Zukunft des Gesundheitswesens

Digital Health Conference 2025: The circle of health

Die Digital Health Conference 2025 brachte in Berlin Top-Köpfe zusammen, um über die Zukunft der Gesundheitsbranche zu diskutieren. Über einen Konjunktiv voller Tatendrang.

Foto von der Bühne der Digital Health Conference 2025 mit Zuschauern im Hintergrund

04.12.2025

Das KOSMOS Berlin, Veranstaltungsort der Digital Health Conference 2025, hat eine besondere Architektur. In der Mitte des Baus liegt ein ovaler Raum, die Hauptbühne. Drumherum führt ein durchgängiger Flur, auf dem sich Aussteller, Meeting Points, Garderobe, Kaffee-Bars und Zugänge zu anderen Räumen befanden. „Geh einfach im Kreis, dann findest du das schon“, war daher eine viele gehörte Wegbeschreibung. Und vielleicht ist das auch schon die Metapher, die das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen gerade am besten beschreibt: ein ständiges Im-Kreis-Gehen.

Wann geht es los?

Dabei brachte der Digitalverband Bitkom am 25. November doch genau die Leute zusammen, die das Ganze vorantreiben können. Top-Köpfe wie Prof. Dr. Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Martin Krasney, Vorstandsmitglied beim GKV-Spitzenverband, Heidrun Irschik-Hadjieff, Vorsitzende der Geschäftsführung bei Sanofi Deutschland und die Informationsfreiheit und Patrick van der Loo, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Pfizer Deutschland waren unter den 80 Speakern und Speakerinnen auf drei Bühnen. Dazu 1.000 Entscheiderinnen und Entscheider aus dem Gesundheitswesen und der Digitalwirtschaft als Publikum. Und alle mit der Frage: Wie können wir die Zukunft des Gesundheitswesens vorantreiben? Und: Wann geht es endlich richtig los?

Digital Health 2025: Der Datensatz als Datenschatz

Die Antwort aus der Politik kam gleich zu Beginn: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) eröffnete die Konferenz und zeichnete das Bild eines Gesundheitswesens, das digital zwar schon einige Schritte gegangen ist, nun aber vor allem eine stabilere Infrastruktur braucht. „Wir sehen, dass ein guter Einsatz digitaler Lösungen einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Versorgung und zu mehr Wirtschaftlichkeit und Effizienz spielen können“, erklärte Warken und stellte eine leistungsfähigere, weniger komplexe TI 2.0 mit verlässlichen Anwendungen wie E-Rezept und elektronischer Patientenakte in Aussicht.

Zugleich rückte sie die Datenbasis in den Mittelpunkt. Hochwertige, strukturierte Gesundheitsdaten, etwa aus dem neuen Forschungsdatenzentrum mit den Daten von mehr als 70 Millionen gesetzlich Versicherten, als Grundlage für personalisierte Medizin und KI-Anwendungen. „Das ist ein großartiger Schatz für unsere Forschung und Entwicklung“, so Warken. „Ein so vollständiger Datenbestand ist weltweit einmalig.“ Und sie gab sich selbstbewusst: „Wir verstehen einen Datensatz als Datenschatz und haben damit ein Umdenken geschafft. Wir schauen nicht mehr, was alles nicht geht, sondern bringen die Dinge voran.“ Ein Versprechen, an dem viele im Saal die Politik nun messen dürften.

ePA: Zwischen Versorgungshelfer und Transformationsbaustelle

Seit Anfang Oktober ist die Elektronische Patientenakte (ePA) im ambulanten Alltag Pflicht, erste positive Anwendungsbeispiele machen sich bemerkbar. Von einem Durchbruch will Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt trotzdem nicht sprechen: „Wir sind Lichtjahre davon entfernt, mit der ePA schon qualifiziert arbeiten zu können“, so der Präsident der Bundesärztekammer. „Wir befinden uns bestenfalls am Beginn eines Transformationsprozesses.“

