Quantencomputing

„Das Gehirn der nächsten Industrialisierung entsteht in Deutschland“

Von außen wirkt Dr. Alexander Glätzle wie der Prototyp eines klugen Physikers. Doch wer ihm zuhört, spürt sofort: Hier spricht jemand, der nicht nur in Formeln denkt, sondern in Visionen. Als Gründer von Planqc baut er Quantencomputer – Maschinen, die die Gesetze der Physik bis zum Äußersten ausreizen. Sie bilden vielleicht bald die Grundlage der Robotik und damit einer neuen industriellen Revolution.

Quantenpower für Robotik

19.06.2025

Die berufliche Geschichte von Alexander Glätzle beginnt in Innsbruck, Harvard und Oxford. Aktuell wird sie in Garching bei München weitergeschrieben. Denn dort formuliert er mit seinem Unternehmen Planqc eine europäische Antwort auf Google und IBM - in - dem er Quantencomputer baut.

DUP Unternehmer-Magazin: Quantencomputer sind ein sperriges Thema. Warum sollten wir uns gerade jetzt damit beschäftigen?

Dr. Alexander Glätzle: Quantenmechanik klingt für viele wie Science-Fiction. Aber sie ist längst Realität. Wir nutzen sie bereits in GPS-Systemen und in der Magnetresonanztomografie. Was wir jetzt tun, ist, diese Naturgesetze in Rechnern nutzbar zu machen. Computer, die nicht nur null oder eins kennen, sondern beides gleichzeitig. Das eröffnet eine völlig neue Dimension an Rechenleistung.

Klingt faszinierend – aber auch weit entfernt. Wann wird der Quantencomputer tatsächlich relevant?

Glätzle: Das ist kein Zukunftsthema mehr. Google hat bereits 2019 ein mathematisches Problem mit einem Quantenchip gelöst, für das klassische Supercomputer Jahre brauchen würden – in 260 Sekunden. Zugegeben: Die Aufgabe war rein akademisch. Aber es war der Beweis, dass das Prinzip funktioniert. Jetzt geht es darum, nützliche Anwendungen zu finden – sei es in der Medikamentenentwicklung, der Materialforschung oder der Kryptografie. Wir reden von fünf bis zehn Jahren, bis Quantencomputer echte wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Was kann so ein Rechner, was herkömmliche Systeme nicht können?

Glätzle: Nehmen Sie ein Aspirin-Molekül: 24 Elektronen, aber es kann sich in 10 hoch 48 Zuständen gleichzeitig befinden - das ist etwa die Anzahl aller Atome auf der Erde. Ein klassischer Computer müsste für jede dieser Möglichkeiten Daten speichern. Das ist unmöglich. Ein Quantencomputer könnte das mit 200 Qubits theoretisch leisten. Genau hier liegt der Durchbruch: Er kann Probleme lösen, die mir konventionellen Maschinen nicht eimal mehr modellierbar sind.

Wo steht Europa im globalen Wettlauf?

Glätzle: Europa ist technisch auf Augenhöhe. Wir haben die besten Forschungsinstitute, eine starke Industrie und herausragende Grundlagenforschung. Deutschland beliefert etwa die gesamte Welt mit Lasertechnologie, die wir in unseren Maschinen einsetzen. Natürlich fehlt es an Risikokapital. Aber unsere Stärke ist das Ökosystem – wir können hier echte Spitzentechnologie aufbauen, wenn der Wille da ist.

Und ist der Wille da?

Glätzle: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das DLR, hat uns beauftragt, zwei Quantencomputer zu bauen – einer entsteht in Ulm, einer am Leibniz-Rechenzentrum in Garching. Auch Bayern steht hinter uns, Ministerpräsident Markus Söder war bei unserer Standorteröffnung persönlich vor Ort. Gleichzeitig sehen wir, wie Frankreich unter Präsident Emmanuel Macron strategisch vorgeht. Dort reisen Start-ups mit dem Präsidenten durch die Welt. In Deutschland fehlt diese internationale Rückendeckung noch.

Gleichzeitig engagieren sich Tech-Giganten wie Google mit Milliardenbeträgen. Wie will ein deutsches Start-up da mithalten?

Glätzle: Mit der vielversprechendsten Technologie. Google hat gerade in eine Technologie investiert, die wir von Anfang an verfolgen: Quantencomputer mit neutralen Atomen anstatt mit supraleitenden Schaltkreisen. Dass Google nun auch auf diesen Weg einschwenkt, bestätigt uns. Klar, deren Kapitalmacht verzerrt den Wettbewerb. Doch unsere Systeme funktionieren bei Raumtemperatur und sind energetisch effizienter. Das ist unsere Chance.

Gibt es auch Risiken - etwa in Bezug auf Sicherheit und Überwachung?

Glätzle: Natürlich. Quantencomputer könnten aktuelle Verschlüsselungen brechen. Aber es gibt längst Post-Quantum-Kryptografie - klassische Verfahren, die gegen solche Angriffe immun sind. Parallel dazu kann man Quantenverschlüsselungen nutzen, um Kommunikation abhörsicher zu machen. Wir müssen beides entwickeln: die Technologie und ihr Schutzmechanismen.

Sie selbst haben viele Jahre den USA geforscht. Warum forschen Sie jetzt in Deutschland?

Glätzle: Weil ich an die Chance glaube, hierzulande ein europäisches Gegengewicht zu schaffen. Wir haben Weltklasse-Forschende, starke Unternehmen und gute Lebensbedingungen. Wenn wir das kombinieren mit politischer Unterstützung, dann kann Planqc schon 2035 ein führender Player sein. Wenn nicht, werden wir über Beteiligungen aus befreundeten Demokratien nachdenken müssen. Aber aufgeben? Niemals.

ist theoretischer Quantenphysiker mit Stationen an der University of Oxford, der Harvard University und am Center for Quantum Technologies in Singapur. Seit Juni 2022 ist er CEO und Co-Gründer von Plancq, einem deutschen Start-up, das Quantencomputer baut

Alexander W. Glätzle

ist theoretischer Quantenphysiker mit Stationen an der University of Oxford, der Harvard University und am Center for Quantum Technologies in Singapur. Seit Juni 2022 ist er CEO und Co-Gründer von Plancq, einem deutschen Start-up, das Quantencomputer baut