Wenn wir KI ohne Vorbereitung auf uns loslassen, wenn wir sie einfach geschehen lassen, ohne zu verstehen, was sie mit uns macht, dann schadet sie uns. Sie ist gefährlich – für unsere physische Gesundheit ebenso wie für unsere psychische. Und genau deshalb ist es von solcher Bedeutung, die richtige Aufgabenteilung zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz präzise zu kennen. Nicht, damit wir uns vor der Technologie verstecken. Sondern damit wir uns nicht selbst zerstören. Damit wir in der richtigen Kombination beider Intelligenzen ganz neue Dimensionen von Kreativität, Innovativität und Leistungsfähigkeit im positiven Sinne erreichen können. Darum geht es wirklich.
Um zu verstehen, wie wir an diesen Punkt gelangt sind, lohnt ein Blick zurück. Die Autoren der aktuellen Studie rufen zunächst Ergebnisse der letzten mehr als zehn Jahre Forschung in Erinnerung – ein Fundus an Wissen, der zeigt, dass wir diese Entwicklung hätten kommen sehen müssen. KI-gesteuerte Veränderungen, so zeigten Gao und Wang bereits 2023, betreffen alle Sektoren, ausnahmslos. Und sie lösen dabei häufig psychologische Reaktionen aus, die einem bekannten Muster folgen: Verleugnung, Schock, Frustration und Wut, wie Bringselius schon 2010 beschrieb.
Diese Reaktionen können zu Angstzuständen führen, wie Ahmead 2024 sowie Robinson und sein Team bereits 2013(!) belegten, gefolgt von Depressionen. Es ist der klassische Ablauf einer Trauerreaktion, den Sendrea 2023 noch einmal nachzeichnete: Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression und schließlich Akzeptanz. Nur dass wir hier nicht um einen Verlust im traditionellen Sinne trauern, sondern um eine Welt, die uns unter den Händen wegzugleiten scheint.
Technostress hängt von den Umständen und der Unternehmenskultur ab
Die digitale Technologie kann die psychische Gesundheit auf verschiedene, sehr konkrete Weisen negativ beeinflussen, und jede dieser Formen trägt einen Namen, der ihre Wirkung präzise beschreibt. Da ist zunächst der digitale Burnout, jenes Syndrom, das durch die ständige Nutzung des Internets und digitaler Geräte entsteht, wie Kardefelt-Winther es 2014 definierte. Es äußert sich durch physische, psychische und soziale Probleme, durch geringe Produktivität, durch Müdigkeit, durch die Unfähigkeit, Emotionen zu kontrollieren, und durch die Unfähigkeit, die eigene Routine zu bewältigen, wie Erten und Özdemir 2020 detailliert aufzeigten.
Dann gibt es das Doomscrolling – ein Begriff, der so plastisch ist, dass er kaum einer Erklärung bedarf, und doch erforscht werden musste. Den Autoren Satici und Kollegen zufolge, die das Phänomen 2023 untersuchten, kann Doomscrolling zu einem höheren Maß an psychischer Belastung und einem niedrigeren Niveau der Indikatoren für psychisches Wohlbefinden führen: weniger psychisches Wohlbefinden, geringere Lebenszufriedenheit, weniger Lebensharmonie. Und schließlich die Automatisierung selbst. Untersuchungen von Abeliansky und Kollegen aus dem Jahr 2024 zeigen, dass die Einführung von Industrierobotern signifikante negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer hat, wobei der Effekt durch die Leistung und die Sorge um die Arbeitsplatzsicherheit vermittelt wird. Die Maschine nimmt nicht nur den Job. Sie nimmt die Ruhe.
Die Studie benennt auch klar die Ursachen für Technostress, jene Stress erzeugenden Faktoren in Bezug auf die Technologie. Gleichzeitig wird betont, dass es auch Technostress-hemmende Faktoren gibt; organisatorische Mechanismen, die das Potenzial haben, die Auswirkungen von Technostress zu reduzieren. Leider geht die Studie an dieser Stelle nicht weiter ins Detail, lässt uns mit dieser wichtigen Erkenntnis gewissermaßen allein. Doch genau hier liegt eine Chance, die es zu nutzen gilt: nach Studien und Beispielen zu suchen, die genau diese hemmenden Faktoren behandeln, die uns zeigen, wie wir gegensteuern können.
Technostress hat viele Dimensionen und Ausprägungen
Aber zunächst zu den verschiedenen Aspekten oder Dimensionen von Technostress selbst, denn nur wer den Gegner kennt, kann ihn besiegen. Da ist zunächst der Techno-Overload, jener Faktor, der Situationen beschreibt, in denen die Technologie – in diesem Fall KI – die Benutzer dazu zwingt, schneller und härter zu arbeiten. Die Maschine diktiert das Tempo, und der Mensch hechelt hinterher. Dann die Techno-Invasion, die Situationen beschreibt, in denen die Verbindung mit Technologie permanent ist, unabhängig vom persönlichen oder beruflichen Kontext. Es gibt kein Entkommen mehr, keinen Raum, der nicht durchdrungen wäre von der digitalen Präsenz.
