Personalgewinnung

Schneller, digitaler, menschlicher – Wie Recruiting heute wirklich funktioniert

Der Arbeitsmarkt verändert sich rasant – und mit ihm die Anforderungen an Bewerbungsprozesse. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, qualifizierte Talente schnell und effizient für sich zu gewinnen. Doch viele klassische Recruiting-Methoden bremsen den Erfolg. Jan-Niklas Hustedt, Geschäftsführer der Sparkassen-Personalberatung GmbH, erklärt, warum Bewerbungen heute authentischer und menschlicher sein sollten – und wie Technologie dabei helfen kann, ohne den persönlichen Faktor zu verlieren.

Illustration: drei Personen arbeiten an Laptops auf einem großen Laptop, als Symbol für effizientes Recruiting

03.04.2025

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Was läuft aus Ihrer Sicht noch richtig schief im klassischen Bewerbungsprozess? Was sollten Unternehmen unbedingt hinter sich lassen?

Jan-Niklas Hustedt: Bewerbungsprozesse dauern oft viel zu lange. In Zeiten, in denen eine Online-Bestellung innerhalb weniger Stunden ankommt, sollte auch eine Bewerbung nicht Wochen oder Monate in der Schwebe bleiben. Eine schnelle und transparente Kommunikation erleichtert den Prozess für beide Seiten und zeigt Wertschätzung gegenüber den Bewerberinnen und Bewerbern. Hohe Eintrittsbarrieren schrecken qualifizierte Talente ab.
Endlose Formularfelder, komplizierte Bewerbungsportale und umständliche Prozesse lassen viele bereits vor dem eigentlichen Bewerbungsprozess kapitulieren. Dabei kann ein klarer, intuitiver Bewerbungsweg die Hürden senken und den Einstieg für alle Beteiligten angenehmer machen. Zudem sorgt mehr Menschlichkeit im Bewerbungsprozess auch für eine authentische Begegnung. Bewerbende sollten nicht nur als Nummer im System betrachtet werden, sondern als Persönlichkeit mit einzigartigen Erfahrungen und Perspektiven. Wer mit Wärme und Offenheit auf Kandidatinnen und Kandidaten zugeht, gewinnt langfristig engagierte Mitarbeitende.

Warum ist es Ihrer Meinung nach so wichtig, dass Bewerbungen heute authentischer und weniger formal sind?

Hustedt: Lebensläufe und Anschreiben folgen oft festen Mustern und zeigen nur einen Ausschnitt der Persönlichkeit. Viel interessanter ist es, die Person hinter den Dokumenten kennenzulernen und zu verstehen, was sie wirklich antreibt. Authentizität bringt Unternehmen und Bewerbende schneller auf eine gemeinsame Ebene und sorgt für langfristig passende Matches. Zu oft spiegelt eine Bewerbung das wider, was der Bewerber oder die Bewerberin glaubt, das das Unternehmen hören möchte. Der Fokus sollte darauf liegen, hinter die Kulissen zu schauen und herauszufinden, ob beide Seiten zueinander passen.

Bewerbungsprozesse können sich wie ein Marathon anfühlen. Was können Unternehmen tun, um schneller zu einer Entscheidung zu kommen, ohne dabei Qualität zu verlieren?

Hustedt: Ein klarer Fokus auf effiziente Prozesse hilft, Zeit zu sparen. Bewerbungen sollten priorisiert und nicht nebenbei abgearbeitet werden. HR-Teams brauchen in diesem Zusammenhang das nötige Vertrauen und die Befugnisse, um Entscheidungen zügig zu treffen. Ein schnellerer Prozess funktioniert aber nur, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Abstimmungen zwischen HR, Fachabteilungen und Führungskräften sollten reibungslos ablaufen, damit Bewerber nicht unnötig lange auf eine Rückmeldung warten. Strukturierte Prozesse mit klar definierten Schritten können so Verzögerungen verhindern.

Sie sprechen unter anderem von „Kurzprofilen“. Wie genau kann diese Alternative das Bild eines Bewerbers authentischer machen als das klassische Anschreiben?

Hustedt: Mit Kurzprofilen sind insbesondere LinkedIn und Xing gemeint. Ein gut gepflegtes Profil auf diesen Social-Media-Plattformen sagt oft mehr als ein klassischer Lebenslauf. Neben den beruflichen Stationen lassen sich dort auch Interessen, Netzwerke und Engagement erkennen. Während ein Anschreiben häufig darauf abzielt, die Erwartungen des potenziellen Arbeitgebers zu erfüllen, zeigt ein LinkedIn-Profil, was eine Person wirklich sagen möchte. Fachliche Kompetenzen und persönliche Werte kommen dort gleichermaßen zum Ausdruck.

Warum sollten Führungskräfte nicht nur zuschauen, sondern aktiv beim Recruiting mitmachen? Wie verändert das den gesamten Prozess?

Hustedt: Die Zusammenarbeit beginnt nicht erst am ersten Arbeitstag. Wer frühzeitig involviert ist, kann direkt die richtigen Weichen stellen und Erwartungen auf beiden Seiten klären. Am Ende arbeitet der neue Mitarbeitende nicht für HR, sondern direkt mit ihrem zukünftigen Vorgesetzten. Eine aktive Teilnahme der Führungskräfte sorgt dafür, dass von Anfang an die passenden Menschen ins Team geholt werden. Weniger Unsicherheiten bedeuten einen einfacheren Start. Wenn Fragen und Unklarheiten im Vorfeld aus dem Weg geräumt werden, starten neue Teammitglieder mit einem sicheren Gefühl in ihre neue Rolle.

Das Stichwort „Effizienz“ fällt oft im Zusammenhang mit Digitalisierung. Wie lässt sich Technologie im Recruiting so nutzen, dass der menschliche Faktor nicht verloren geht?

Hustedt: Moderne Technologien sollten Recruitern nicht Arbeit wegnehmen, sondern sie dabei unterstützen, mehr Zeit für das Wesentliche zu haben: den Menschen. Automatisierte Prozesse entlasten, sodass der Fokus auf persönlichen Gesprächen und echter Interaktion liegt. Gute Digitalisierung geht Hand in Hand mit zwischenmenschlicher Kommunikation. Digitale Lösungen machen Bewerbungsprozesse transparenter. Eine klare Kommunikation und ein strukturierter Ablauf schaffen Vertrauen und ein positives Bewerbungserlebnis.

Wie sehen Sie die Zukunft des Recruitings? Welche Veränderungen werden wir in den nächsten Jahren erleben und was können Unternehmen heute schon tun, um sich darauf vorzubereiten?

Hustedt: Der Fachkräftemangel und die Überalterung des Arbeitsmarkts stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Wer jetzt nicht handelt, hat es in der Zukunft noch schwerer die richtigen Talente zu gewinnen. Bestehende Lösungen wie Headhunting, gezieltes Recruiting-Marketing und Employer Branding sollten aktiv genutzt werden. Wer sich als attraktiver Arbeitgeber positioniert, bleibt auch langfristig wettbewerbsfähig. Recruiting muss wie Werbung gedacht werden. Unternehmen, die Talente ansprechen wollen, brauchen eine klare Strategie und eine ansprechende Präsenz, um die besten Kandidatinnen und Kandidaten für sich zu gewinnen.

Jan-Niklas Hustedt

ist Geschäftsführer der Sparkassen-Personalberatung GmbH. Seit knapp 10 Jahren im Bereich der Personalberatung tätig, beschäftigt er sich vor allem mit den Themenfeldern Recruiting und Personalgewinnung.