukt
Die Idee zu Inzipio entstand aus einem Forschungsprojekt an der Uniklinik der RWTH Aachen. Heute arbeiten wir daran, unseren akademischen Prototypen in ein marktreifes, zertifiziertes Medizinprodukt zu überführen.
Ein großer Meilenstein steht kurz bevor: Im zweiten Quartal 2026 wollen wir unser erstes Produkt offiziell zur Zertifizierung als Medizinprodukt einreichen. Das ist der entscheidende Schritt für den Markteintritt in der EU. Parallel dazu bereiten wir eine Finanzierungsrunde vor, um unsere Technologie auf weitere chirurgische Fachrichtungen auszuweiten, insbesondere auf die orthopädische Chirurgie. Mit dem Health-i Award, spüren wir Rückenwind. Er zeigt, dass der Markt erkennt, welches Potenzial in automatisierter, KI-gestützter Planung steckt.
Warum wir tun, was wir tun
Ich glaube fest daran, dass Technologie im Gesundheitswesen dann am meisten bewirkt, wenn sie Ärztinnen und Ärzten hilft, bessere Entscheidungen zu treffen. KI ist kein Selbstzweck. Sie soll Prozesse vereinfachen, Qualität steigern und den Zugang zu modernster Medizin demokratisieren.
Wenn Chirurginnen und Chirurgen ihre Eingriffe mit wenigen Klicks selbst planen können, anstatt Tage auf externe Planungsdaten zu warten, verändert das den gesamten Behandlungsprozess. Von der Vorbereitung bis zur Genesung. Genau darauf arbeiten wir bei Inzipio hin.
Wir stehen erst am Anfang einer neuen Ära der chirurgischen Planung. Doch ich bin überzeugt: Die Zukunft im OP ist digital, intelligent und menschlicher denn je.
