Zukunftsprojekt

Berlin bewirbt sich für die EXPO 2035 – ein Zukunftslabor für Deutschland

Eine Weltausstellung ist ein Versprechen. Für das Gastgeberland, für die Weltöffentlichkeit – und für jene, die frühzeitig in dieses Versprechen investieren wollen. Berlin will genau das: in die Bewerbung investieren und Gastgeberin der Expo 2035 werden. Mit einem Konzept, das ambitioniert ist, aber genau deshalb das Potenzial hat, Deutschland ins globale Rampenlicht zu rücken.

Foto von einer der Zukunftsvisionen zur Expo 2035 Berlin. Zu sehen sind die Expo-Satelliten, die in ganz Berlin verteilt werden sollen

21.08.2025

Henning Wehmeyer, Geschäftsführer der Expo 2035 Berlin GmbH, sagt: „Wir wollen mit Berlin nicht Gastgeber für eine Expo von gestern, sondern ein Zukunftslabor mitten in Europa sein.“ Der Chef der Berliner Bewerbung sitzt derzeit mit seinem Team an einem Konzept, das Antworten auf die drängendsten Fragen bis zur Mitte des aktuellen Jahrhunderts bereithält. Vor allem auf die zentrale Frage: Wie wollen wir 2050 leben – und was müssen wir heute schon dafür tun?

Global denken, lokal verankern

Ein Bild aus Berlin mit Ansicht auf den Fernsehturm
Weltstadt mit Vision: Das Bewerbungsteam derExpo 2035 Berlin GmbH stellte kürzlich seine Plänefür die Weltausstellung vor

Geschäftsführer Wehmeyer und sein Aufsichtsratsmitglied Dr. Hinrich Thölken – früher Energie- und Klimabotschafter im Auswärtigen Amt, heute Executive Vice President Sustainability Lead Northern and Central Europe bei Capgemini – wissen, dass eine Expo nur dann überzeugen kann, wenn sie mehr ist als ein Hoch­glanzprojekt für internationale Delegationen. Dieses Signal erhielten die beiden kürzlich auch in der französischen Hauptstadt. „Die Bewerbung Berlins wurde in Paris überraschend positiv aufgenommen“, berichtet Thölken über das Gespräch mit dem Bureau International des Expositions (BIE), das für die Expo-Vergabe verantwortlich ist. „Aber: Man erwartet dort keine Wohlfühlveranstaltung mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen auf Plakaten. Das BIE erwartet eine Idee, die trägt. Ein Konzept mit Substanz – und Haltung.“

Berlin will genau das bieten: kein Expo-Disneyland, sondern eine offene Ausstellung, welche die Bevölkerung in der Stadt und die Wirtschaft in Berlin, Brandenburg und Deutschland gleichermaßen mitnimmt. „Wir wollen die Berlinerinnen und Berliner aktivieren, durch alle sozialen Schichten hindurch“, betont Wehmeyer. Das oberste Ziel sei daher, mit der Expo eine lebenswerte Umgebung zu gestalten.

Die Investition in ein neues Narrativ

Es geht aber nicht nur um ein Imageprojekt für Berlin, sondern um ein Narrativ für ein wirtschaftlich starkes, innovationsgetriebenes Deutschland. „Wenn wir wollen, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv bleibt, brauchen wir solche Leuchtturmprojekte“, so Thölken. Er verweist in diesem Zusammenhang auf die über 600 Milliarden Euro für Investitionen in Deutschland, die Bundeskanzler Friedrich Merz auf einem Gipfel Ende Juli verkündete – und auf das Potenzial einer Expo, die das internationale Bild Deutschlands neu justieren könnte: offen, divers, innovativ. Der wirtschaftliche Hebel einer Weltausstellung ist ebenfalls groß: Laut Studien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) führen Weltausstellungen regelmäßig zu einem zweistelligen Milliardenimpuls für die Austragungsorte. In Mailand brachte die Expo 2015 einen wirtschaftlichen Effekt von rund 31 Milliarden Euro. Berlin will davon nicht nur einen Anteil, sondern das Momentum nutzen, um strukturelle Infrastrukturdefizite zu beseitigen – bereits integriert in die Planung.

Expo-Gelände als Zukunftscampus

Für ein mögliches Expo-Gelände will das Bewerbungskomitee in den kommenden Monaten mit dem Land Berlin mehrere Standortoptionen prüfen. „Wir suchen ein Gelände mit etwa 250 Hektar, das ist das ideale Maß“, sagt Wehmeyer. Die Vorstellung des Organisationsteams: Ein zentraler Ort für die Expo, in der Stadt gibt es ergänzend multizentrale „Antennen“. Am liebsten so viel Berlin wie möglich, aber immer mit klarem Kostenbewusstsein. Das BIE hatte betont: Eine rein dezentrale Expo, wie sie Berlin kurzzeitig erwogen hatte, sei bisher immer an explodierenden Kosten gescheitert. Deshalb suchen die Ini­tiatoren der Expo-Bewerbung nun den Mittelweg zwischen Effizienz und urbaner Einbindung.

Drei Männer ins Businesskleidung
Auf Stippvisite: Dr. Hinrich Thölken (l.) und Henning Wehmeyer (r.) trafen BIE-Generalsekretär Dimitri Kerkentzes in Paris

Das eigentliche Ziel der Bewerbung geht ohnehin über die Expo hinaus. „Wir denken die Nachnutzung von Beginn an mit“, betont Thölken. Als Vorbild sieht er zum Beispiel die Expo 2010 in Schanghai, deren Gelände heute als lebendiger Wissenschafts- und Innovationscampus dient. Wäre das Berliner Gelände ein mögliches Pendant? „Es wäre eine Chance – nicht nur für die Stadt, sondern für das ganze Land“, so Thölken.

Chance für Wirtschaft und Gesellschaft

Berlins Expo-Bewerbung wird maßgeblich zivilgesellschaftlich getragen. Doch ohne breite wirtschaftliche Unterstützung, gibt Wehmeyer zu, werde es nicht gehen. Die Bundesregierung und vor allem das Wirtschaftsministerium zeigten sich bei einem ersten Termin „offen und konstruktiv“. Eine offizielle Unterstützung durch Kanzler Merz ist aber auch zwingend notwendig für die offizielle Bewerbung.

Dass die Expo kein Selbstzweck ist, macht Wehmeyer immer wieder deutlich: „Wir zeigen nicht die Welt im Jahr 2035. Wir zeigen, wie die Welt 2050 aussehen könnte – und welchen Beitrag Berlin dazu leistet.“ Die Bewerbung der deutschen Hauptstadt für eine zweite Expo auf deutschem Boden werde deshalb von der Idee getragen, ein verbindendes Ereignis zu schaffen, das nicht nur mehr Touristen in die Stadt zieht, sondern für die Bevölkerung dringend benötigte Infrastruktur bringt.

Thölken macht abschließend seine Motivation deutlich, die Bewerbung aktiv zu unterstützen: „Wenn unser neues deutsches Motto ist ,Wir kriegen es eh nicht hin‘, dann können wir einpacken. Aber das ist nicht unser Anspruch. Es ist für die nachfolgenden Generationen unsere Pflicht, dass wir uns für so ein Großprojekt ins Zeug legen und zeigen, dass es gelingen kann.“

Henning Wehmeyer

ist Geschäftsführer der Expo 2035 Berlin GmbH, die die Bewerbung der Hauptstadt vorbereitet

Dr. Hinrich Thölken

ist Mitglied des Aufsichtsrats der Expo 2035 Berlin GmbH