Viele Mittelständer beschäftigen sich erst mit dem Unternehmensverkauf, wenn der Ausstieg kurz bevorsteht – und verschenken dabei bares Geld. Henning Kürbis, Partner bei Marktlink, weiß, worauf Käufer wirklich achten, warum Investitionen in Marke, Führung und eine starke zweite Führungsebene für einen Übergangsprozess entscheidend sind – und wie Unternehmer den Wert ihres Betriebs mit einer klaren Strategie deutlich steigern können.
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Viele Unternehmer befassen sich mit dem Thema Unternehmensverkauf erst, wenn sie konkret an den Ruhestand denken. Warum ist ein größerer Vorlauf wichtig?
Henning Kürbis: Weil ein Verkaufserlös keine feste Größe ist, sondern das Ergebnis unternehmerischer Vorbereitung. Wer seinen Unternehmenswert steigern will, muss sich rechtzeitig damit auseinandersetzen – idealerweise drei bis sieben Jahre vor dem angestrebten Exit. Die grundlegende Frage ist: Welche Summe benötige ich, um meinen Lebensstandard auch nach dem Verkauf zu sichern? Und: Viele Unternehmer überschätzen den tatsächlichen Wert ihres Unternehmens. Sobald sie merken, dass der erwartete Verkaufspreis diese Lücke nicht deckt, entsteht die Bereitschaft, aktiv an Verbesserungen zu arbeiten.
Welche Hebel stehen zur Verfügung, um den Unternehmenswert systematisch zu steigern?
Kürbis: Die Bandbreite ist groß, aber einige Faktoren sind besonders wirksam. Erstens: die Diversifizierung den Kundenportfolios. Abhängigkeiten von wenigen Kunden senken den Wert. Zweitens: ein erkennbares und belastbares Geschäftsmodell – etwa durch ein breiteres Leistungsspektrum oder ein hohes Maß an Wiederkehrgeschäft. Drittens: eine klar definierte Marke und eine professionelle Außendarstellung. Viertens: eine stabile, eigenverantwortlich agierende zweite Führungsebene. Und fünftens: betriebswirtschaftliche Effizienz – insbesondere bei Cash-Management, Forderungsmanagement und Finanzierung. Manche Maßnahmen lassen sich schnell umsetzen, andere brauchen mehr Zeit. Deshalb ist ein früher Einstieg in den Prozess so wichtig.
Wie wichtig sind aus Käufersicht Skalierbarkeit und digitale Reife?
Kürbis: Skalierbarkeit erlaubt Käufern eine bessere Einschätzung des Wachstumspotenzials und der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit. Unternehmen mit wiederkehrenden Umsätzen, beispielsweise durch Wartungsverträge oder langfristige Kundenbeziehungen, wirken stabiler und sind attraktiver. Ähnliches gilt für die Digitalisierung: Fehlen digitale Prozesse oder Systeme, wird der Aufwand für den Käufer höher – und das führt in der Regel zu Preisabschlägen. Gleichzeitig muss ein Verkäufer nicht alles auf einmal neu aufbauen. Schon überschaubare Investitionen, etwa in das Reporting, ein CRM oder die IT-Sicherheit, zeigenWirkung. Viele digitale Lösungen sind dank KI auch für kleine Unternehmen wirtschaftlich umsetzbar.
Welche Rolle spielen weiche Faktoren wie Unternehmenskultur, Personalstruktur oder Außenwirkung?
Kürbis: Eine größere, als man erwarten würde. Intern sorgt eine gute Unternehmenskultur für geringere Fluktuation und höhere Bindung. Das schlägt sich in einer geringeren Abhängigkeit vom Inhaber und damit positiv auf die Bewertung nieder. Extern erhöht ein professioneller Marktauftritt durch ein stimmiges Branding die Sichtbarkeit, macht potenzielle Käufer auf das Unternehmen aufmerksam und unterstreicht die Professionalität. Eine stabile Kultur und ein klarer Marktauftritt reduzieren die wahrgenommenen Risiken auf Käuferseite und schaffen Vertrauen. Diese Faktoren sind monetarisierbar.
Viele Unternehmer investieren in den Jahren vor dem Exit bewusst nicht mehr. Was entgegnen Sie?
Kürbis: Diese Zurückhaltung ist nachvollziehbar, betriebswirtschaftlich aber kontraproduktiv. Ein Käufer erkennt schnell, ob Investitionen unterblieben sind – und kalkuliert deren Kosten in den Kaufpreis ein. Deshalb ist es meist deutlich günstiger, gezielt selbst in Verbesserungen zu investieren, als später Preisabschläge hinzunehmen. Ich vergleiche das gern mit einem Auto: Ein kleiner Kratzer, den ich selbst für 50 Euro ausbessere, kostet den Käufer vermeintlich 2.500 Euro – und reduziert den Verkaufspreis entsprechend.
Warum ist die zweite Führungsebene aus Investorensicht so relevant?
Kürbis: Weil sie für Kontinuität steht – gerade wenn der Eigentümer mittelfristig ausscheidet. Jeder Käufer, ob Finanzinvestor oder strategischer Erwerber, achtet auf die operative Stabilität des Unternehmens. Wenn keine tragfähige zweite Führungsebene vorhanden ist, führt das unmittelbar zu ei- nem Abschlag oder sogar zum Abbruch des Prozesses. Banken beziehen diesen Aspekt längst in ihre Ratings ein
Welche Denkfehler bei der Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs begegnen Ihnen am häufigsten?
Kürbis: Erstens: die subjektive Fehleinschätzung des Unternehmenswerts. Viele Unternehmer gehen mit unrealistischen Preisvorstellungen in den Markt. Zweitens: ein zu später Einstieg in die Nachfolgeplanung. Wer nur ein oder zwei Jahre Vorlauf hat, kann zentrale Stellschrauben nicht mehr justieren. Und drittens: ein fehlender Realitätsabgleich. Viele Inhaber sind jahrzehntelang operativ im Unternehmen aktiv gewesen und haben den Blick von außen verloren. Deshalb helfen externe Analysen oder eine Marktsondierung dabei, blinde Flecken zu erkennen und zu bearbeiten.
Was empfehlen Sie Unternehmern, die heute ihren Exit in drei bis sieben Jahren planen?
Kürbis: Starten Sie mit einer fundierten Analyse: Wo steht Ihr Unternehmen heute? Welche Faktoren wirken wertsteigernd? Welche Risiken sehen Käufer – und wie lassen sich diese reduzieren? Holen Sie sich frühzeitig externe Einschätzungen, etwa über eine neutrale Unternehmensbewertung oder eine Marktsondierung. Und beginnen Sie sofort damit, gezielt an den Stellschrauben zu drehen, die für Käufer relevant sind. Wer vorausschauend investiert, kann in ein paar Jahren zu besseren Konditionen verkaufen und mit einem stärkeren Gefühl der Kontrolle in den nächsten Lebensabschnitt gehen.


