Die Hauptstadt des Emirats Dubai – zugleich die bevölkerungsreichste Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate – hat sich in den vergangenen Jahren strategisch neu erfunden. Mittlerweile bietet sie deutschen Unternehmen etwas, das in Europa zunehmend fehlt: Planbarkeit, Offenheit für Innovation und Zugang zu über zwei Milliarden Konsumentinnen und Konsumenten in Asien, Afrika und dem Nahen Osten. „Dubai ist mehr als ein Markt. Es ist ein Sprungbrett“, sagte Malte Heyne, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg, auf dem „Dubai Business Forum“. Heyne zeigte sich in einem Paneltalk davon überzeugt: „Wer heute international wachsen will, kommt an dieser Stadt kaum vorbei.“
Marktzugang, wo andere Grenzen ziehen
Das Emirat Dubai ist eines der wenigen Länder, das aktiv Freihandelsabkommen ausbaut, statt sie zu hinterfragen. Mit Indien etwa besteht ein umfassendes Partnerschaftsabkommen, das es Unternehmen erlaubt, Waren zollfrei in den Subkontinent zu exportieren – vorausgesetzt, sie kommen über Dubai. Mohammad Ali Rashed Lootah, Präsident und CEO der Dubai Chambers, der Handelskammer von Dubai, sagt: „Unsere Stadt ist ein Gateway – in die Golfregion, nach Afrika oder die südostasiatischen Staaten.“ Wer sich dort ansiedelt, erhalte nicht nur steuerliche Vorteile, sondern vor allem eine operative Basis für Märkte mit hoher Dynamik. Der Standort allein erschließe laut Lootah ein Wirtschaftsumfeld mit rund drei Milliarden Menschen.
Digitalisierung: Pragmatik statt Debatte
Während Europa über Datenschutzrichtlinien und KI-Ethikkommissionen diskutiert, setzt Dubai Zukunftstechnologie längst in die Praxis um. Start-ups und Tech-Unternehmen finden in dem Wüstenstaat eine Infrastruktur vor, die es ihnen erlaubt, schnell zu wachsen – ohne regulatorische Blockaden. „Dubai ist ein Testmarkt für digitale Geschäftsmodelle“, sagt Hamburgs Handelskammer-Chef Heyne, „dort wird nicht lange abgewogen, ob etwas möglich ist – man probiert es aus.“ Inzwischen unterrichtet das Land Künstliche Intelligenz in Grundschulen. Und mit der Plattform „Expand North Star“ hat sich Dubai zur internationalen Bühne für Start-ups und Investoren entwickelt. Lootah ergänzt: „Wir wollen, dass Unternehmen in Dubai zu globalen Champions werden – und nicht dafür erst ins Silicon Valley müssen.“
Für Dubai-Chambers-Präsident Lootah liegt die Stärke des Standorts nicht allein in seiner Infrastruktur, sondern in seiner Haltung: „Dubai ist ein unternehmerisches Ökosystem – und zwar auf allen Ebenen. 98,5 Prozent unserer Firmen sind kleine und mittelständische Unternehmen. Das prägt unsere DNA. Auch die Regierung agiert unternehmerisch: pragmatisch, risikofreudig, wachstumsorientiert.“ Und Dubai denkt regulatorisch voraus: Als andere Länder noch diskutierten, ob Kryptowährungen verboten oder besteuert werden sollten, wurde dort bereits eine eigene Aufsichtsbehörde für virtuelle Vermögenswerte gegründet.
Mehr als nur ein Steuerschlupfloch
Für Amgad Abouzeid, Director der Beratungsfirma Thinking Arabian, liegt der Mehrwert Dubais weit über steuerlichen Aspekten: „Viele unterschätzen, wie stark sich das Emirat zu einem globalen Hub für Lieferketten, Technologietransfer und Markterschließung entwickelt hat.“ Gerade für den deutschen Mittelstand biete Dubai Zugang zu Wachstumsmärkten in Afrika, Südasien und dem erweiterten MENA-Raum – gestützt durch Freihandelsabkommen mit Ländern wie Indien, Indonesien oder Australien. Doch Abouzeid warnt auch vor Denkfehlern: „Made in Germany allein reicht nicht mehr. In Dubai zählen Geschwindigkeit, Partnerschaft und strategisches Netzwerken.“ Erfolgreiche Unternehmen müssten deshalb vor Ort agieren – als Teil eines dynamischen, international vernetzten Ökosystems.
Was Dubai derzeit besonders interessant für Unternehmen macht, ist die gezielte Ausrichtung auf Sektoren, in denen Deutschland stark ist: Maschinenbau, Chemie, Logistik, Energie, Automotive. Dubais „D33“-Wirtschaftsstrategie verfolgt das Ziel, das Bruttoinlandsprodukt bis 2033 zu verdoppeln. Im Zentrum stehen industrielle Fertigung, Digitalisierung, CleanTech und Mobilität – also jene Bereiche, in denen deutsche Mittelständler weltweit gefragt sind. „Dubai hat ein großes Interesse daran, deutsche Unternehmen als Partner für seine eigene Transformation zu gewinnen“, erklärt Anthony O’Sullivan, Managing Partner bei EY in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Bereits heute betreiben über 1.200 deutsche Firmen Standorte in den Emiraten – viele davon in den freien Wirtschaftszonen mit 100 Prozent Eigentumsrecht und Steuerfreiheit.
Vorteile: Nähe, Offenheit, Geschwindigkeit
Für viele Unternehmen, die den Schritt gewagt haben, zeigt sich vor Ort ein überraschendes Bild. „Man trifft auf ein Ökosystem, das nicht nur effizient ist, sondern auch offen“, sagt beispielsweise Max Heinemann, Geschäftsführer von Gebr. Heinemann. Für ihn gehe es dabei nicht ausschließlich ums Geschäft, vielmehr lerne man dort voneinander. „Die Mentalität ist partnerschaftlich.“ Heinemann sieht Dubai weniger als Steuerparadies denn als Plattform: „Wir nutzen den Standort für den gesamten Mittleren Osten und Afrika. Die Konnektivität, die Offenheit, das Tempo – das ist anders als in Europa. Und es funktioniert.“
Und: Während andere Märkte von Konflikten und Unsicherheit geprägt sind, punktet Dubai aktuell mit Stabilität. Die Stadt zählt laut der Online-Datenbank Numbeo zu den sichersten der Welt, politische Risiken sind gering, Infrastruktur und Verwaltung gelten als verlässlich. „Die Rolle des Staates besteht darin, wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen“, sagte der Botschafter der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland, Ahmed Alattar, in seinem Grußwort auf dem „Dubai Business Forum“. Dazu gehöre auch, Bürokratie konsequent abzubauen.
Zugang zu Wachstumsmärkten, Innovationsfreundlichkeit, regulatorische Klarheit, steuerliche Wettbewerbsfähigkeit und Stabilität: In Dubai bündeln sich Faktoren, die deutschen Unternehmen an anderen Orten zunehmend fehlen. Die Frage ist also nicht mehr, ob deutsche Unternehmen in Dubai investieren sollten, sondern, ob sie es sich leisten können, es nicht zu tun.



