DUP UNTERNEHMER-Magazin: Viele Unternehmen scheuen sich davor, offen über eine Insolvenz zu sprechen. Warum haben Sie sich entschieden, das Thema aktiv aufzugreifen und als Chance zu betrachten?
Alexander Klos: Eine Insolvenz ist kein Makel. Unternehmen geraten immer wieder in schwierige Situationen – entscheidend ist der offene und ehrliche Umgang damit. Deshalb war für uns klar, dass wir das Thema aktiv ansprechen und transparent kommunizieren möchten. Wir wollen zeigen, dass ein solches Verfahren auch eine Chance sein kann und dass es mit einem guten Team, starken Mitarbeitern und erfahrenen Anwälten möglich ist, ein Unternehmen wieder klar auszurichten.
Marcus Schmidt: Eine Insolvenz ist letztlich auch ein Instrument – gerade dann, wenn es zu einer gewissen Defokussierung gekommen ist. Das war bei uns der Fall: Zu viele Themen wurden parallel verfolgt, mit der Annahme, damit schneller voranzukommen. Gleichzeitig entstand eine Überschuldung, weil über längere Zeit zusätzliche Mittel eingebracht wurden, deren Einsatz jedoch nicht in allen Bereichen vollständig nachvollziehbar war. Diese Situation hat uns dazu veranlasst, die Insolvenz bewusst als Restrukturierungswerkzeug zu nutzen, um uns auf den operativ starken und funktionierenden Teil des Unternehmens zu konzentrieren und diesen konsequent weiterzuentwickeln.
Klos: Ein treffendes Bild dafür ist ein Baum: Die Wurzeln sind gesund, aber einige Äste sind durch den Winter beschädigt und abgeknickt. Dann muss man diese Äste abschneiden, damit der Baum wieder klar nach oben wachsen kann. Genau das haben wir getan.
Was genau bedeutet die Neuausrichtung für Beyond Imaging und wie unterscheidet sich das neue Unternehmen von der früheren Struktur?
Schmidt: Für die Neuausrichtung haben wir Beyond Imaging im Grunde einmal „von innen heraus“ erneuert. Wir haben bestehende Strukturen hinterfragt, das Unternehmen entschlackt und neue Schwerpunkte aufgebaut. Ein zentraler Unterschied zur früheren Ausrichtung liegt in unserem klareren Leistungsfokus: Wir bauen unser Angebot im Bereich Privat-, Selbstzahler- und Präventionsleistungen deutlich aus und richten Beyond Imaging stärker auf moderne Präventions- und Sportmedizin aus. Diese Bereiche haben großes Potenzial und unterstützen unsere Vision einer hochwertigen, am Menschen ausgerichteten Diagnostik. Sie richten sich an Personen, die aktiv in ihre Gesundheit investieren möchten und werden für uns zu einem wichtigen Wachstumstreiber. Die medneo Gruppe hatte aufgrund ihrer Struktur und Ausrichtung nicht die Möglichkeiten, die Beyond Imaging heute besitzt.
Klos: Außerdem wollten wir weg von einem sehr durchgetakteten Betrieb, der weder für die Qualität noch für unser Team ideal war. Jetzt setzen wir stärker auf individuelle Betreuung und hochwertige Diagnostik. Durch den Asset-Deal konnten wir zudem Verträge neu strukturieren und uns aus langfristig festgefahrenen Bindungen lösen. Das macht uns deutlich agiler – sowohl organisatorisch als auch preislich.
Was war für Sie persönlich der schwierigste Moment in dieser Phase und was hat Ihnen geholfen, weiterzumachen?
