Geschäftsmodelle

„Jetzt ist die Zeit, KI im Mittelstand strategisch zu nutzen“

Während sich in den USA und China KI-Firmen Milliarden sichern, ist die deutsche Wirtschaft bislang zurückhaltend. „Viele Unternehmerinnen und Unternehmer begreifen Künstliche Intelligenz noch als unsicheres Experiment“, sagt Jan Schellenberger, Mitgründer des Start-ups Go Ava. Doch gerade jetzt eröffnen sich Möglichkeiten, die es so noch nie gab.

Ein Foto von Jan Schellenberger beim BIG BANG KI Festival, während seiner Keynote über Ki im Mittelstand

16.10.2025

Er glaube fest daran, dass Deutschland in puncto Künstliche Intelligenz nicht den Anschluss verloren habe, sagt Jan Schellenberger von Go Ava. Im Gegenteil: „Weil GPT und Cloud inzwischen Standard sind, können wir jetzt loslegen.“ Die eigentliche Stärke liege nicht in der Entwicklung von Basismodellen – dafür seien andere Länder besser aufgestellt. „Aber wir sind das Land der Prozesse. Wenn wir unser Know-how mit KI kombinieren, kann daraus ein echter Wettbewerbsvorteil entstehen“, ist sich Schellenberger sicher.

Der Schlüssel dazu: Spezialisierung. „Heute nutzen viele Firmen KI als Spielzeug und als Tool, mit dem man experimentiert. Was fehlt, sind echte Geschäftsmodelle“, sagt der Go-Ava-Gründer. Unternehmen müssten jetzt damit beginnen, eigene Sprachmodelle zu entwickeln – abgestimmt auf ihre Branche, ihre Daten, ihre Abläufe. „Die Firmen, die das jetzt tun, überholen ihre Mitbewerber. Dieser Wettlauf hat längst begonnen“, so Schellenberger.

KI im Mittelstand: Gefragt sind Mut und Agilität

Doch warum passiert so wenig? Es fehle oft der Mut zur Investition, sagt Schellenberger. „Wir sind als Industrieland mit Regeln und Präzision groß geworden. Jetzt sollen wir plötzlich alle Regeln brechen und ­akzeptieren, dass KI unvorhersehbar ist. Das widerspricht unserer DNA.“ Hier hätten Start-ups gewal­tige Vorteile: Denn sie seien schnell, flexibel, anpassungsfähig. Und die Zukunft der KI werde auch über Agilität entschieden. Und bekanntlich seien junge Unternehmen etablierten Firmen dabei ein Stück voraus.

Besonders großes Potenzial sieht Schellenberger in Bereichen, die auf Vorhersagen basieren: Logistik, Fertigung, Supply-Chain. Aber auch in der Kommunikation: KI-gestützte Agenten, die interne Informationsflüsse beschleunigen, gehören für ihn zu den stärksten Hebeln für Produktivitätsgewinne. Noch wenig beachtet, aber hoch relevant sei auch das Konzept des „personalisierten KI-Coachs“ – ein
System, das individuelle Ziele der Mitarbeitenden mit Unternehmenszielen verknüpft und in Echtzeit unterstützt. „Da liegt enormes Potenzial für Effizienz, Motivation und Mitarbeitendenbindung.“

Und was ist mit dem Datenschutz? Ist der Fokus darauf nicht ein Wettbewerbsnachteil? Ganz im Gegenteil, meint Schellenberger: „Das ist unsere Stärke. Die europäischen Standards helfen uns, KI im Mittelstand verantwortungsvoll und robust aufzubauen.“ Er nennt es eine „Angstprognose“ – also das Nachdenken über mögliche Risiken, das zum Innovationstreiber wird.

Schellenberger, Jan

Jan Schellenberger

hat Softwaretechnik studiert und 2023 das KI-Start-up Go Ava mitgegründet