Führungskräfte sollten Ziele klar formulieren, ein breites Repertoire an Führungsstilen beherrschen, dabei aber einen klaren Blick für die Bedürfnisse ihres Teams entwickeln. Im Interview mit DUP UNTERNEHMER gibt Hilde Rosenboom, Program Director für Executive Education an der ESMT Berlin (European School of Management and Technology), weitere Tipps, wie Entscheiderinnen und Entscheider die Potenziale ihrer Teams vollends ausschöpfen können.
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Immer mehr Unternehmen setzen auf agile Strukturen und interdisziplinäre Teams. Wie sorgen Führungskräfte dafür, dass diese Teams sich nicht in Details verlieren, sondern auf ein übergeordnetes Ziel fokussieren?
Hilde Rosenboom: Der Schlüssel liegt im Ziel. Ein klares und regelmäßig kommuniziertes Ziel hilft dabei, dass alle an einem Strang ziehen und sich nicht in operativen Aufgaben verlieren. Gerade in agilen Teams ist es wichtig, dass das Ziel ständig reflektiert wird, dass jeder im Team es versteht und als seine eigene Aufgabe ansieht. Führungskräfte sollten ihre Mitarbeitenden sogar darum bitten, das Ziel in ihren eigenen Worten zu formulieren. Das führt oft zu aufschlussreichen Diskussionen und hilft dabei, das Team enger zusammenzubringen. Ich empfehle, bei der Zielsetzung den Fokus auf das Was und Warum zu legen, weniger auf das Wie.
Wie schaffen Führungskräfte eine Unternehmenskultur, in der individuelle Exzellenz in kollektive Stärke umgewandelt werden kann?
Rosenboom: Der Aufbau einer kollektiven Stärke beginnt mit der Förderung eines Wir-Gefühls. Führungskräfte können dies aktiv beeinflussen, indem sie eine klare kollektive Identität des Teams schaffen und diese immer wieder betonen. Das steigert das Vertrauen und die Eigenverantwortung innerhalb des Teams. In heterogenen Teams, die sich aus unterschiedlichen Experten zusammensetzen, spielt Führung eine entscheidende Rolle. Der Unterschied zwischen einem leistungsstarken und einem weniger erfolgreichen Team wird oft erst durch die Qualität der Führung sichtbar. Wichtig ist, das Team kontinuierlich weiterzuentwickeln und dabei nicht nur individuelle Leistungen zu betrachten, sondern auch darauf zu achten, dass die Kompetenzen im Team gut zusammenpassen. In unseren Programmen arbeiten wir unter anderem mit einem Portfolio-Ansatz, der unterschiedliche Dimensionen der Teamentwicklung berücksichtigt und die Stärken der Mitarbeitenden einbezieht. Führungskräfte sollten auch eine demütige Haltung einnehmen – sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst sein und ihre Mitarbeitenden für ihre Leistungen aktiv anerkennen. Studien zeigen, dass demutsvolle Führungskräfte Teams mit höherer Motivation und innovativerem Denken fördern.
Was können Führungskräfte tun, um eine angstfreie Umgebung zu schaffen, in der Mitarbeitende offen Fehler ansprechen und Ideen einbringen können?
Rosenboom: Zunächst empfehle ich, mit einer Umfrage zu starten, bei der Teammitglieder anonym ihre eigene Wahrnehmung der psychologischen Sicherheit bewerten. Dies gibt einen guten Überblick und hilft, den aktuellen Stand zu ermitteln. Oft wird psychologische Sicherheit unterschätzt, weil sie nicht sofort sichtbar ist. Führungskräfte müssen lernen, sie aktiv wahrzunehmen und anzusprechen. Es gibt jedoch auch subtile Anzeichen für ein Fehlen von psychologischer Sicherheit. Wenn Mitarbeitende wenige Ideen einbringen oder selten Kritik üben, ist das oft ein Indiz dafür, dass sich das Team nicht traut, Fehler oder unterschiedliche Ansichten zu äußern. Fehler sollten nicht bestraft, sondern als Lernchancen genutzt werden.
Wie gibt man als Führungskraft konstruktives Feedback, insbesondere wenn es um Fehler geht?
Rosenboom: Feedback zu Fehlern ist immer eine Herausforderung, aber auch eine Gelegenheit zur Weiterentwicklung. Wichtig ist, den Fehler in seiner Art zu differenzieren. Bei vermeidbaren Fehlern, die aufgrund fehlender Aufmerksamkeit entstanden sind, ist es wichtig, das Thema anzusprechen. Aber es muss nicht unbedingt in einer Form erfolgen, die den Mitarbeitenden entmutigt. Bei unvermeidbaren oder intelligenten Fehlern ist der Dialog leichter, wenn eine Atmosphäre der psychologischen Sicherheit herrscht. Hier geht es weniger darum, den Fehler zu bestrafen, sondern zu betonen, dass er Teil des Lernprozesses ist. Das klassische Sandwich-Feedback – also Lob, Kritik, Lob – ist oft nicht zielführend, da Mitarbeitende das als ein künstliches Einhüllen der Kritik wahrnehmen. Viel wichtiger ist es, den Blick auf die langfristige Entwicklung und den Lernprozess zu richten.
Wie können Führungskräfte die individuellen Stärken der Teammitglieder fördern, sodass diese ihr volles Potenzial entfalten können?
Rosenboom: Auch hier ist der Schlüssel die individuelle Förderung innerhalb des Teamkontexts. Es geht nicht nur darum, fachliche Stärken zu erkennen, sondern auch soziale Kompetenzen wie Entscheidungsfindung, Problemlösung und Kommunikation zu fördern. Führungskräfte sollten ihren Mitarbeitenden die Gelegenheit geben, ihre Interessen zu äußern und sich in Bereichen weiterzuentwickeln, die sie persönlich voranbringen.
Führung in hybriden Teams ist besonders anspruchsvoll. Wie kann sie erfolgreich sein?
Rosenboom: In hybriden Arbeitsmodellen ist es besonders wichtig, Aufgaben so zu gestalten, dass die Mitarbeitenden nicht isoliert arbeiten, sondern zusammenarbeiten müssen – und das trotz räumlicher Trennung. Die Selbstbestimmungstheorie, welche die Bedeutung von Autonomie, Kompetenz und sozialer Verbundenheit hervorhebt, kann dabei sehr gut helfen. Führungskräfte sollten die Strukturen deshalb so gestalten, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich autonom fühlen, gleichzeitig aber auch die Unterstützung und Interaktion haben, die sie benötigen, um ihre Aufgaben am Ende erfolgreich zu erfüllen. Für hybride Teams ist es deshalb entscheidend, regelmäßig und bewusst miteinander zu interagieren. Und zwar online wie auch im Office.