Klos: Aus meiner Sicht als CFO war die schwierigste Phase tatsächlich die Erkenntnis, dass wir keinen alternativen Weg mehr finden. Natürlich hätte ich mir das anders gewünscht. Aber durch die enge Zusammenarbeit im Führungsteam – Rücken an Rücken, nächtliche Telefonate, täglicher Austausch – sind wir gemeinsam durch diese Zeit gegangen. Das hat uns unglaublich zusammengeschweißt. Gleichzeitig war die starke Unterstützung um uns herum entscheidend: Unsere Kanzlei Wellensiek, die uns sicher durch den gesamten Prozess geführt hat, unser Chairman of the Board, der klar signalisiert hat „Wir machen das gemeinsam“ und nicht zuletzt der außergewöhnliche Zusammenhalt im Team.
Schmidt: Für mich persönlich war der schwierigste Moment nicht die Erkenntnis, dass eine Insolvenz unvermeidbar ist. Am schwersten fiel es mir, unser Team darüber zu informieren. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt in Teilen keine Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter stabilisieren oder Verantwortung übernehmen konnten. Manche haben eher Unsicherheit verbreitet – und das mussten wir auffangen. Dieser Moment war harte Realität und emotional sehr belastend.
Haben Sie im Zuge der Insolvenz Veränderungen in der Unternehmenskultur wahrgenommen? Und wie hat sich Ihr Führungsverständnis verändert?
Schmidt: Mein Führungsverständnis hat sich durch die Insolvenz nicht verändert. Ich gehe mit einem klaren Anspruch in jede Phase: Orientierung geben, den Überblick behalten und unsere Führungskräfte so befähigen, dass sie ihre Teams sicher durch herausfordernde Situationen führen können. Ich arbeite im Sinne des Pull-Systems – also indem ich vorangehe und die Mitarbeiter mitziehe, sodass sie wachsen können.
Veränderungen in der Unternehmenskultur habe ich deutlich wahrgenommen: Wir sind als gesamtes Unternehmen enger zusammengerückt und spüren heute einen ganz anderen Spirit. Wir nennen uns inzwischen „Beyoneers“, eine Mischung aus Beyond und Pioneer. Das setzt eine neue positive Energie frei.
Klos: Aus meiner Sicht hat die Phase aber auch gezeigt, wie viel Potenzial im Team steckt. Einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in dieser Zeit über sich hinausgewachsen, haben Verantwortung übernommen und den Blick über den Tellerrand gewagt. Gerade im Finance-Bereich war die Belastung enorm – neue Bewertungsprozesse, Abschlüsse, Vertraulichkeit, hoher Workload. Dort war besonders sensibler Umgang gefragt. Aber genau in dieser Situation haben sich Talente gezeigt, die vorher vielleicht nicht so sichtbar waren.
Wie haben Sie intern kommuniziert, als klar wurde, dass eine Insolvenz unvermeidbar ist? Wie haben Ihre Mitarbeiter auf die Situation reagiert?
Schmidt: Als feststand, dass wir die Insolvenz anmelden müssen, haben wir zunächst unseren engsten Führungskreis informiert und kurz darauf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem gemeinsamen Teams-Call. Aufgrund unserer vielen Standorte war das der effizienteste Weg, wirklich alle gleichzeitig zu erreichen. In diesem Gespräch haben wir transparent dargestellt, dass es sich um eine Insolvenz in Eigenverwaltung im Rahmen eines Pre-Pack-Szenarios handelt – also mit einem Investor, der bereits seine Bereitschaft signalisiert hatte, den Weg mit uns weiterzugehen.
Klos: In den folgenden Monaten haben wir so transparent wie möglich kommuniziert. Manche Informationen konnten wir erst später teilen, weil der Prozess sehr dynamisch war. Marcus und ich mussten parallel viele Entscheidungen vorbereiten – zur neuen Struktur, Marke und Ausrichtung –, oft schon Monate im Voraus. Als der Insolvenzantrag dann endlich gestellt war, gab es kein Zurück mehr – und ehrlich gesagt war das fast ein befreiender Moment. Wir konnten nun das anpacken, was wir vorher vorbereitet hatten.
