Prävention
Bewegungsmangel aktiv angehen – aber wie?
9,2 Stunden – so lange sitzen die Deutschen im Schnitt täglich. Das zeigt eine aktuelle Studie der Deutschen Sporthochschule Köln und der Deutschen Krankenversicherung (DKV). Bewegungsmangel erhöht das Risiko für Herzinfarkte, Typ-2-Diabetes und Krebs, begünstigt aber auch die Entstehung von depressiven Verstimmungen. Die Sportmedizinerin Dr. med. Anne Umgelter zeigt auf, wie ein gesundheitsverträgliches Verhalten gefördert werden kann.
Dr. med. Anne Umgelter
ist Fachärztin für Innere Medizin und Sportmedizin. Sie ist als Leitende Ärztin im Check-up-Zentrum von Sana Praevention in München tätig
Sie betreuen Olympiasieger und Weltmeister. Wie lässt sich das mit der Betreuung von Patienten aus dem „normalen Berufsleben“ verbinden?
Anne Umgelter: Im Prinzip unterscheidet sich unsere Arbeit mit Hochleistern systematisch nicht besonders von der Betreuung eines Patienten, der ein individuelles Bewegungskonzept von uns möchte. Es geht in allen Fällen um eine gesamtheitliche Analyse der Person und die Erarbeitung eines individuellen Gesundheitskonzepts für diesen Patienten im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Welche Erwartungen haben die Patienten, die zu Ihnen kommen?
Umgelter: Es gibt im Wesentlichen zwei Motivationsfelder. Eine Motivation für den Besuch unserer Praxis kann der Wunsch nach einer Leistungssteigerung im physischen oder mentalen Bereich sein. In den anderen Fällen handelt es sich um ein konkretes gesundheitliches Problem, wobei es häufig auch um einen Leistungsabfall in mentaler Hinsicht geht. In beiden Fällen ist es wichtig, das richtige Bewegungskonzept zu entwickeln – selbstverständlich im Krankheitsfall an erster Stelle gekoppelt an die notwendigen medizinischen Maßnahmen.
Welche Voraussetzungen muss man für ein Trainingsprogramm mitbringen?
Umgelter: Die mit Abstand wichtigste Voraussetzung ist die Entwicklung von Spaß an der Bewegung – weg mit dem Leistungsstress. Sowohl für den Einstieg als auch für sinnvolle regelmäßige Bewegung ist es wichtig, sich nicht zu überfordern und ein Programm zu verfolgen, dass den individuellen körperlichen Gegebenheiten entspricht. Es stellen sich dann oft erstaunlich schnell Erfolgserlebnisse in physischer und in psychischer Hinsicht ein. Und das motiviert, weiterzumachen.
Sie erarbeiten also auch Trainingspläne für die Patientin oder den Patienten?
Umgelter: Nach Abschluss einer ausführlichen Anamnese folgt erstmal die Diagnostik mit modernster Technik inklusive kardiologischer, internistischer und sportmedizinischer Checks, zum Beispiel Laktatleistungsdiagnostik und Spiroergometrie. Sobald wir ein umfassendes Bild haben, geben wir den Patienten Hilfestellungen im Bereich Bewegung mit. Wir stellen dabei häufig fest, dass Freizeitsportler grundlegende Fehler bei der Gestaltung ihrer Trainingsprogramme machen. Sie wundern sich dann, dass sie sich nicht wohl damit fühlen oder keine Leistungssteigerung dabei generieren. Neben der Unterstützung im Bewegungsbereich ist für uns dabei das Thema Ernährung sehr wichtig.
Sie sprechen im Zusammenhang mit Bewegung beziehungsweise Bewegungsmangel auch über die Psyche. Wo besteht da ein Zusammenhang?
Umgelter: Ich war die letzten sechs Jahre intensiv im Bereich der Psychosomatik tätig. Das war eine sehr hilfreiche Erfahrung, auch für das Thema Prävention. Natürlich kann Bewegung allein ein Burn-out oder eine Depression nicht kurieren, geschweige denn schwerere psychische Erkrankungen. Aber wir lernen aktuell, dass eine angepasste Bewegungsstrategie bei der Heilung enorm unterstützen kann – auch über andere therapeutische Behandlungen hinaus. Auch hier ist es besonders wichtig, die Patienten entlang ihrer Möglichkeiten an das Thema heranzuführen, damit sie kurzfristig Erfolgserlebnisse haben. Und in Bezug auf die Prävention kann gut justierte sportliche Betätigung auch einen sehr effektiven Schutz gegen depressive Episoden, Angststörungen und ein Burn-out bilden.
Gegen welche physischen Krankheitsbilder ist präventive Bewegung besonders wirksam?
Umgelter: Ich würde es unter dem Begriff Zivilisationskrankheiten zusammenfassen – und hier ist leider eine enorme Zunahme zu verzeichnen. Schon Bewegungsmangel in Verbindung mit Stress und ungesunder Ernährung ist eine sehr ungute Mischung, für die der Mensch in der Evolution nicht konstruiert wurde. Wir wissen heute, dass eine gute Zusammenarbeit zwischen einem bewegungswilligen Patienten und einem Präventionsmediziner die Wahrscheinlichkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der Entwicklung von Diabetes, vielen orthopädischen Problemen und sogar einer Vielzahl von Krebserkrankungen maßgeblich entgegenwirken kann.
Und wo würden Sie ansetzen, um Prävention in der Breite zu kommunizieren?
Umgelter: Grundsätzlich stelle ich erstmal immer wieder fest, dass für die Patienten schon ein klares Bild über die eigene körperliche Verfassung ein enormes Erfolgserlebnis mit sich bringt. Also zu wissen, wo man steht. Diese Tatsache muss man kommunizieren. Außerdem wird dieser Tage sehr viel über Fachkräftemangel und Mitarbeitermotivation diskutiert. Ich glaube, dass die Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Check-up-Untersuchungen anbieten sollten. Zum Nutzen beider Seiten.
Redakteurin
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