Sie bauen Panzer, Drohnen oder Geschütze. Galt das Investment in Rüstungsaktien für viele Anlegende lange als ein No-go, hat sich dies seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine gewandelt. Das zeigt ein Blick auf den Aktienindex MSCI Europe/Aero & Defense, der die Entwicklung der Branchentitel widerspiegelt. Der wies zuletzt auf Dreijahressicht ein Plus von immerhin rund 230 Prozent auf.
Hohe Summen werden für die Branche bereitgestellt
So manche Anlegende, die den Einstieg bisher scheuten, fragen sich nun, ob sich ein Einstieg in Rüstungsaktien jetzt noch lohnen könnte, und viele zweifeln. Doch es gibt gute Argumente für ein weiteres Plus bei Titeln wie Rheinmetall, Renk, Hensoldt & Co. „Aus unserer Sicht spricht aber alles für einen strukturellen, nachhaltigen Wachstumsmarkt, der durch den Nato-Beschluss, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung fließen zu lassen, jüngst noch einmal unterstrichen wurde. Dieser Beschluss wird dazu führen, dass sich die Nato-Verteidigungsausgaben in den nächsten zehn Jahren mehr als verdoppeln werden,“ sagt Michel Hoffmann, Portfoliomanager des im Juli aufgelegten „European Defence Equity Fund“ vom Bankhaus M.M. Warburg & Co (siehe Interview unten). Der Fonds der Hamburger investiert in Rüstungsaktien, aber auch in Werte von Zulieferern und Unternehmen im Bereich Logistik.
Anlegende haben die Qual der Wahl
Der Fonds der Hamburger reiht sich in ein breites Angebot solcher Investmentvehikel ein. Es gibt Fonds wie den „LBBW Sicher Leben“ aus dem Haus LBBW Asset Management, dessen Volumen Ende Juli die 100-Millionen-Euro-Marke geknackt hat. Wer Zertifikate vorzieht, kann beispielsweise auf den „European Defence Index-Tracker“ von Morgan Stanley zugreifen, geht damit allerdings auch ein Emittentenrisiko ein. Auch Fans von Exchange Traded Funds (ETFs) werden fündig, beispielsweise beim „iShares Europe Defence“ vom US-Anbieter Blackrock. M.M. Warburg trommelt wenig überraschend für aktiv gemanagte Portfolios wie seinen „European Denfece Equity Fund“: „ETFs kaufen blind, wir wählen gezielt die Gewinner von morgen. Während ETFs Indizes mit teilweise großen Konzentrationsrisiken nachbilden – die größten fünf Titel machen oft 60 Prozent der Gewichtung aus –, setzen wir auf aktive Auswahl, ein größeres Aktienuniversum und eine innovative Gewichtungsmethodik,“ bekundet das Bankhaus.
Diskussionen um ethische Ansprüche
Anlegende müssen abwägen, mit welcher Produktart sie sich besser fühlen. Genauso ist es Ansichtssache, ob die Geldanlage in Rüstungstitel ethisch vertretbar ist, oder nicht. Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) teilte kürzlich dazu mit: „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat zuletzt eine Debatte entfacht, ob Rüstungsinvestitionen mit Nachhaltigkeit kompatibel sind. Die Erhebung des diesjährigen FNG-Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen zeigt hierzu ein eindeutiges Bild aus der Branche: 72 Prozent der erfassten nachhaltigen Geldanlagen in Deutschland schlossen sämtliche Rüstungsgüter in ihren Investitionen aus.“ M.M. Warburg-Mann Hoffmann bezieht Stellung: „Ein Rüstungsfonds ist unseres Erachtens kein originärer Nachhaltigkeitsfonds. Der ‚European Defence Equity Fund‘ befolgt allerdings unsere strengen ESG-Investment-Mindeststandards. Dadurch schließen wir Investitionen in Unternehmen aus, die unter anderem mit international geächteten Waffen in Verbindung stehen ...“ (siehe Interview). Eine Perspektive: Womöglich können sich Investierende mit den Branchentiteln ein finanzielles Polster für eventuell schwierigere Zeiten aufbauen.
„Attraktives Renditepotenzial“
Michel Hoffmann, Fondsmanager bei M.M. Warburg, über den von ihm geführten Fonds für europäische Rüstungs- und Infrastrukturaktien sowie die Perspektiven der Branche.
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Was hat M.M. Warburg & CO bewogen, jetzt einen Fonds mit Infrastruktur- und Rüstungsaktien aufzulegen?
Michel Hoffmann: Die Kriege in Europa und Nahost haben die globale Sicherheitslage fundamental verändert. Gleichzeitig verschieben sich traditionelle Allianzen: Wir befinden uns mitten in einer geopolitischen Zeitenwende. Europa kann sich nicht länger allein auf den Schutzschirm der USA verlassen und muss daher eine eigene militärische Autonomie entwickeln. All dies macht Investitionen in die Verteidigung Europas zu einer gesellschaftlichen Notwendigkeit. Mit dem „European Defence Equity Fund ermöglichen wir privaten und institutionellen Anlegenden, von der notwendigen Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit und damit von einem strukturellen Wachstumsmarkt zu profitieren – unabhängig davon, ob sie Warburg-Kunde sind oder nicht.
