Der Gesundheitssektor durchläuft eine Transformation, die weit über technologische Innovation hinausgeht. Generative KI, neue Anforderungen an mentale Stabilität und die Frage nach sozialer Gerechtigkeit im Zugang zu Gesundheitsleistungen prägen die Debatte. Doch was bedeutet das konkret für die Gesundheitskultur der nächsten Jahre? Wie veränderen sich Prävention, Arbeit, Diagnostik und individuelle Verantwortung?
Ein Gespräch mit Prof. Dr. Thomas Druyen, einem der profiliertesten Forscher für Zukunftspsychologie und gesellschaftlichen Wandel.
„Die Zukunft der Gesundheit entscheidet sich im eigenen Geist“
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Herr Professor Druyen, welche gesundheitlichen Megatrends prägen aus Ihrer Sicht das Jahr 2026, insbesondere im Zusammenspiel von Digitalisierung, Zukunftsgestaltung und gesellschaftlichem Wandel?
Thomas Druyen: Die Generative-AI-Revolution transformiert die Gesundheitsversorgung grundlegend. Wir bewegen uns von einer reaktiven Behandlung hin zu prädiktiver Präzision: personalisierte Diagnostik, individualisierte Therapiepfade und Entscheidungen in Echtzeit. Gleichzeitig rückt die psychische Resilienz viel stärker in den Fokus. KI-gestützte Betreuungsmodelle und eine neue Aufmerksamkeit für mentale Gesundheit am Arbeitsplatz werden zum Standard. Wir entwickeln ein holistisches Ökosystem, das durch datengestützte Interoperabilität eine präventive, vernetzte Gesundheitskultur ermöglicht. Gesundheit wird hyper-personalisiert – der Mensch wird aktiver Gestalter seiner eigenen Langlebigkeit.
Welche mentalen und psychologischen Fähigkeiten werden künftig entscheidend sein, um in einer komplexer werdenden Welt gesund zu bleiben?
Druyen: Zentral ist Präsilienz, also die Fähigkeit, Störungen bereits im Vorfeld selbstregulativ zu begegnen. Ergänzt wird sie durch digitale Kompetenz, vor allem die bewusste Steuerung von Aufmerksamkeit und Wohlbefinden im Umgang mit digitalen Reizen. Ebenso wichtig sind die Kern-Lebenskompetenzen der WHO, darunter Selbstwahrnehmung und Empathie, weil sie Selbstwirksamkeit stärken und soziale Verbundenheit ermöglichen. Flexibles Denken und Ambiguitätstoleranz helfen, Unsicherheiten anzunehmen und sich schnellen Veränderungen anzupassen.
Welche Chancen und Risiken ergeben sich im Hinblick auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen?
Druyen: Die Chancen sind enorm: personalisierte Diagnostik, telemedizinische Angebote und KI-basierte Gesundheitsservices können die Versorgung präziser und präventiver machen. Gleichzeitig besteht das Risiko, dass die digitale Kluft sich weiter vertieft. Menschen mit geringer Bildung, niedriger digitaler Kompetenz oder höherem Alter könnten von diesen Fortschritten ausgeschlossen werden. Die Gesundheitsschere würde sich weiter öffnen. Während digital affine Gruppen profitieren, steigt die Vulnerabilität anderer Bevölkerungsgruppen – schlicht, weil ihnen die mentalen und digitalen Fähigkeiten zur Nutzung der neuen Angebote fehlen.
Sie sagen: „Die Zukunft der Gesundheit entscheidet sich im eigenen Geist“. Was meinen Sie damit?
Druyen: Gesundheit wird zunehmend zum Ergebnis bewussten oder unbewussten Handelns. Die größte Heilkraft liegt in einer besonnenen Prävention und in der Fähigkeit zur radikalen Selbstdisziplin. Je stärker wir lernen, unsere mentale und emotionale Innenwelt zu steuern, desto besser können wir sowohl digitale als auch biologische Herausforderungen meistern. Dieser mentale Shift wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil, für Individuen ebenso wie für Organisationen.