Welche unternehmerischen und persönlichen Lehren haben Sie aus der Insolvenz gezogen? Welche Empfehlungen würden Sie anderen Unternehmern geben, die plötzlich in eine ähnliche Krisensituation geraten?
Schmidt: Eine der wichtigsten Lehren für uns war: trust the process. Eine Insolvenz ist hochkomplex, und man braucht Partner, die wirklich wissen, was sie tun. Deshalb unser erster Rat: Sucht euch frühzeitig eine auf Restrukturierung spezialisierte Kanzlei und baut Vertrauen im eigenen Management auf. Wer beim ersten Anzeichen einer finanziellen Schieflage offen kommuniziert und sich beraten lässt, schafft sich deutlich bessere Handlungsspielräume. Und: Achtet unbedingt auf den richtigen Investor. Jemand, der wirklich hinter dem Geschäftsmodell und dem Team steht, macht am Ende den entscheidenden Unterschied. Persönlich gilt dabei: Ruhe bewahren – Panik hilft nicht.
Klos: Gleichzeitig muss man sich bewusst sein, dass nach der Insolvenz ein herausfordernder Weg folgt. Die ersten sechs bis neun Monate sind oft ein echtes Tal der Tränen. Eine neue Gesellschaft muss sich wie ein Start-up komplett neu etablieren – ohne Historie, ohne Bilanz, ohne Kreditlinien. Banken gewähren kein Konto mit Sonderkonditionen oder Kreditkarten. Einnahmen fließen erst, wenn die ersten Leistungen erbracht und abgerechnet sind. Das kostet Zeit, Kraft und Nerven und bedeutet auch, die eigene Reputation Schritt für Schritt neu aufzubauen. Außerdem haben wir klar gelernt, wie wichtig solide Finanzstrukturen sind: transparente Ablagen, stets aktuelle Unterlagen, eine durchdachte Cashflow-Planung und regelmäßige Cash-Simulationen. Eine 13-Wochen-Vorausschau ist in solchen Situationen kein „Nice to have“, sondern absolut unverzichtbar.
Wie sieht Ihre Vision für Beyond Imaging in den kommenden drei bis fünf Jahren aus? Welche Meilensteine stehen als nächstes an?
Klos: Unsere Vision für die kommenden Jahre ist eindeutig: Wir wollen unser profitables Kerngeschäft stärken, unsere Finanzierungs- und Kostenstruktur dauerhaft stabil halten und uns technologisch weiterentwickeln. Wir haben in den letzten Monaten zahlreiche strategische Partnerschaften aufgebaut und neue Kooperationen unterschrieben – ein wichtiger Baustein für unser Wachstum.
Auch kulturell entwickeln wir uns weiter. Unser Team wird mit einem neuen Wertekatalog und gezielten Trainings ausgestattet, damit wir unsere Kunden auf dem Niveau bedienen können, das sie erwarten. Inhaltlich rücken wir unseren Fokus klarer aus: Präventionsmedizin, technologisch führende Bildgebung mit KI-Unterstützung, der Ausbau des Sportsegments und ein gestärktes Privatkundengeschäft. All das auf Basis einer gesunden, entschuldeten Bilanz und unter konsequenter Kostenkontrolle.
Schmidt: Ein konkreter Meilenstein ist natürlich auch die Eröffnung unserer nächsten vier Zentren. Zwei davon können wir bereits ankündigen: Dresden und Kiel. In Dresden arbeiten wir erstmals mit JMP Medical zusammen, einem starken Partner, der hochwertige, voll ausgestattete medizinische Containerlösungen anbietet. Parallel gestalten wir all unsere Standorte neu – modern, effizient und konsequent an den Bedürfnissen unserer Kunden ausgerichtet. Unsere Vision: Beyond Imaging soll in drei bis fünf Jahren eines der innovativsten, flexibelsten und kundenzentriertesten Diagnostikunternehmen im deutschsprachigen Raum sein.
