Marketing

KI in der Werbung: Menschliche Kreativität statt Mittelmäßigkeit

Künstliche Intelligenz (KI) in der Werbung verändert die Branche. Larissa Pohl, Präsidentin des Gesamtverbands führender Kommunikationsagenturen (GWA) und Nina Haller, Sprecherin des GWA Forums Technology & Innovation, über die wahren Kreativen der Zukunft und Strategien, mit denen Agenturen im KI-Zeitalter bestehen können.

Zwei junge Männer, die in einem modernen Bürostehen. Einer von ihnen trägt eine VR-Brille, als Symbol für KI in der Werbung

13.08.2025

DUP UNTERNEHMER-Magazin: KI in der Werbung soll das Geschäft schneller, günstiger, skalierbarer machen. Was geht dabei für das Agenturgeschäft verloren?

Larissa Pohl: Ich glaube nicht, dass etwas verloren geht, solange die Qualität stimmt. Schneller, günstiger, skalierbarer ist im Sinne einer Effizienzsteigerung ja zunächst einmal ein Gewinn für alle. Wichtig ist, dass wir uns durch die neuen Chancen, die KI bietet, nicht dazu verleiten lassen, auf Dinge zu verzichten, die für erfolgreiches Marketing schon immer essenziell waren und es auch künftig sein werden, und zwar die Differen­zierung. Also insbesondere Disziplinen wie Strategie, Kreation und Markenführung.

Nina Haller: KI ermöglicht beeindruckende Effizienzgewinne – das ist unbestritten. Doch wer nur auf Output-Optimierung schaut, übersieht, was Agenturen eigentlich stark macht: strategische Tiefe, kulturelles Gespür und kreative Originalität. Wenn jede und jeder mit KI-Tools Inhalte generieren kann, wird kuratieren, kontextualisieren und orchestrieren zur neuen Königsdisziplin. Agenturen müssen sich neu erfinden – nicht als reine Produzenten, sondern als Sinngeber in einer fragmentierten Medienrealität.

Meta-Gründer Mark Zuckerberg spricht von den „vier Elementen der Werbung“, die KI beherrschbar machen soll – Content, Creative, Targeting, Measurement. Aber wo bleibt die Marke?

Pohl: Ich finde es tatsächlich weitaus interessanter, was Zuckerberg alles nicht erwähnt. Worte wie Branding etwa oder Markenführung, Strategie und Beratung finden sich in seiner „Redefinition of advertising“ kein einziges Mal. Und da würde ich doch sagen, tut sich eine recht große Lücke in der Definition von Werbung des Meta Chefs auf. Diese Lücke dürfen werbungtreibende Unternehmen natürlich nicht offen lassen. Und Agenturen bietet diese Lücke sehr viel Platz für ihre  Kernkompetenzen. Die wirklichen Stärken der Agenturen liegen genau dort, wo AI an ihre Grenzen stößt: in Branding, Markenführung, Strategie und Beratung.

Haller: Die Marke ist das, was all diese Elemente zusammenhält. Wenn Content beliebig hyperpersonalisierbar wird, wird Markenführung zur Orientierungsleistung. Wer nur auf Performance optimiert, läuft Gefahr, Relevanz durch Wiedererkennbarkeit zu verlieren. KI kann Markenarbeit unterstützen – aber sie braucht ein klares strategisches Fundament, das nicht aus einem Prompt kommt, sondern aus Haltung.

Droht der kreative Anspruch zugunsten maschineller Mittelmäßigkeit geopfert zu werden?

Haller: Absolut. Wir laufen Gefahr, im Zeitalter des „Age of Average“ zu landen – in einer Welt voller gut gemeinter Mittelmäßigkeit. Aber: Wer die Tools versteht und mit Haltung und Weitsicht einsetzt, kann mehr denn je daraus ausbrechen. KI ist kein Ersatz für kreative Exzellenz, sondern ihr Verstärker – wenn man weiß, wie. Die wahren Kreativen der Zukunft sind nicht die, die KI für sich arbeiten lassen, sondern die, die sie in neue Kontexte einbinden.

