DUP UNTERNEHMER-Magazin: Sie haben mal gesagt, Sie würden am liebsten einen Crêpes-Stand eröffnen. Was fasziniert Sie an der Selbstständigkeit?
Christian Dürr: In meiner Familie wurde Selbstständigkeit gelebt. Meine Großmutter führte ein kleines Lederwarengeschäft, mein Vater war Geschäftsführer im Einzelhandel. Am Esstisch ging es bei uns um Umsatzzahlen – und ich habe früh verstanden, dass wirtschaftlicher Erfolg über konkrete Lebensentscheidungen bestimmt. Wer unternehmerisch arbeitet, trägt Verantwortung, aber auch Freiheit in sich. Diese Haltung prägt mich bis heute – und ist der Grund, warum ich Politik mache.
Und Sie lieben Crêpes?
Dürr: Genau – ich hasse es aber, anzustehen. Meine Idee: Mit Künstlicher Intelligenz zu prognostizieren, wie viele Crêpes bei einer Veranstaltung nachgefragt werden. Man könnte effizient vorproduzieren und Wartezeiten vermeiden. Das ist kein Gag, sondern zeigt: Technologie kann Alltagsprobleme lösen. So stelle ich mir auch Politik vor – lösungsorientiert, pragmatisch, zukunftsgewandt.
Gilt das auch für Sie als FDP-Chef? Ihre Partei erlebt nach dem verpassten Bundestagseinzug einen gewaltigen Umbruch. Was genau muss sich ändern?
Dürr: Wir stehen an einem Wendepunkt. Die FDP muss raus aus dem Reflex, sich über andere Parteien oder Koalitionspartner zu definieren – und rein in eine klare wirtschaftspolitische Programmatik. Ich habe der Partei vorgeschlagen, ein völlig neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten: kein theoretisches Manifest, sondern konkrete Vorschläge für die zentralen Zukunftsfragen dieses Landes. Rente, Migration, Bildung, Kapitalmarkt, Digitalisierung: Da muss unsere Handschrift wieder sichtbar werden.
Inwieweit grenzen Sie sich dafür vom Kurs Ihres Vorgängers Christian Lindner ab?
Dürr: Christian Lindner hat viel bewirkt. Aber ich will, dass wir uns breiter und konkreter aufstellen. Mehr Reformmut, weniger Taktik. Die FDP muss erkennbar anders sein als die SPD, die Grünen oder die Union – inhaltlich, nicht nur im Ton.
Was bedeutet wirtschaftliche Freiheit zum Beispiel für eine Unternehmerin, die mit steigenden Energiekosten, Bürokratiewahnsinn und Fachkräftemangel kämpft?
Dürr: Genau, das sind die Realitäten. Die Lohnnebenkosten steigen, der Faktor Arbeit wird teurer, der Einzelne hat weniger Netto vom Brutto. Freiheit bedeutet für mich in dieser Lage weniger staatliche Regulierung und mehr Raum für unternehmerisches Handeln.
Sie fordern eine Beweislastumkehr in der Bürokratie. Wie soll das funktionieren?
Dürr: Ganz einfach: Jede Regel muss sich rechtfertigen. Wenn sie das nicht kann, wird sie gestrichen. Das Lieferkettengesetz ist ein Beispiel. Es ist moralisch aufgeladen, ökonomisch hochproblematisch und wird die Welt kein Stück besser machen. Wir dürfen nicht glauben, dass wir mit immer neuen Regeln den globalen Wettbewerb gewinnen. Es ist das Gegenteil der Fall.
Welche Rolle spielt Migration beim Problem des Fachkräftemangels?
Dürr: Eine zentrale. Mein Leitsatz ist: Es muss leichter sein, nach Deutschland zu kommen, um zu arbeiten, als nach Deutschland zu kommen, um nicht zu arbeiten. Momentan ist es leider oft umgekehrt. Die Verfahren zur Vergabe von Arbeitsvisa sind langsam, unübersichtlich und frustrierend. Gerade für die Unternehmen, die händeringend Fachkräfte suchen.
Wie müsste Einwanderungspolitik aus Ihrer Sicht stattdessen aussehen?
Dürr: Wer über den Arbeitsmarkt kommt, muss Priorität haben. Das heißt nicht, dass wir das Asylrecht abschaffen – aber dass wir den Fokus verlagern. Dauerhafte Integration gelingt nur über Beschäftigung. Gleichzeitig müssen wir in der Bildungspolitik ansetzen: Jedes Kind sollte beim Eintritt in die Grundschule ausreichende Deutschkenntnisse haben. Das ist entscheidend für Integration und Chancengleichheit.
Der Kanzler hat kürzlich zu einem Investitionsgipfel geladen. Warum hat er Sie damit enttäuscht?
Dürr: Weil es keine echten Impulse gab und der Mittelstand völlig außen vor gelassen wurde. Es war eine reine PR-Show weniger großer Unternehmen. Es wurde viel geredet, aber es wurden keine Reformen beschlossen. Wenn Deutschland wieder ein Investitionsstandort sein will, muss die Politik konkrete Hebel umlegen: Steuerentlastungen, weniger Berichtspflichten, mehr Planungssicherheit und Vertrauen in die unternehmerische Kompetenz stärken.
Was ist das wirtschaftspolitische Leitbild der FDP in den kommenden Jahren?
Dürr: Technologischer Fortschritt als Chance, nicht als Bedrohung. Wir stehen für einen rationalen, optimistischen Umgang mit KI, Digitalisierung, Kapitalmarkt. Wir brauchen Regeln, wo sie nötig sind – aber keine Angst vor Innovation. Leider wird technischer Fortschritt in Deutschland oft zerredet. Ich glaube aber, dass Fortschritt die Voraussetzung für Wohlstand ist.
Wie will die FDP dieses Leitbild außerhalb des Bundestags sichtbar machen?
Dürr: Durch Inhalte, nicht durch Taktik. Wir sammeln derzeit über digitale Tools und KI auswertbare Ideen aus der Mitgliedschaft. Wir wollen auf dieser Basis ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten, das nicht in Sonntagsreden verharrt, sondern konkrete Vorschläge liefert: Rentenreform mit Kapitaldeckung. Einwanderung über den Arbeitsmarkt. Bildung mit verbindlichen Deutschstandards ab der ersten Klasse.
Was sagen Sie Unternehmern, die abwandern wollen?
Dürr: Sie sollen bleiben – und investieren. Ich weiß, das ist nicht leicht. Aber ich bin überzeugt: Wenn wir jetzt mutige Reformen anstoßen, können wir uns wirtschaftlich neu erfinden. Die Voraussetzungen sind da. Was fehlt, ist der politische Wille.