Sind Aktien aus diesen Branchen nicht seit vergangenem Jahr sehr gut gelaufen, sehen Sie dennoch weiteres Potenzial?
Hoffmann: Natürlich können wir keine Aussagen zur zukünftigen Performance machen. Aus unserer Sicht spricht aber alles für einen strukturellen, nachhaltigen Wachstumsmarkt, der durch den Nato-Beschluss, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung fließen zu lassen, jüngst noch einmal unterstrichen wurde. Dieser Beschluss wird dazu führen, dass sich die Nato-Verteidigungsausgaben in den nächsten zehn Jahren mehr als verdoppeln werden. Deutschland hat eine fundamentale Kehrtwende in seiner Haushaltspolitik vollzogen und eine weitreichende Reform der Schuldenbremse beschlossen, die Verteidigungsausgaben oberhalb von einem Prozent des BIP von der verfassungsrechtlichen Schuldenregel ausnimmt. Parallel zu den nationalen Anstrengungen hat die Europäische Kommission das „Readiness 2030“-Programm vorgestellt, das darauf abzielt, bis zu 800 Milliarden Euro für die europäische Verteidigung zu mobilisieren. Diese Entwicklungen spiegeln sich derzeit noch nicht vollumfänglich wider, weder in der aktuellen Auftragslage der Unternehmen, noch in den Gewinnprognosen der Analysten.
Was würde es für die Branchen bedeuten, wenn es zu einem baldigen Friedenschluss im Krieg von Russland gegen die Ukraine käme?
Hoffmann: Wir sehen bei Aktien aus diesem Bereich ein langfristig attraktives Renditepotenzial. Der Aufholprozess nach jahrzehntelanger Unterinvestition wird anhalten, auch bei einem hoffentlich baldigen Friedensschluss. Die zu erwartenden staatlichen Aufträge sind von einer Veränderung der geopolitischen Lage sowie von der Konjunktur relativ unabhängig. Das macht Cashflow- und Ertragsprognosen zuverlässiger als bei anderen Unternehmen, die aus zyklischen Sektoren stammen. Zudem sind positive wirtschaftliche Effekte aufgrund des technologischen Fortschritts dank Dual-Use zu erwarten.
Fließen die, etwa von der Bundesregierung und der EU, für Verteidigung bereitgestellten Mittel nicht zunächst vor allem in Investitionen? Erwarten Sie trotzdem kurz- bis mittelfristige Gewinnsteigerungen der Unternehmen?
Hoffmann: Unser Fonds verfolgt bewusst einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont, da wir davon ausgehen, dass sich diese Investitionen über mehrere Jahre entwickeln und erst dann ihre volle wirtschaftliche Wirkung entfalten. Dennoch sehen wir keinen Widerspruch zu kurzfristigen Kurssteigerungen der Unternehmen. Der Kapitalmarkt funktioniert ja nach dem Prinzip der Antizipation: Aktien werden nicht nur aufgrund aktueller Gewinne bewertet, sondern vor allem aufgrund zukünftig erwarteter Erträge. Wenn Investoren erkennen, dass ein Unternehmen von den angekündigten Verteidigungsausgaben profitieren wird – sei es durch Aufträge, Partnerschaften oder strategische Positionierung –, spiegelt sich diese Erwartung bereits heute im Aktienkurs wider. Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen und die damit verbundene Neuausrichtung der Verteidigungspolitik schaffen schon jetzt Planungssicherheit und Auftragsperspektiven für die Unternehmen. Diese verbesserten Geschäftsaussichten können durchaus zu kurzfristigen Kurssteigerungen führen, auch wenn die tatsächlichen Umsätze und Gewinne erst in den kommenden Jahren realisiert werden.
Werden bei der Zusammenstellung des Portfolios bestimmte Bereiche respektive Unternehmen übergewichtet, und wenn ja, welche?
Hoffmann: Im Unterschied zu vielen Wettbewerbsprodukten steht dem „European Defence Equity Fund“ ein deutlich größeres Anlageuniversum zur Verfügung, welches neben reinen Rüstungswerten auch Zulieferer sowie Logistikunternehmen und Infrastrukturtitel umfasst. So ist ein Portfolio aus aktuell 40 bis 50 fast ausschließlich europäischen Aktien entstanden. Durch den innovativen Gewichtungsansatz, der sich nicht allein an der Marktkapitalisierung des jeweiligen Unternehmens orientiert, sind die Top-10-Positionen des Fonds aktuell alle kleiner als fünf Prozent.
Werden regionale Aspekte berücksichtigt?
