Die Unsicherheiten für Unternehmen sind aktuell groß, die Zeiten aufgrund hoher Zinsen, Inflation und geopolitischer Konflikte herausfordernd. Doch während große Transaktionen stocken, bleibt der deutsche Mittelstand im Umbruch – und das bewegt auch den Markt für Unternehmensverkäufe. Jens Krane, Leiter des Bereichs M&A bei der Commerzbank, beobachtet, wie sich Eigentum und Führung vieler Firmen verändern. Und er sagt, warum jetzt der richtige Zeitpunkt für die Planung ist.
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Wie beurteilen Sie aktuell den Markt für Unternehmensübernahmen im deutschen Mittelstand?
Jens Krane: Transaktionen im kleinen und mittelständischen Bereich zeigen sich vergleichsweise stabil. Bei Großdeals sehen wir derzeit deutlich weniger Bewegung. Das liegt daran, dass Verkaufsentscheidungen im Mittelstand meist nicht aus Marktgründen getroffen werden, sondern aus persönlichen oder strategischen Motiven – etwa wegen fehlender Nachfolge oder gesundheitlicher Einschränkungen. Zinsen und Inflation spielen in dieser Größenordnung eine eher untergeordnete Rolle. Was allerdings deutlich spürbar ist, sind geopolitische Unsicherheiten. Die erschweren Planbarkeit, sowohl für die Käufer- wie für die Verkäuferseite.
Immer mehr Unternehmer stehen in den kommenden Jahren aufgrund des demografischen Wandels altersbedingt vor der Nachfolgefrage. Wie gut ist der Mittelstand darauf vorbereitet?
Krane: Leider oft nicht gut genug. In den USA ist der Exit – ob Börsengang oder Unternehmensverkauf – ein unternehmerisches Ziel. In Deutschland dagegen wird der Verkauf häufig als letzte Option gesehen, nicht als strategische Entscheidung. Man hofft meist auf die Kinder und schiebt das Thema lieber auf. Das führt dazu, dass viele Nachfolgesituationen unter Zeitdruck entstehen – aus Altersgründen, Krankheit oder schlicht wegen fehlender Alternativen.
Dabei wäre die demografische Entwicklung seit Jahren absehbar. Warum wird trotzdem so wenig geplant?
Krane: Verdrängung spielt eine große Rolle. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer wollen sich nicht eingestehen, dass sie die operative Verantwortung abgeben sollten. Das ist menschlich, aber betriebswirtschaftlich riskant. Dabei ließe sich mit einem professionellen Prozess vieles besser gestalten.
Wie hat sich das Kräfteverhältnis zwischen Käufern und Verkäufern entwickelt?
Krane: Seit 2022 hat sich der Markt klar zugunsten der Käufer verschoben. Zumindest dann, wenn kein Alleinstellungsmerkmal wie eine Technologielösung oder eine starke Marke vorliegt. Strategische Käufer dominieren aktuell das Geschehen, weil viele von ihnen durch Zukäufe auf Marktveränderungen reagieren: Konsolidierung, vertikale Integration, technologische Ergänzungen. Finanzinvestoren sind da zurückhaltender, aber weiterhin aktiv.
Wie sieht es mit der Finanzierung aus – ist sie ein limitierender Faktor bei Übernahmen?
Krane: Nein. Wir sehen aktuell kaum Transaktionen, die an der Finanzierung scheitern. Banken spielen weiterhin eine zentrale Rolle, insbesondere für strategische Käufer und Einzelpersonen, die kleinere Firmen übernehmen wollen. Im Private-Equity-Umfeld stehen oft auch Fonds als Finanzierungsquelle bereit. Insgesamt ist die Liquidität im Markt ausreichend.
Trotzdem gehen die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern oft auseinander. Beobachten Sie da zunehmende Spannungen?
Krane: Eigentlich nicht. Unsere Erfahrung zeigt: Wenn sich ein Unternehmer zur Nachfolge entschlossen hat, dann will er die Transaktion auch umsetzen. Die Preisvorstellungen haben sich dann meist dem Markt angepasst. Wichtig ist, dass wir in der frühen Phase eines Mandats sehr klar und transparent kommunizieren, was realistisch ist. Damit vermeiden wir Enttäuschungen und schaffen Vertrauen. Die Expertise, die man durch die Mandatierung einer Investmentbank bekommt, zahlt sich unter anderem beim sensiblen Thema einer marktgerechten Preisermittlung aus.
Welche Branchen sind derzeit besonders aktiv?
Krane: Überdurchschnittliche Aktivität sehen wir in der Industrie und im produzierenden Gewerbe, weil das die Wirtschaftsstruktur in Deutschland widerspiegelt. Auffällig ist: Je stärker eine Branche von Transformation betroffen ist, desto mehr M&A-Aktivität gibt es. Käufer suchen nach Wachstum, Verkäufer nach Lösungen in schwieriger werdenden Märkten.
Wie wird sich das Thema Unternehmensnachfolge in den nächsten fünf Jahren entwickeln?
Krane: Es wird eine massive Nachfolgewelle geben – das ist unbestritten. Aber wie diese aussieht, hängt vom Einzelfall ab. Inhabergeführte Übergabe, Verkauf an Mitarbeitende, Stiftungslösungen, externe Manager – alles ist denkbar. Klar ist: Die Bereitschaft der jüngeren Generation, die unternehmerische Verantwortung zu übernehmen, ist deutlich geringer als früher. Viele wollen sich die Belastung nicht mehr antun. Und manche Alt-Inhaber warnen ihre Kinder davor sogar.
Ein ernüchternder Ausblick. Sehen Sie auch positive Entwicklungen?
Krane: Auf jeden Fall. Es gibt viele mittelständische Unternehmen, die die aktuellen Herausforderungen als Chance begreifen und sich gezielt durch Zukäufe stärken. Das sichert nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland.


