Italienische Feinkost

Mehr Qualität, mehr Unabhängigkeit: Andronaco setzt auf Eigenmarke

Die Straße zur Ölmühle ist eng, staubig und führt vorbei an knorrigen Olivenbäumen, die sich auf sizilianischem Lavagestein behaupten. In diesem kleinen Betrieb presst eine vierköpfige Familie ihr Öl – per Hand, unter einfachsten Bedingungen. Vincenzo Andronaco kennt sie seit Jahren. Und er weiß: Dieses Öl ist eines der ersten Produkte seiner neuen Eigenmarke, mit der sein Unternehmen weiter wachsen soll.

Vincenzo Andronaco bei der Traubenernte

27.08.2025

Vincenzo Andronaco denkt, unternehmerisch, aber nicht in Quartalen. Er spricht über Menschen, nicht über Zielgruppen. Und über Investitionen nicht als Kapitalmaßnahme, sonder als mittel zur Steuerung. Das gilt auch für die neuen Produktlinie, mir der das Unternehmen 2025 einen strategischen Schnitt vollzieht. "Andronaco Gran Selezione" heißt sie – und sie ist mehr als ein Sortiment. Sie ist der Versuch, Qualität dauerhaft zu sichern und unternehmerische Unabhängigkeit zu erhöhen, in einem Markt, der zunehmend durch Rabattschlachten der Discounter und fragile Importketten geprägt ist.

Strategischer Richtungswechsel

Statt in neue Filialen investieren Andronaco seit Kurzem in den Aufbau einer stabilen, eigenständig gesteuerten Wertschöpfungskette. Der Schritt zur Eigenmarke ist dabei kein Imageprojekt, sondern Teil einer Neupositionierung. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen mit Hauptsitz in Hamburg organisch, aber schnell gewachsen: vom kleinen Gemüsestand und Großhandelsstandort über den ersten Supermarkt bis hin zu einem deutschlandweiten Online-Shop und einem Gastronomieservice. Die Marke Andronaco hat sich in Norddeutschland und Nordrhein-Westfalen längst etabliert, das Geschäft ist aber härter geworden. "Wir haben gesehen dass immer mehr Anbieter italienische Produkte ins Regal stellen – oft mit einer Flagge auf der Verpackung, aber ohne echte Herkunft“, sagt Andronaco. Die neue Eigenmarke sei deshalb auch eine Antwort auf die neue Wettbewerbssituation.

Investieren in die Herkunft

Entscheidend war für den Italiener, der mit 18 Jahren nach Deutschland kam, mit Partnern aus seinem Heimatland zu arbeiten, die er kennt – und auf die Verlass ist. Statt neue Lieferanten zu suchen, griff er auf langjährige Kontakte zurück. Zum Teil sind das kleine Produzenten, die ihre Ware bislang für Andronaco geliefert hatten, nun aber mit eigenem Etikett gelistet werden. Der Aufwand ist erheblich. „Manche von ihnen hatten nie mit der deutschen Kennzeichnungspflicht zu tun“, berichtet Katharina Notaro, die seit 21 Jahren Marketingchefin und Personalleiterin bei Andronaco ist. „Wir helfen dabei, prüfen Rezepturen, klären Zollfragen – manchmal dauert es Monate, bis ein Produkt startklar ist.“

Damit investiert das Unternehmen Andronaco nicht nur in eigene Produkte, sondern auch in das eigene Lieferantennetzwerk und damit wiederum in die Produktqualität. Diese Vorarbeit und Kontrolle schaffen eine Unabhängigkeit, die sich nicht auf dem Papier, sondern erst im Krisenfall bewährt. „Ein gutes Beispiel war das vergangenes Jahr beim Olivenöl“, erinnert sich Andronaco. „Die Ernten waren schwach, die Preise sind explodiert. Wir mussten vieles neu verhandeln – aber weil wir direkt mit den Erzeugern arbeiten, konnten wir reagieren.“

Struktur schaffen: ERP, Prozess, Personal

Die neue Andronaco-Eigenmarke ist nicht das einzige Projekt, das derzeit investiv begleitet wird. Gleichzeitig führt das Unternehmen ein neues ERP-System ein, um Lieferketten transparenter zu gestalten und die internen Prozesse zu vereinheitlichen. „Ein Unternehmen dieser Größe kannst du nicht mehr aus dem Bauch heraus steuern“, gibt Andronaco mit einem Lächeln zu. Er selbst sieht sich nicht als Techniker – aber er weiß, was nötig ist: „Ich muss nicht alles selbst können. Aber ich muss verstehen, worauf es ankommt, und die richtigen Leute an die richtigen Stellen setzen.“ Andronaco investiert also auch und vor allem in gutes Personal. Seine Firma folgt dabei einem klaren Prinzip: Verantwortung wird geteilt, Entscheidungen werden pragmatisch getroffen. Viele Mitarbeitende arbeiten seit Jahren im Unternehmen, die Fluktuation ist niedrig. „Wir vertrauen einander“, sagt Andronaco, „und wir handeln schnell.“ Das gilt auch für die Kommunikation. Ob neue Produkte, Personalfragen oder Vertriebsstrategien – vieles wird informell, aber verbindlich besprochen.

Neues Wachstum, neue Vertriebskanäle

Die Eigenmarke wird zunächst über die eigenen Märkte und den neuen Online-Shop vertrieben. Parallel dazu entsteht ein externer Vertriebsstrang, der sich gezielt an selbstständige Einzelhändler, Feinkostläden und ausgewählte Lebensmitteleinzelhändler wendet. Eine Listung bei Discountern wird vorerst nicht angestrebt. „Das passt nicht zu uns – nicht wegen der Preise, sondern wegen der Haltung“, sagt Notaro und ergänzt: „Wir wollen keine Massenmarke, sondern eine mit klarer Handschrift.“ Die Auswahl an Produkten bleibt bewusst klein. Tomatensoßen, Olivenöl, Pasta, Wein, Pesto: Statt auf ein Vollsortiment wird auf Qualität gesetzt – mit langfristiger Perspektive. „Wir bringen Produkte erst dann auf den Markt, wenn sie zu uns passen – und wenn sie halten, was sie versprechen.“

Natürlich ist die neue Eigenmarke auch ein Risiko für Andronaco. Bei Lieferengpässen, steigenden Rohstoffpreisen oder veränderten Verbrauchertrends kann sie angreifbar sein. Doch genau hier liegt für den Chef und Gründer der Unterschied. „Unternehmertum heißt, Entscheidungen zu treffen, lange bevor du weißt, ob sie richtig waren“, sagt er. Der Kauf eines weit abgelegenen Geländes in Hamburg-Billbrook war so eine Entscheidung. Die Rückführung des Gastronomieservices ins Unternehmen auch. Und jetzt: die Eigenmarke.

Portrait, Vincenzo Andronaco

Vincenzo Andronaco

ist der Gründer des gleichnamigen Feinkostunternehmens Andronaco, einer der führenden Adressen für italienische Spezialitäten in Deutschland. 1951 in Sizilien geboren, kam er als junger Mann nach Hamburg und legte 1983 mit einem kleinen Obst- und Gemüsestand am Barmbeker Bahnhof in der Hansestadt den Grundstein für sein Unternehmen