Unternehmenssoftware

SAP und der Mittelstand: So gelingt die digitale Transformation mit KI und Cloud

Für viele gilt SAP nach wie vor als Software- Gigant der Großkonzerne – komplex, teuer, schwergewichtig. Doch dieses Bild hält der Realität kaum noch stand. Timo Deiner, verantwortlich für Innovation und Technologie in der Region Mittel- und Osteuropa bei SAP, arbeitet daran, ein neues Selbstverständnis zu etablieren.

Illustration: Ein Mann in Businesskleidung steigt Stufen, die aus Sprechblasen bestehen hinauf, als bildliche Darstellung für SAP im Mittelstand

27.06.2025

Tatsächlich sind über 80 Prozent der SAP-Kunden Mittelständler. „Der Mittelstand ist längst kein Nebenschauplatz mehr – er ist ein wichtiger Wachstumsmotor unseres Geschäfts“, klärt Timo Deiner auf. Er und sein Unternehmen SAP erleben gerade, dass sich die Anforderungen an eine ERP-Software – also an digitale Anwendungen, die Unternehmen dabei unterstützen, ihre zentralen Geschäftsprozesse zu optimieren und zu integrieren – derzeit still, aber tiefgreifend verändern. Treiber Nummer eins ist dabei wie in so vielen anderen Bereichen auch natürlich Künstliche Intelligenz (KI). Doch wer dabei nur an Chatbots denkt, greift zu kurz.

Vom Werkzeug zum Co-Piloten

Deiner macht keinen Hehl daraus, dass SAPs Strategie klar in Richtung Cloud und KI zielt. Produkte wie „Grow with SAP“ sollen Unternehmen den Einstieg erleichtern. Der Vorteil liege nicht nur in geringeren Betriebskosten, sondern in der Möglichkeit, direkt auf das modernste ERP-System zuzugreifen – samt KI-Unterstützung. „Die Innovationen finden ausschließlich in der Cloud statt“, sagt Deiner und ergänzt: „Wir liefern nicht nur Software, sondern echte Prozessintelligenz.“

Diese Intelligenz steckt in den standardisierten Prozessen, die SAP gemeinsam mit Kunden über Jahrzehnte entwickelt hat – aber auch in den individuellen Erweiterungen über die „SAP Business Technology Platform“ (BTP). Diese Plattform fungiert als Baukasten für maßgeschneiderte Lösungen, ohne dass der technologische Kern des Systems beschädigt wird. „Wir motivieren unsere Kunden dazu, ihre eigenen Ideen auf der Plattform umzusetzen – ohne die Standardprozesse zu verbiegen“, erklärt Deiner. Das Ziel: Schnelligkeit, Skalierbarkeit, Updatefähigkeit.

KI mit Tiefgang statt Buzzword-Feuerwerk

Wo andere Anbieter generative KI primär als Front­end-Spielerei vermarkten, setzt SAP auf die Integration in Geschäftsprozesse. „Es geht nicht darum, dass KI hübsch aussieht oder schlaue Sätze formuliert“, so der Innovationschef, „sondern darum, dass sie den Anwendenden im konkreten Kontext hilft – bei der Entscheidung, der Analyse oder im Tagesgeschäft.“ Ein Beispiel: In der Kundenbetreuung kann ein intelligenter Assistent automatisch Lösungsvorschläge generieren, noch bevor ein Mensch tätig wird. In der Finanzabteilung wiederum beschleunigen KI-gestützte Routinen das Monatsabschlussverfahren erheblich. Laut Deiner kann der alleinige Einsatz in der CFO-Abteilung bei einem mittelständischen Unternehmen mit rund 2.000 Mitarbeitenden und einer Milliarde Euro Umsatz bis zu 2,5 Millionen Euro an Bottom-Line-Effekt pro Jahr bringen. Und das sei nur ein Bereich. „Der wahre Wert entsteht aus der Summe vieler kleiner Hebel – im Einkauf, im HR, in der Entwicklung.“

Die Gretchenfrage:
Warum bleibt so viel KI ungenutzt?

Trotz der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten verlaufen viele KI-Projekte in der Unternehmenspraxis immer noch im Sand. Der Grund, sagt Deiner, sei oft struktureller Natur. „Viele denken KI von der Technologie her statt vom Problem. Und sie holen die Nutzenden nicht mit ins Boot.“ Erfolgreiche Implementierungen begännen schließlich nicht im Rechenzentrum, sondern mit dem Geschäftsprozess. Deiner empfiehlt deshalb, dass es Antworten auf diese Fragen geben muss: „Was soll besser werden? Wer hat was davon? Und wie sieht die Welt danach aus?“

SAP setze deshalb nicht nur auf Technologie, sondern auch auf Change-Management. Tools wie „SAP WalkMe“ zum Beispiel analysieren das Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer in Echtzeit und schlagen gezielt Schulungen oder Anleitungen vor. Das Ziel: eine möglichst hohe Adoption, also tatsächliche Nutzung im Alltag. „Wir glauben nicht mehr an Wasserfallprojekte. Es geht darum, schnell kleine Ergebnisse zu liefern – und iterativ weiterzuentwickeln.“

CIOs werden zu Möglichmachern

Vor diesem Hintergrund verändert sich auch das Rollenverständnis in den IT-Abteilungen grundlegend – allen voran das des Chief Information Officers. Der CIO, so Deiner, ist längst nicht mehr nur interner Dienstleister, der Systeme am Laufen hält und IT-Kosten senkt. Er wird zum strategischen Partner der Geschäftsführung, zum Impulsgeber und Brückenbauer zwischen Technologie und Unternehmenszielen. „Der CIO wird der Enabler fürs Business“, sagt Deiner. „Er hilft, Technologie so einzusetzen, dass sie unmittelbar zur Zielerreichung beiträgt – sei es Effizienz, Wachstum oder Resilienz.“ Das gilt auch im Kampf um Talente. Wer heute junge Fachkräfte gewinnen wolle, müsse ein KI-gestütztes Arbeitsumfeld bieten – genau wie es diese Zielgruppe aus Studium und Alltag gewohnt sei. Deiner: „Früher war es das iPhone, heute ist es die KI.“

SAP entwickelt ein neues Selbstverständnis

SAP verändert sich – und mit dem Unternehmen auch seine Kunden. Die Plattformstrategie, die gezielte Einbettung von KI und der Fokus auf saubere, wartbare Systeme sind dabei mehr als technische Entscheidungen. Sie markieren einen Kulturwandel: weg vom monolithischen Softwarekonstrukt, hin zu einem agilen, datengetriebenen Ökosystem. Für Deiner ist das keine Zukunftsvision, sondern bereits tägliche Arbeit. Er ist überzeugt: „KI kann Unternehmen effizienter machen – aber nur, wenn sie tief im Prozess verankert ist und echten Mehrwert liefert. Dann wird sie zum Assistenten, nicht zum Showeffekt.“

Timo Deiner

Als Head of Innovation & Technology bei SAP bringt er Technik und Kreativität zusammen. Der Informatiker arbeitet daran, SAP als modernen Technologie-Vorreiter zu positionieren.