Wie reagieren Unternehmen auf steigende Fehlzeiten? Die Techniker (TK) wollte es genauer wissen und hat im Rahmen ihrer #whatsnext-Studie Führungskräfte und Personalverantwortliche in Unternehmen befragt. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Befragten sprechen sich klar gegen eine Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aus. Stattdessen setzen sie auf bessere Arbeitsbedingungen und eine vertrauensvolle Unternehmenskultur.

Ob Karenztage – also ein zeitweiser Wegfall der Lohnfortzahlung bei Krankmeldung – eingeführt werden können, ist keine Entscheidung, die die Betriebe treffen. Dafür müsste der Gesetzgeber erst den Rahmen schaffen. Doch die politische Debatte um eine mögliche Reform hat bereits Auswirkungen auf die Betriebe: Immer mehr Unternehmen positionieren sich klar und setzen auf Vertrauen, Gesundheitsförderung und eine zeitgemäße Führungskultur.
Rückenwind zur Debatte kommt aus der Politik. Das NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) betont die Verantwortung der Arbeitgeber für den Gesundheitsschutz im Betrieb: „Die betrieblichen Akteure wissen, welche Maßnahmen sinnvoll sind, um Beschäftigte zu schützen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.“ Damit unterstützt das Ministerium den in der TK-Studie formulierten Ansatz einer gesundheitsfördernden Unternehmenskultur.
Wirtschaftliche Debatte um Karenztage
Angestoßen wurde die Diskussion um Karenztage durch wirtschaftswissenschaftliche Stimmen: Das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung – verwies in Analysen bereits 2024 auf einen Zusammenhang zwischen Lohnfortzahlung und einer Zunahme kurzfristiger Fehlzeiten. Auch der Kronberger Kreis, der wissenschaftliche Beirat der Stiftung Marktwirtschaft, nannte Karenztage „einen möglichen Hebel für mehr Effizienz im System“. FDP-Politiker Carl-Julius Cronenberg griff die Impulse Anfang 2025 auf und schlug bis zu drei Karenztage vor.
Kritik von Politik und Praxis
Die Vorschläge stießen auf Widerspruch: NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann warnte in einer Landtagsdebatte vor einem Rückfall in alte Muster. Aus seiner Zeit im Bundestag erinnert er sich: „Die IG Metall hat mit Zustimmung der Arbeitgeber die Karenztage per Tarifvertrag für ihre Branchen kassiert. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung möchte ich nicht noch mal an dieser Stellschraube drehen.“

Auch HR-Expertin Magdalena Rogl äußerte sich kritisch zur Debatte. Sie betont mit Blick auf die TK-Studie: „Fehlzeiten sind ein komplexes Thema – nicht allein eine Frage der Lohnfortzahlung. Zwei Drittel der Befragten lehnen eine Kürzung ab – und das ist gut so.“ Rogl fordert einen kulturellen Wandel im Umgang mit Fehlzeiten: „Vertrauen ist der Schlüssel. Wer seinen Mitarbeitenden misstraut, hat im Recruiting schon etwas falsch gemacht.“ Beide beziehen sich damit auf die öffentliche Debatte und die aktuellen TK-Zahlen.
Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK: „Gesunde und zufriedene Mitarbeitende sind der Grundpfeiler für ein erfolgreiches Unternehmen. Maßnahmen wie Reduktion von Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall sind da eher kontraproduktiv. So würden Krankheiten eher verschleppt und Mitarbeitende noch länger ausfallen.“ Auch Gewerkschaften und Sozialverbände warnen vor Schieflagen, wenn Beschäftigte aus Kostengründen nicht zum Arzt gehen.
Gesundheitsbewusstsein beginnt bei der Führung
Führungskräfte prägen das Gesundheitsverhalten ihrer Teams. Wenn Vorgesetzte krank arbeiten oder ständig Überstunden machen, verunsichert das Mitarbeitende. Laut TK-Studie erwarten Beschäftigte ein empathisches Führungsverhalten, das gesundheitliche Bedürfnisse ernst nimmt. Wer mit gutem Beispiel vorangeht, fördert eine gesunde Arbeitskultur. Das stärkt langfristig nicht nur die Resilienz des Teams, sondern auch die Bindung an das jeweilige Unternehmen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein entscheidender Vorteil im Wettbewerb um Talente. Wer zeigt, dass ihm das Wohl der Beschäftigten wichtig ist, gewinnt Vertrauen – intern wie extern.



