Der Energiesektor ist laut Umweltbundesamt für fast 83 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Kein Wunder also, dass sich EWE-Technikvorstand Urban Keussen in der Pflicht sieht, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Der Energiedienstleister möchte in 14 Jahren klimaneutral sein. Für Keussen ein wichtiger Helfer, um dieses Ziel zu erreichen: Wasserstoff.
Energiewende
Mit Wasserstoff zur Klimaneutralität
Klimaneutralität – dieses Ziel will der Energiedienstleister EWE bis 2035 erreichen. Technikvorstand Dr. Urban Keussen erklärt, welche Rolle Wasserstoff dabei spielt.


Dr. Urban Keussen
gehört dem Vorstand der EWE AG seit 2018 an und verantwortet das Ressort Technik. Der promovierte Physiker ist zudem Geschäftsführer vom Windparkentwickler Alterric
Warum sehen Sie im Energieträger Wasserstoff großes Potenzial?
Urban Keussen: In einem Energiesystem mit hohem Anteil fluktuierender Einspeiser aus Wind und Sonne brauchen wir einen planbaren Ausgleich durch Speicherung. Das gelingt in großem Stil nur mit Wasserstoff. Er ist grün herstellbar, speicherbar, kann per Pipeline, Schiff oder Lkw transportiert werden. Gleichzeitig ist Wasserstoff in allen Sektoren als Energieträger einsetzbar und kann damit Industrie, Mobilität und Wärme miteinander koppeln.
Wo planen Sie konkrete Anwendungen?
Keussen: Wir wollen beispielsweise – vorbehaltlich einer Förderung – im Projekt Clean Hydrogen Coastline bis 2026 systemdienliche Elektrolysekapazitäten bis zu 400 Megawatt schaffen und mit entsprechender Speicherung Wasserstoff ins Energiesystem integrieren. Das wäre Grundlage für die Dekarbonisierung des Industriestandorts Bremen und des Schwerlastverkehrs auf Straßen und Schienen in der Region.
Sie wollen der erste integrierte Wasserstoffversorger in Deutschland werden. Was heißt das?
Keussen: Unser Ziel ist es, Wasserstofftechnologien marktrelevant zu skalieren und in das Energiesystem zu integrieren – und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Dafür planen wir über einen Zeiraum von zehn Jahren bis zu eine Milliarde Euro Investitionen für bedarfsgerechte Produktion, Transport und Speicherung sowie Vertrieb von Wasserstoff. Im niedersächsischen Huntorf zeigen wir mit der Wasserstoffproduktion aus erneuerbaren Energien bereits seit über einem Jahr im Kleinen, was in Zukunft in großem Stil Wirklichkeit werden soll.
Was muss passieren, damit die Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland schneller ausgebaut wird?
Keussen: Von der neuen Regierung erwarte ich einen verbindlichen Fahrplan für die Energie- und Klimapolitik mit starkem Fokus auf den Ausbau von Windenergie an Land sowie auf Wasserstoff und dessen Anwendungen. Beides ist unerlässlich für eine klimaneutrale Energiezukunft. Dafür braucht es Innovationssprünge, konsequentes Handeln und Verpflichtungen.
Was tun Sie bei EWE bereits für den Klimaschutz?
Keussen: Vor über 30 Jahren waren wir einer der ersten deutschen Windparkbetreiber. Heute ist unsere Tochter Alterric Deutschlands größter Grünstromproduzent. Wir haben 2010 mit alpha ventus den ersten deutschen Offshore-Windpark in Betrieb genommen und betreiben am Bremer Weserstadion eine der größten gebäudeintegrierten Fotovoltaikanlagen des Landes. Und auch heute beschreiten wir wieder Neuland – beim Aufbau einer integrierten Wasserstoffwirtschaft mit Speichern, Infrastruktur für klimafreundliche Mobilität und der Dekarbonisierung der Industrie.

Redaktion
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