Pohl: Ich sehe das relativ gelassen. Denn ich glaube, und erste Anzeichen dafür gibt es ja bereits, dass die erwähnte Mittelmäßigkeit ziemlich schnell zu einem Revival menschlicher Kreativität in Richtung neuer Exzellenz und Uniqueness führen wird. Im Moment sind alle noch sehr fasziniert von den Möglichkeiten der KI, doch recht bald wird sich an vielen Stellen Langeweile und Beliebigkeit einstellen. Und dann wird in Marketing und Kommunikation Human Creativity wieder eine sehr relevante Größe sein. Werbungtreibende Unternehmen werden sehr schnell erkennen, dass sie mit rein KI-basierter Kreation nicht die gewünschte Wirkung erzielen.

Wie verändert KI in der Werbung die Zusammenarbeit zwischen Agenturen und ihren Kunden – wer treibt hier wen?

Pohl: Die Modelle einer Zusammenarbeit werden sich weiter ausdifferenzieren. Es wird viele vornehmlich KI-basierte Umsetzungsaufgaben geben. Aber auch die Nachfrage nach Uniqueness, strategischer und kreativer Exzellenz, nach Effektivität und validen Wirkungsnachweisen wird deutlich zunehmen.

Haller: Wir erleben eine massive Verschiebung: Kunden wollen schnelle, skalierbare Lösungen – und sind selbst schon mit vielen Tools unterwegs. Agenturen müssen deshalb nicht nur liefern, sondern navigieren, orchestrieren und strukturieren. Wer es schafft, KI-Kompetenz mit Markenverständnis zu verbinden, wird zum echten Sparringspartner. Wer nur umsetzt, wird ersetzt.

Was sollten Werbungtreibende heute über KI in der Werbung wissen – und wo endet der Hype?

Pohl: Werbungtreibende sollten wissen, dass KI ihnen nicht jede Entscheidung abnehmen und nicht jedes Problem für sie lösen kann. Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen können schnell zum Bumerang werden. Und damit meine ich nicht nur im Bereich von Marketing und Kommunikation, sondern beispielsweise auch beim Thema Personalmanagement.

Haller: Der Hype endet dort, wo Ergebnisse sichtbar werden – oder eben nicht. Werbungtreibende sollten wissen: KI ist keine Wunderwaffe, sondern ein strategisches Werkzeug. Sie verändert nicht nur die Produktion, sondern das gesamte Betriebsmodell von Kommunikation. Wer jetzt nicht investiert – in Wissen, in Strukturen, in ethische Leitplanken – läuft dem Wandel hinterher. Das GWA-Whitepaper zeigt: Der Mainstream-Moment ist da.

Welche Antworten gibt das neue GWA-KI-White­paper auf die Frage, wie Agenturen im KI-Zeitalter bestehen können?

Haller: Das Whitepaper liefert eine klare Botschaft: Wer bestehen will, muss sich wandeln. Agenturen müssen hybrid werden – technologisch versiert und mit kreativer Tiefe. Sie müssen neue Rollen definieren, neue Geschäftsmodelle denken und vor allem: Verantwortung übernehmen. Für Qualität, für Ethik, für Wirkung. KI ist kein Tool für die IT-Abteilung, sondern ein strategischer Hebel für das gesamte Agenturmodell. Die unbequeme Wahrheit: Wir reden über „Transformation“, meinen aber eigentlich „Sterben mit Ansage“. Ein radikal anderes Geschäftsmodell ist ein anderes Geschäft – Punkt.  Neue Leistungskataloge, neue Wertschöpfung, neue Prozess, neue Rollen und ja auch neue Preise und Arten der Abrechnung. Wer überlebt? Die, die sich neu erfinden, oder die, die ehrlich zugeben, dass sie ein neues Geschäft starten und das GWA-KI-Whitepaper liefert Grundlagen dafür.

Pohl: „Sterben mit Ansage“ ist mir deutlich zu hart formuliert. Wir können ja etwas tun – indem wir unsere Geschäftsmodelle und unsere Portfolien anpassen. Im Übrigen gelten die Botschaften der Transformation nicht nur für Agenturen, sondern für deren Kunden gleichermaßen. Auch beim Thema „Wandel im KI-Zeitalter“ sitzen Agenturen und werbungtreibende Unternehmen im selben Boot.

Porträt Larissa Pohl, Präsidentin des Gesamtverbands führender Kommunikationsagenturen (GWA)

Larissa Pohl

 

ist Präsidentin des Gesamtverbands führender Kommunikationsagenturen (GWA)

Porträt Nina Haller, Sprecherin des GWA Forums Technology und Innovation des GWA

Nina Haller

ist Sprecherin des GWA Forums Technology & Innovation des GWA