Die Techno-Komplexität wiederum beschreibt Situationen, in denen Menschen sich gezwungen sehen, Zeit und Mühe aufzubringen, um Technologie zu lernen und zu verstehen – eine nie endende Lernkurve, die keine Atempause erlaubt. Der Faktor Techno-Unsicherheit bezieht sich auf Situationen, in denen Menschen sich bedroht fühlen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, entweder weil die Technologie menschliche Tätigkeiten übernimmt oder automatisiert, oder weil andere Menschen bessere Fähigkeiten im Umgang mit der Technologie haben. Es ist die Angst, ersetzbar zu sein. Und schließlich die Techno-Ungewissheit, die Kontexte beschreibt, in denen ständige Veränderungen in der Technologie zu Unsicherheit und mangelnder Stabilität führen, was eine ständige Weiterbildung und Anpassung der Menschen zur Folge hat. Man weiß nie, welche Regeln morgen gelten werden.
Jüngste Erkenntnisse zeigen, dass Technostress mit einem höheren Maß an psychischer Anspannung und emotionaler Instabilität korreliert, wobei KI-Tools sowohl produktivitätssteigernd als auch angstverstärkend wirken – eine paradoxe Doppelrolle, die die Sache nur noch komplizierter macht. Mehrere Studien betonen, dass eine langfristige Exposition gegenüber KI-gesteuerten Arbeitsumgebungen, Arbeitsplatzunsicherheit aufgrund von Automatisierung und ständiger digitaler Überwachung signifikant mit emotionaler Erschöpfung, Traurigkeit und depressiven Symptomen verbunden sind, wie Xu und Kollegen 2023 sowie Zheng und Zhang 2025 nachwiesen. Der Verlust der menschlichen Handlungsfähigkeit, die Voreingenommenheit der Algorithmen und der wahrgenommene Mangel an Kontrolle können bei den Betroffenen zu kognitivem Rückzug und Hilflosigkeit führen – zu jenem Zustand, in dem man aufgibt, weil alles aussichtslos erscheint.
Junge Menschen und Frauen sind stärker betroffen
Die aktuelle Studie kommt zu genau denselben Ergebnissen und bestätigt damit ein Muster, das sich nicht mehr leugnen lässt: Sowohl die Manifestation von Angststörungen als auch die Manifestation von Depressionen sind positiv mit Technostressfaktoren korreliert. Die Faktoren Techno-Overload und Techno-Invasion erweisen sich dabei als die wichtigsten Faktoren für Technostress durch KI, während der Faktor Techno-Unsicherheit einen schwächeren Zusammenhang mit Technostress aufweist, aber dennoch klar erkennbar ist. Die Analyse der Beziehung zwischen Technostress durch KI und den Symptomen von Angst und Depression hat gezeigt, dass Technostress ein signifikanter Prädiktor für Angst- und Depressionsstörungen ist. Die Kausalität ist nachgewiesen.
Doch die Studie geht noch weiter und differenziert nach Alter und Geschlecht – und die Unterschiede sind aufschlussreich. Die Studienmacher kommen zu der Erkenntnis, dass sich junge Menschen in ihrem persönlichen Leben stärker von der Technologie beeinflusst fühlen als ältere Menschen. Sie sind digital natives, und doch – oder gerade deshalb – sind sie verwundbarer. In Bezug auf das Geschlecht ist festzustellen, dass Frauen im Vergleich zu Männern mehr Ängste haben, dass sie ersetzt werden könnten oder dass sie sich nicht an die neue KI-Technologie anpassen können. Die Technologie verstärkt also bestehende Ungleichheiten, statt sie zu nivellieren.
Angst, von KI überholt zu werden
Gemeinsam ist den Menschen mit Stress- und Angstsymptomen eine zentrale Befürchtung: dass die derzeitigen menschlichen Fähigkeiten durch den rasanten Fortschritt der KI überholt werden könnten, oder die Angst, mit der Entwicklung der KI-Technologie nicht Schritt halten zu können. Mit anderen Worten: Technounsicherheit kann die berufliche Stabilität und sogar die Karriere nach Jahren der Ausbildung und Berufserfahrung beeinträchtigen und die psychische Gesundheit verändern. Was Jahrzehnte aufgebaut wurde, kann durch eine algorithmische Entscheidung obsolet werden. Das ist keine abstrakte Bedrohung mehr. Das ist Realität, und sie fordert ihren Tribut, in Form von Angst, Depression und dem Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.

