Allein China will in den kommenden Jahren mehr als eine Billion Yuan – rund 127 Milliarden Euro – in Robotik und Hochtechnologie investieren. Ein Signal von ökonomischer Wucht und strategischer Klarheit. Die USA registrieren zweistellige Wachstumsraten bei der Roboterinstallation, besonders in der Automobilindustrie. Und auch Europa beschleunigt – im Schatten geopolitischer Spannungen und mit dem Rückenwind digitaler Ambitionen.
Automatisierung als Überlebensfrage
„Der weltweite Fachkräftemangel zwingt die Industrie zur Automatisierung“, sagt Martin Kullmann, Deutschlandchef der Robotics-Division beim Technologieunternehmen ABB. „Robotik ist nicht mehr ein Nice-to-have, sondern eine Überlebensfrage.“ ABB zählt zu den Pionieren der Branche. Das Unternehmen setzt auf ein breites Portfolio – von kollaborativen Robotern über autonome Transportsysteme bis hin zu KI-gestützten Sortierlösungen. „Unsere Vision ist eine intuitive, sichere und nachhaltige Automatisierung für alle Unternehmensgrößen“, so Kullmann.
Peter Lange, Robotics-Chef bei Omron, erkennt in der gegenwärtigen Entwicklung mehr als eine technische Anpassung. Es sei ein Mentalitätswandel: „Roboter werden flexibler, intelligenter – und alltagstauglicher.“ Die Nachfrage reiche heute weit über klassische Fertigungsbereiche hinaus. „In skandinavischen Kliniken übernehmen mobile Roboter bereits den innerbetrieblichen Transport. Deutschland zieht nach.“
KI-Agenten: Next Level Robotik
Parallel zur physischen Automatisierung wächst die Bedeutung intelligenter Software. Besonders dynamisch zeigt sich ein Feld, das bislang in der Theorie verhaftet schien: KI-Agenten. Systeme, die nicht nur ausführen, sondern auch entscheiden. Das ist quasi Next-Level-Robotik.
Mit „Strateplan“ stellt das deutsche Unternehmen Mainthink eine Superintelligenz vor, die laut Chief Technology Officer Dr. Igor Kadoshchuk eine nachweisliche Präzision von 99,99 Prozent erreicht – ohne Halluzinationen, wie sie viele generative Sprachmodelle bis heute plagen. „Wir imitieren keine Intelligenz, wir operationalisieren sie“, sagt Kadoshchuk. Fünf autonome Algorithmen stehen im Wettstreit, ihre Vorschläge werden zu robusten Strategien verdichtet. CEO Sascha Rissel sieht in „Strateplan“ einen möglichen Kontroll-Layer für Systeme wie ChatGPT: „Erstmals ist eine halluzinationsfreie Zukunft denkbar – vorausgesetzt, die Schnittstellen stimmen.“
Mittelstand in der Zeitenwende
Ist das Thema Künstliche Intelligenz und Robotik bei vielen Großkonzernen vielerorts Realität, beginnt sich die Zukunftstechnologie auch im Mittelstand immer stärker durchzusetzen – nicht zuletzt durch pragmatische Stimmen wie Eckhart Hilgenstock. Der auf KI-Einführungen spezialisierte Interim-Manager rät Unternehmen zu einem beherzten, aber gezielten Einstieg. „Die ersten Schritte kosten keine Millionen, rechnen sich aber in wenigen Monaten“, sagt er.
Sein Beispiel: Eine generative KI, die E-Mail-Antworten vorbereitet, spart im Büroalltag bis zu 70 Prozent der Zeit. Ein anderer Fall: ein KI-gestütztes Sales-Backoffice, das durch automatische Übersetzungen internationale Kundenkontakte effizienter gestaltet und skalierbare Wachstumsimpulse liefert. Dabei geht es Hilgenstock nicht um technologische Spielerei, sondern um betriebswirtschaftlichen Effekt: „KI führt zu Produktivitätsgewinn und Qualitätssteigerung – gleichzeitig.“ Datenschutzbedenken, so der Manager, seien in der Praxis kein Hinderungsgrund: „Kein einziges meiner Projekte ist bislang an der Datenschutz-Grundverordnung, der DSGVO, gescheitert.“
Cybersicherheit und Regulierung im Fokus
Die Kehrseite wachsender Vernetzung ist jedoch ihre Verwundbarkeit für Cyberangriffe. In Eindhoven arbeitet das Labor Forescout Research – Vedere Labs unter der Leitung von Dr. Elisa Costante an der Abwehr dieser Risiken. Ihr Team analysiert Sicherheitslücken in industriellen Steuerungen, medizinischen Geräten und IoT-Systemen – mit beunruhigender Regelmäßigkeit. „Die Komplexität steigt, aber die Absicherung hinkt oft hinterher“, sagt Costante. Ihre Forderung: Sichtbarkeit, Standards, Zusammenarbeit. Denn: „Cybersicherheit ist kein Einzelkampf. Sie gelingt nur im Kollektiv.“
Regulierung: Sicherheit wird Pflicht, nicht Option
Während sich technologische Innovation beschleunigt, zieht die Regulierung nach. Mit dem EU Cyber Resilience Act (CRA), seit 10. Dezember 2024 in Kraft, und der Maschinenverordnung ab 2027 steigen die Anforderungen an Unternehmen, die autonome Systeme einsetzen – auch abseits der klassischen IT. „Der Cyber Resilience Act stellt erstmals sicher, dass digitale Komponenten von Maschinen denselben Sicherheitsstandards unterliegen wie mechanische Bauteile“, erklärt Peter Lange von Omron. Sein Unternehmen sieht die Gesetzeslage als Chance: „Der neue Rechtsrahmen zwingt alle Beteiligten dazu, Cybersecurity systematisch mitzudenken – das verbessert das Vertrauen in die Technologie.“
Martin Kullmann von ABB stimmt zu: „Sichere Kommunikation, abgesicherte Bewegungsprofile, zertifizierte Überwachungssysteme – all das war bei uns schon Teil der DNA. Jetzt wird es branchenweit zum Standard. Wer da nicht mitzieht, wird künftig keinen Marktzugang mehr erhalten.“ Zugleich entstehen neue Berufsbilder: Chief Artificial Intelligence Officers, KI-Taskforces und interne Compliance-Units sind dabei, sich innerhalb digitaler Unternehmen zu etablieren. „Regulierung wirkt wie ein Katalysator für Professionalität“, fasst Lange zusammen. Doch so autonom Maschinen agieren mögen – ohne Menschen, die sie verstehen und bedienen, bleiben sie blind.
Robotik als Faktor in der Verteidigung
Auch in der Verteidigung verändert sich das Kräfteverhältnis – technologisch. In Zeiten geopolitischer Krisen und Auseinandersetzungen liefert das Münchner Start-up ARX Robotics KI-gesteuerte Bodenfahrzeuge in Kriegsgebiete und ist damit in einem Umfeld tätig, das großes Wachstumspotenzial verspricht. Dank ARX Robotics übernehmen Roboter schon jetzt gefährliche Aufgaben wie Minenräumung oder Evakuierung. „Das nächste große Ding in der Kriegsführung ist klein“, sagt Gründer Marc Wietfeld. Seine Vision: intelligente Maschinen als „Wingmen“ für bemannte Einheiten.
Was sich derzeit entwickelt, ist mehr als technologischer Fortschritt. Es ist ein neues industrielles Paradigma. Eines, in dem Maschinen nicht nur ausführen, sondern mitdenken. Wer sich darauf einstellt, investiert in die Zukunftsfähigkeit seiner Firma.

