Director of AI Innovation? Die große Mehrheit denkt hierbei an einen Mann. Banale Assoziationen wie diese demonstrieren das Problem der Sichtbarkeit. Solange Erfolge von Frauen unsichtbar bleiben und ihre Beiträge nur begrenzt Eingang in das öffentliche Gespräch finden, wird „Director of AI Innovation“ immer männlich konnotiert bleiben. In der Folge ziehen Frauen eine Karriere im Tech-Bereich häufig gar nicht erst in Betracht - ein Teufelskreis.
Zwar studieren immer mehr Frauen ein MINT-Fach, doch sinkt dieser Anteil später im Beruf deutlich. Während erste Barrieren in frühen Jahren eine weniger große Rolle zu spielen scheinen, zeigt sich, dass der Arbeitsalltag in männlich geprägten Umfeldern noch immer von Vorurteilen belastet ist. Nicht zuletzt haben zwei von fünf Frauen im MINT-Bereich das Gefühl, dass Männer an ihrem Arbeitsplatz für fähiger gehalten werden. Das Problem? Mit jeder negativen Erfahrung sinkt das Selbstvertrauen und das Vorurteil wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung - auch wenn es selbst gar nicht erlebt wurde.
Für das Nutzerverhalten von KI zeigt sich ergänzend: Frauen nutzen KI im beruflichen Kontext nicht nur weniger häufig als Männer, sondern schätzen ihre Fähigkeiten auch deutlich geringer ein. Zusätzlich hegen sie seltener den Wunsch, den Umgang mit KI zu erlernen (49 % zu 62 %). Dieser eklatante Unterschied zwischen den Geschlechtern wurzelt in veralteten Strukturen, die sich selbst immer wieder bestätigen (siehe Teufelskreis) und dadurch bestehende Ungleichheiten künstlich zementieren. Strukturelle Veränderung ist hier nicht Aufgabe eines einzelnen Geschlechts, sondern der Gemeinschaft.
Die drei Denkfehler im System
Die Recognition Gap beschreibt das Phänomen, dass bestimmte Leistungen, Beiträge oder Probleme nicht oder unzureichend erkannt, gewürdigt oder benannt werden. Drei beispielhafte Denkfehler, die dazu führen, dass Erfolge von Frauen im Tech-Sektor tendenziell weniger Beachtung erfahren:
- Attributionsfehler
Frauen werden oft als weniger kompetent oder weniger durchsetzungsfähig wahrgenommen als ihre männlichen Kollegen. Wenn eine Frau also einen Erfolg erzielt, wird dieser oft externen Faktoren zugeschrieben (z. B. Glück, Timing oder Unterstützung durch andere) und damit als relativ zufällig bewertet, während der Erfolg von Männern eher als Resultat ihrer eigenen Fähigkeiten oder ihres Engagements wahrgenommen wird. - Gender Bias
Technische Bereiche sind klassischerweise männlich geprägt und bestätigen so das ohnehin bestehende Schema, welches Frauen eher soziale Qualitäten zuschreibt und Männern technische Kompetenz, Rationalität und Führungsstärke. Sichtbarkeit ist hier entscheidend. - Affinitäts-Bias
Männer in männlich geprägten Umfeldern haben Schwierigkeiten, sich mit weiblichen Kolleginnen zu identifizieren oder ihre Karrierewege nachzuvollziehen. Dadurch werden Mitarbeiterinnen seltener gefördert und ihre Erfolge und ihre Mitwirkung bleiben häufiger unsichtbar. Männer hingegen werden für Erfolge häufiger gewürdigt, da sie mit vielen Entscheidungsträgern ähnliche Eigenschaften und Erfahrungen teilen.
Wo wir am eigentlichen Problem ansetzen müssen
Sind auf den ersten Blick nur Frauen von den Strukturen benachteiligt, zeigt sich doch mit Auge auf die Datenlage und Blick in die KI-Zukunft, dass Innovationskraft aus Diversität schöpft. So erzielen Unternehmen mit diversen Teams bessere finanzielle Ergebnisse und entwickeln innovativere Lösungen. Denn wenn Frauen KI nur beobachten statt gestalten, schreibt die Tech-Industrie die Vorurteile von gestern in den Code von morgen. Selbstvertrauen ist die wichtigste Programmiersprache der Zukunft. Und dieses kann aktiv gefördert werden - durch Anerkennung auf Augenhöhe.
- Leistungen sichtbar machen: Erfolge aktiv benennen: „Das war Marias Idee“ – klingt simpel, wirkt aber.
- Diversität als Innovationskriterium: Wer hat Ideen eingebracht? Wer führt das Team? Sichtbarkeit messen.
- Tech-Kompetenz inklusiv vermitteln: Schulungen barrierefrei, gendersensibel und mit diversen Vorbildern gestalten.
- Expertinnen konsequent einbinden: Frauen als feste Stimmen in Medien, Panels & Innovationsdiskursen etablieren.
„Recognition” ist keine Einmalleistung, sondern bedarf einer Struktur, in der Erfolg auf Augenhöhe zuerkannt, Verantwortung im Vertrauen delegiert und unterschiedliche Perspektiven mit Selbstverständlichkeit eingebunden werden. Ist eine solche Kultur erst einmal etabliert, kann ein „Director of AI Innovation” plötzlich auch weiblich sein.