Dr. Kristina Spöhrer, Sprecherin Digitales im Bundesvorstand des Hausärzteverbands, sieht zwar die Chance, die Zersplitterung des Systems „wieder einzufangen“, fordert aber endlich strukturierte Labordaten und eine Volltextsuche. „Wir haben schon 2022 formuliert, was unsere Anforderungen an eine ePA sind, die in der Versorgung hilft“, so Spöhrer. „Vieles, was wir damals aufgeschrieben haben, ist leider immer noch aktuell.“ Wie viel Potenzial verschenkt wird, zeigt der noch immer nicht integrierte digitale Impfpass, obwohl der, so CDU/CSU-Bundestagsabgeordneter Dr. Thomas Pauls, „schon ein Feature wäre, das schnell für jeden Patienten einen Nutzen stiften könnte.“

EHDS: Deutschland will beim Datennutzen „Europa was vormachen“

Auf EU-Ebene wird derweil am großen Datengerüst für den Health Sektor gebaut. Der European Health Data Space (EHDS) ist seit März 2025 in Kraft. Die langen Übergangsfristen kommentierte Prof. Dr. Jens Scholz, CEO am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, bissig: „Wir können uns jetzt erstmal sechs Jahre lang freuen.“ BfArM-Präsident Prof. Dr. Karl Broich zeigte sich deutlich optimistischer. „Ich würde sagen, wir sind auf die Überholspur eingebogen“ sagte er. „Und ich habe den Ehrgeiz, dass wir beim EHDS Europa was vormachen.“

Mit dem neuen Forschungsdatenzentrum (FDZ) Gesundheit, der Datenzugangs- und -koordinierungsstelle und der geplanten Registerstelle beim BfArM seien zentrale Bausteine bereits da, erste Industrieprojekte – etwa von Pfizer – laufen. Worum es geht, brachte Prof. Dr. Ariel Dora Stern vom Digital Health Cluster am Hasso-Plattner-Institut auf den Punkt: „Wir können damit evidenzbasierte Gesundheitspolitik machen“ – etwa indem Routinedaten zeigen, für welche Patientengruppen sich Telemonitoring medizinisch und wirtschaftlich wirklich lohnt.

Apotheken: Von der Ausgabestelle zur niedrigschwelligen Lotsin

Welche Rolle Apotheken im digitalisierten Gesundheitssystem spielen sollen, diskutierten Ina Lucas (ABDA-Vizepräsidentin), Walter Hess (CEO von Doc Morris) und Luisa Wasilewski (Gründerin und CEO von Pulsewave/ Halbzeit.ai). „Wir werden weniger Menschen haben, die versorgen können und gleichzeitig mehr Menschen haben, die versorgt werden wollen“, sagte Lucas. „Wir haben strukturelle und politische Herausforderungen. Insbesondere wenn wir schauen, wie das System der Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort honoriert wird.“ Sie verwies auf das Konzept „Zukunftsapotheke“, in der Vor-Ort-Apotheken mit digitalen Services und neuen Aufgaben in Prävention und Frühdiagnostik mehr Verantwortung übernehmen.

Während Walter Hess von Doc Morris mehr Gleichberechtigung für Versandapotheken forderte, pochte Lucas auf die besonderen Allgemeinwohlpflichten der Präsenzapotheken. Ihr Zukunftsbild: „Wir werden eine Apotheke haben, die niedrigschwellige Anlaufstelle ist, die Lotsenfunktionen übernimmt, und die Angebote macht, die Patientinnen und Patienten aus den stationären Strukturen heraushalten werden. Dabei werden wir eine gute Figur machen, darauf gebe ich mein Wort.“

Am Ende steht eine Frage vom Anfang

Nach all den Impulsen, Forderungen und Argumenten gingen viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einer zentralen Frage im Kopf nach Hause. Einer Frage, die gleich zu Beginn der Veranstaltung gestellt wurde. In seiner Eröffnungsrede formulierte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst sie so: „Was können Sie machen, um einen Unterschied zu machen?“ Denn es braucht Macherinnen und Macher, die in Praxen, Kliniken, Apotheken, Unternehmen, Verbänden und Ministerien konkrete Schritte gehen. Aber Digital Health darf nicht bei vielen kleinen isolierten Veränderungen stehen bleiben.

Aus Pilotprojekten, Datenräumen und neuen Versorgungsmodellen muss ein flächendeckend vernetztes System werden, in dem Informationen wirklich fließen und sich die einzelnen Lösungen zu einem großen Ganzen fügen. Erst wenn beides zusammenkommt – der Mut zum Handeln einzelner und ein klug gesetzter Rahmen  – hört das Gesundheitswesen auf, im Kreis zu laufen, und bewegt sich spürbar nach vorn.