Hoffmann: Ja, regionale Aspekte spielen eine zentrale Rolle in unserer Anlagestrategie. Wir investieren überwiegend in Unternehmen der europäischen Verteidigungsindustrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Aktuell machen Titel aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich mehr als die Hälfte des Portfolios aus. US-amerikanische Unternehmen schließen wir grundsätzlich aus, da ein wesentlicher Baustein unseres Investmentcases die angestrebte militärische Autonomie Europas gegenüber den USA ist. Diese regionale Fokussierung ist nicht nur eine strategische Entscheidung, sondern spiegelt auch unsere Überzeugung wider, dass Europa seine Verteidigungsfähigkeiten eigenständig entwickeln und dabei von lokalen Innovationen und Kompetenzen profitieren wird. Dadurch positionieren wir uns optimal für den langfristigen Trend der europäischen Verteidigungskonsolidierung.
Die größten Rüstungskonzerne haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten. Macht es Sinn, sich auf europäische Titel zu konzentrieren?
Hoffmann: In der Tat haben die größten Rüstungskonzerne traditionell ihren Sitz in den USA. Dennoch macht es aus strategischen Gründen durchaus Sinn, sich auf europäische Titel zu konzentrieren. Europa verfolgt mit seiner Verteidigungsstrategie das klare Ziel einer strategischen Autonomie und möchte weniger abhängig von amerikanischen Rüstungsimporten werden. Die geopolitischen Spannungen und die Erfahrungen aus dem Ukraine-Konflikt haben diesen Trend verstärkt. Mit dem Europäischen Verteidigungsfonds und PESCO, dem Rahmenwerk europäischer Staaten zur Verteidigungszusammenarbeit, stehen erhebliche EU-Mittel für die Entwicklung europäischer Verteidigungsfähigkeiten bereit, was europäische Unternehmen bei der Auftragsvergabe strukturell begünstigt. Wir erleben zudem eine Fragmentierung der Weltwirtschaft, die regionale Champions gegenüber globalen Playern bevorzugt. Europäische Regierungen unterstützen zunehmend heimische Anbieter aus Gründen der Versorgungssicherheit und strategischen Unabhängigkeit.
Setzen Sie bei der Fondsauswahl nur auf Aktien lang etablierter Unternehmen oder auch die vergleichsweise jüngerer Firmen wie beispielsweise des Satellitenspezialisten OHB?
Hoffmann: OHB befindet sich definitiv auf unserem Radar und gehört zu dem Universum an Unternehmen, das wir täglich für unser Portfolio beobachten. Gerade diese innovativen Newcomer verfolgen wir mit großer Begeisterung, da wir von ihnen eine besonders dynamische Entwicklung erwarten. Der Verteidigungssektor wird künftig von vielen weiteren kleinen und agilen Unternehmen geprägt werden, die mit frischen Technologien und Ansätzen den Markt bereichern. Allerdings haben kleinere Unternehmen einen entscheidenden Nachteil: ihre oft begrenzte Liquidität am Markt. Wir legen sehr strenge Maßstäbe an die Handelbarkeit der von uns investierten Titel an, da dies ein wesentlicher Baustein des Anlegerschutzes ist. OHB erfüllt derzeit noch nicht unsere Mindestanforderungen in diesem Bereich. Wir sind jedoch zuversichtlich, dass sich dies mit dem weiteren Wachstum des Unternehmens und zunehmendem Marktinteresse ändern wird. Sobald die Liquiditätskriterien erfüllt sind, könnten solche innovativen Unternehmen durchaus interessante Portfoliobestandteile werden.
Es ist eine Diskussion entbrannt, ob Rüstungsaktien als nachhaltig respektive ethisch korrekt bezeichnet werden können. Wie stehen Sie zu dieser Thematik?
Hoffmann: Ein Rüstungsfonds ist unseres Erachtens kein originärer Nachhaltigkeitsfonds. Der „European Defence Equity Fund“ befolgt allerdings unsere strengen ESG-Investment-Mindeststandards. Dadurch schließen wir Investitionen in Unternehmen aus, die unter anderem mit international geächteten Waffen in Verbindung stehen, darunter Antipersonenminen – Ottawa-Konvention –, Streumunition – Oslo-Konvention – sowie B- und C-Waffen gemäß den UN-Konventionen – UN BWC und UN CWC. Das ESG Investment Gremium, bestehend aus ESG-Experten der Warburg Gruppe und monatlich tagend, überprüft diese Ausschlüsse, evaluiert relevante Sachverhalte, initiiert bei Bedarf direkte Unternehmensdialoge und stellt eine systemseitige Implementierung sicher. Das aktive Portfoliomanagement untersucht im Rahmen seiner Unternehmensanalysen weitere potenziell kontroverse Aspekte, einschließlich der Lieferkette.
Warum wird der Fonds bei Hansainvest und nicht bei Warburg Invest geführt?
Hoffmann: Der „European Defence Equity Fund“ ist unser erstes Produkt, das wir gemeinsam mit der Hansainvest aufgelegt haben. Wir haben uns für unseren ersten Fonds, der breit vertrieben werden soll, bewusst für einen Partner entschieden, der umfassende Erfahrung im Retailmarkt hat.

