Von Null auf Hundert: Johannes Voetter hat mit WIRmachenDRUCK vorgemacht, wie radikale Kundenorientierung ein ganzes Geschäftsmodell verändern kann. „Wir haben nicht gefragt, wie wir möglichst schnell Geld verdienen, sondern wie wir das Drucken einfacher, transparenter und fairer machen können.“ Der Rest ist Handwerk – und Disziplin. Doch was bleibt vom Unternehmergeist, wenn aus einem Startup ein großer Mittelständler wird?
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Sie haben WIRmachenDRUCK aus dem Nichts aufgebaut und innerhalb weniger Jahre auf mehrere hundert Millionen Euro Umsatz skaliert. Was waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Weichenstellungen in den ersten Jahren, die den späteren Erfolg ermöglicht haben?
Johannes Voetter: Ehrlich gesagt hatten wir auch eine gute Portion Glück. Aber der wichtigste Kompass war von Anfang an der Kunde. Wir haben nicht gefragt, wie wir möglichst schnell Geld verdienen, sondern wie wir das Drucken einfacher, transparenter und fairer machen können. Daraus entstand unsere radikale Kundenorientierung.
Ein zweiter Punkt war die Entscheidung, kritische Prozesse selbst in die Hand zu nehmen. Eigene Systeme und später auch eigene Produktionsstätten haben uns Geschwindigkeit und Unabhängigkeit gegeben. Das war teils teuer und riskant – und nicht jede Entscheidung war im Nachhinein richtig. Aber wir hatten das große Glück, Menschen im Team zu haben, die an die Idee geglaubt und mit angepackt haben.
Viele Unternehmen stoßen beim Wachstum an Grenzen – sei es bei Strukturen, Prozessen oder beim Erhalt der Kultur. Wie haben Sie sichergestellt, dass WIRmachenDRUCK beim starken Wachstum nicht an Agilität und Unternehmergeist verliert?
Voetter: Das war und ist eine ständige Herausforderung, und ich würde nicht behaupten, dass uns das immer gelungen ist. Wir haben versucht, früh Strukturen zu schaffen, die nicht von einzelnen Personen abhängen, sondern allen Mitarbeitern helfen, ihr Bestes zu geben. Dazu gehören klare Rollen, einfache Entscheidungswege und Kunden-KPIs, die täglich im Fokus stehen.
Schnelles Wachstum bringt Risiken: Abhängigkeit von Technologie, Margendruck, Internationalisierung. Wie sind Sie mit den größten unternehmerischen Risiken umgegangen, und was können andere Gründerinnen und Gründer aus Ihren Erfahrungen lernen?
Voetter: Wir haben viele Fehler gemacht – manche kleine, manche größere. Skalierung heißt eben auch: Jede Schwäche wird größer. Technologieabhängigkeit, Margendruck, Internationalisierung – das alles kann gefährlich werden.
Wir haben versucht, schnelle Entscheidungen zu treffen, auch manchmal mit unvollständigen Informationen. Wichtig war, Fehler schnell zu erkennen und konsequent zu korrigieren. Gleichzeitig haben uns eigene Systeme und Prozessdisziplin gegen Preisdruck und Qualitätsverluste geholfen.
Gründern kann ich nur empfehlen: Habt Mut, aber bleibt bescheiden. Holt euch Menschen ins Team, die besser sind als ihr selbst in bestimmten Bereichen, und hört auf sie. Feedbackschleifen kurz halten und aus Fehlern lernen – das hat uns mehr geholfen als jede Strategie.
Sie haben den Sprung vom Gründer zum Manager geschafft. Wie verändert sich die Rolle eines Unternehmers, wenn aus einem kleinen Betrieb ein Mittelständler mit mehreren Hundert Mitarbeitenden wird?
Voetter: Das ist ein Lernprozess, der nicht immer einfach war. Am Anfang bist du Macher, später musst du Möglichmacher werden. Es geht weniger darum, selbst die beste Idee zu haben, sondern Bedingungen zu schaffen, unter denen Teams schnell und eigenverantwortlich arbeiten können.
Angesichts von Digitalisierung, Nachhaltigkeitsdruck und internationalem Wettbewerb: Welche Fähigkeiten braucht der deutsche Mittelstand heute, um die nächsten 10–15 Jahre erfolgreich zu gestalten?
Voetter: Ich denke, wir brauchen weniger Bürokratie und schnellere Genehmigungsprozesse, sonst verlieren Unternehmen im internationalen Wettbewerb wertvolle Zeit. Wir brauchen wettbewerbsfähige Energiepreise, damit produzierende Unternehmen eine faire Chance haben.

