Viertagewoche oder Rückkehr zur 42-Stunden-Woche? Die aktuelle Debatte über Arbeitszeit greift für Christian Conrad zu kurz. Denn Zeit sei längst nicht mehr der entscheidende Faktor für Produktivität – sondern Energie. Und die entsteht nur dort, wo Mitarbeitende sich emotional verbunden fühlen. Im Interview spricht Conrad über die häufigsten Führungsfehler, die dramatischen Folgen mangelnden Engagements und darüber, was es wirklich braucht, um produktive Teams zu führen.
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Warum ist für Sie nicht die Zeit, sondern das Engagement der entscheidende Hebel für Produktivität?
Christian Conrad: Ganz einfach: Energie ist wichtiger als Zeit. Wenn ich wenig Zeit, aber viel Energie habe, schaffe ich mehr, als wenn ich viel Zeit, aber keine Energie habe. Diese Energie kommt aus emotionaler Verbundenheit – mit der Aufgabe, dem Team oder dem Unternehmen. Sie ist der Schlüssel zu echter Produktivität.
Deshalb funktionieren Modelle wie die Viertagewoche. Wenn Mitarbeitende mit Fokus, Sinn und Motivation arbeiten, brauchen sie keine 40 Stunden, um leistungsstark zu sein. Entscheidend ist nicht die Arbeitszeit, sondern das Ergebnis. Wer auf Output statt Input achtet, erkennt schnell: Qualität schlägt Quantität. Die 80/20-Regel lässt sich auch auf Führung übertragen – die entscheidende Frage ist: Wie viel Wirkung erzielen wir mit welcher Art der Arbeit?
Laut Gallup fühlen sich nur 9 % der Beschäftigten emotional mit ihrem Arbeitgeber verbunden. Was läuft schief?
Conrad: Diese Zahl ist alarmierend und der Rückgang von 14 % auf 9 % innerhalb eines Jahres zeigt, wie dramatisch sich die Lage zuspitzt. Nur ein Bruchteil der Mitarbeitenden geht wirklich gerne zur Arbeit. Die Mehrheit macht Dienst nach Vorschrift, ein erheblicher Teil hat innerlich bereits gekündigt. Die Folgen: steigende Fluktuation, hohe Krankheitsraten, sinkende Produktivität.
Das Hauptproblem liegt in der Führung. Es mangelt an Wertschätzung und an Vertrauen. Führungskräfte handeln oft noch nach dem Motto: „Nicht geschimpft ist genug gelobt.“ Damit ignorieren sie zentrale psychologische Bedürfnisse. Gleichzeitig fehlt eine Strategie, wie Unternehmen ihre Top-Performer binden und entwickeln. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das fatal.
Was beobachten Sie in Ihrer Arbeit mit mittelständischen Unternehmen konkret?
Conrad: Ich sehe täglich, wie stark gute oder schlechte Führung den Unterschied macht. Dort, wo Mitarbeitende gehört werden, eigene Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen dürfen, steigt das Engagement spürbar. Das zeigt sich in geringerer Fluktuation, weniger Fehlzeiten – und in messbar höherer Produktivität.
Mit Ihrem Programm „Engagement Booster“ stärken Sie gezielt die emotionale Verbundenheit. Was sind die größten Denkfehler von Führungskräften in diesem Bereich?
Conrad: Der häufigste Irrtum ist, dass Motivation von außen erzeugt werden kann – etwa durch Geld oder Benefits. Das funktioniert kurzfristig, aber nicht nachhaltig. Viel wirksamer ist es, ein Umfeld zu schaffen, das Demotivatoren abbaut: unnötige Bürokratie, mangelnde Kommunikation, fehlendes Feedback. Wer motivieren will, muss zuerst zuhören und Hindernisse beseitigen.
Welche Impulse braucht es, damit Mitarbeitende nicht nur anwesend sind – sondern wirklich gestalten wollen?
Conrad: Ein produktives Umfeld entsteht dort, wo Mitarbeitende sich sicher fühlen, Wertschätzung erfahren und echte Entwicklungsmöglichkeiten sehen. Vertrauen und Selbstwirksamkeit sind zentrale Motivatoren. Wer weiß: „Meine Meinung zählt“, bringt sich ganz anders ein. Führungskräfte müssen diesen Rahmen bewusst gestalten – das geschieht nicht von allein.
Sie sprechen von einer „magnetischen Unternehmenskultur“. Was genau meinen Sie damit?
Conrad: Eine magnetische Unternehmenskultur zieht die passenden Talente an und sorgt dafür, dass sie bleiben. In solchen Unternehmen arbeiten Menschen mit Begeisterung zusammen, weil sie gemeinsame Werte teilen, sich gegenseitig respektieren und eine hohe Zielorientierung spüren. Solche Kulturen entstehen nicht durch Hochglanz-Broschüren, sondern durch echtes Verhalten im Alltag – vor allem durch Führungskräfte, die Vorbild sind. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis konsequenter, strategischer Kulturentwicklung.
Ihre Vision lautet: eine Million mehr lächelnde Menschen am Arbeitsplatz. Was braucht es, damit das Realität wird – gerade im Mittelstand?
Conrad: Zuerst braucht es Ehrlichkeit: Viele Unternehmen wissen gar nicht, wie es ihren Mitarbeitenden wirklich geht. Wer aber hohe Fluktuation und Krankheitsstände hat, sollte hinschauen – denn emotionale Bindung beeinflusst direkt die Produktivität.
Und ja, das hat einen klaren wirtschaftlichen Hebel: Wer als Mittelständler 6- oder 7-stellige Summen durch ungewollte Kündigungen oder schwache Motivation verliert, kann es sich nicht leisten, das Thema zu ignorieren. Führung entscheidet über Zufriedenheit, Leistung, Loyalität und letztlich den Unternehmenserfolg.


