DUP UNTERNEHMER-Magazin: Sie nennen sich „Rebel by Nature“. Was steckt dahinter?
Claudia Gersdorf: Für mich bedeutet Rebellion, an die Wurzel zu gehen – nicht laut, sondern klar. Radikal heißt im Lateinischen radix: Wurzel. Ich bin als Mensch geboren, der körperliche Grenzen kennt. Aber ich habe früh gelernt, dass Disziplin kein Korsett ist, sondern ein Katapult. Ich bin der lebende Beweis: Grenzen können Sprungbretter sein. Rebellion ist für mich der Mut, dort weiterzumachen, wo andere aufgeben.
Sie sprechen oft von innerer Haltung, Mut und Eigenverantwortung – was macht Menschen in Ihren Augen zu echten Gestalterinnen und Gestaltern?
Gersdorf: Das sind für mich Menschen, die sich nicht anpassen, sondern aufstehen. Die aus einem „Warum ich?“ ein „Wenn nicht ich, wer dann?!“ machen. Ich glaube, jeder von uns hat einen rebellischen Kern und den Willen, über sich hinauszuwachsen. Willensstärke ist dabei kein Talent, sie ist ein Muskel. Wer ihn trainiert, wird frei.
Ihr Thema sind „Positive Relations“. Was steckt dahinter?
Gersdorf: Positive Relations sind mehr als Kommunikation und Verbindung. Das Konzept beschreibt zum Beispiel, wie wir Beziehungen gestalten: zu uns selbst, zu anderen und zu Systemen. Wie wir Systeme aktiv (um)formen. Meine Formel lautet: (Haltung + Rebellion) x Relevanz = Wirkung. Haltung heißt: Jeder Mensch verdient Würde. Rebellion heißt: Wir haben die Verantwortung, den Status quo herauszufordern und gegen den Mainstream zu entscheiden. Und Relevanz heißt: Wir konzentrieren uns auf das, was wirklich zählt. Also Lösungen, die Vertrauen schaffen und Potenzial entfalten.
In Zeiten von Künstlicher Intelligenz und Disruption sprechen viele über Zukunftsfähigkeit. Sie sprechen über Menschlichkeit. Warum?
Gersdorf: Weil sie unser entscheidender Wettbewerbsvorteil ist. Auf dem BIG BANG KI FESTIVAL 2025 habe ich gesagt: Je intelligenter die Systeme werden, desto bewusster müssen wir trainieren, Mensch zu bleiben. Wir verwechseln oft Geschwindigkeit mit Fortschritt. Aber Zukunft entsteht dort, wo technologische Intelligenz auf menschliche Intelligenzen trifft. KI kann Daten verknüpfen, aber keine Beziehungen gestalten. Das ist unser Spielfeld: Empathie, Intuition, Willenskraft. Die Vielfalt unserer Intelligenzen ist die neue Ressource für Innovation.
Was bedeutet das für Unternehmen konkret?
Gersdorf: Unternehmen sind Trainingsfelder für Haltung. Wer Zukunft gestalten will, muss den Willen trainieren, nicht die Zustimmung. Wir brauchen weniger Regelhörigkeit und mehr Entscheidungsmut. Wenn Teams lernen, Unterschiedlichkeit als Ressource zu nutzen, also nicht nur Diversity zu managen, sondern sie wirklich zu leben, entsteht das, was ich den Diversitätsbonus nenne: höhere Kreativität, schnellere Problemlösung, mehr Identifikation. Das lässt sich nicht anordnen – das dürfen wir kultivieren.


