Risikomanagement

Krisensicher aufgestellt: Wie Risikomanagement den Unterschied macht

Von der existenzbedrohenden Krise im Betrieb bis zum kleinen Malheur im Privaten: Wir alle sind permanent in schwierigen Momenten und reagieren oft falsch. Wenn im Management der Instinkt übernimmt, führt das selten zum besten Ergebnis. Wie man Risiken optimal managt und sich auf Krisenmomente vorbereitet.

Krisensichere Risikovorsorge

19.12.2024

Krisensicher aufgestellt: Wie Risikomanagement den Unterschied macht

Nicola Richter
Nicola Winter war 14 Jahre Kampfjet-Pilotin bei der Bundeswehr, wechselte dann zu McKinsey und ist heute Dozentin für Krisen-management sowie Rettungspilotin beim ADAC

Es gibt ein paar wenige Berufe, die gibt es eigentlich nur im Fall einer Krise. Kampfjet-Piloten zum Beispiel. Da oben muss man in Sekundenbruchteilen entscheiden. Mal, um das eigene Leben zu retten, mal das von Zivilisten oder das von Kameradinnen und Kameraden. Und natürlich geht es auch darum, wann man den Knopf drückt und womöglich Leben vernichtet – wofür in der deutschen Bundeswehr übrigens keineswegs nur der verantwortlich ist, der den Befehl gibt.

Nicola Winter war 14 Jahre Kampfjet-Pilotin der Bundeswehr und ist heute unter anderem Dozentin für Krisenmanagement. Sie berät Managerinnen und Manager, wie der beste Mix aussieht für die Reaktionen in schwierigen Momenten. Worauf kann man sich wie vorbereiten? Was braucht es für die Handlung in Situationen, die man nicht kommen sehen kann?

Vorbereitung ist alles

Winter hat diverse Muster identifiziert, wie Menschen auf unvorhergesehene Situationen reagieren können. Dazu gehören auch Momente, in denen sie schlicht vom Plan abweichen müssen. „Das Erste, was man verstehen muss, ist, dass ein Krisenmanagement nur so gut sein kann, wie es die Vorbereitung war“, erklärt Winter im DUP-Podcast „Der Moment“: „Wenn ich völlig unvorbereitet in eine Krise stolpere, dann habe ich mir selbst eine schöne Herausforderung gebaut.“

Sie gibt ein Beispiel aus dem Privatleben: Sitzt sie mit dem Baby im Auto, kann sie kaum anders, als prä- ventiv zu überlegen, was sie tut, wenn jemand anders einen Unfall hat und sie zur Unfallstelle kommt. „Wie helfe ich jemandem, wenn ich mich gleichzeitig um ein kleines Baby kümmern muss?“ Sie baut sich dafür einen Plan im Kopf, wann was getan werden soll – und was nicht. Genauso empfiehlt sie Managerinnen und Managern, einen Plan zu haben, wenn Mitarbeitende ausfallen oder sonstige Schwierigkeiten auftreten. Nach ihrer Erfahrung, die übrigens auch eine Zeit als Beraterin bei McKinsey einschließt, passiert das viel zu selten.

Es gehe darum, die eine Schrecksekunde zu überwinden, wenn ein externer Schock passiert oder schlicht eine Mail eintrudelt mit ungutem Inhalt. Sich eben nicht aufregen, nicht emotional aus dem Bauch heraus reagieren, sondern einen Ablauf aktivieren. Das ist schwer, denn in uns drin ist immer noch diese evolutionäre Steinzeitreaktion. Fight, flight or freeze. Also kämpfen, weglaufen oder sich tot stellen. „Das bringt uns alles nicht weiter. Ich muss kurz durchatmen. Ich darf nicht dem ersten Impuls folgen“, erklärt sie. Oft reicht es schon, die Situation nicht schlimmer zu machen. Mal ist es Fahrerflucht, mal scheuchen Führungskräfte alle Mitarbeitenden auf.

Krisen vorausberechnen

Ihre Erfahrungen als Beraterin haben ihr gezeigt, wie weit entfernt die allermeisten Führungskräfte vom Jet-Piloten sind. Viele sind nicht im Augenblick unterwegs, sondern woanders. „Ich fand es sehr erschreckend, weil die auch fast durch die Bank weg in unglaublichem Aktionismus unterwegs waren und bei all den Meetings sehr wenig Ruhe dabei hatten“, erklärt Winter. Sie hat keinen großen strategischen Überblick bemerkt, und viele haben sich im Klein-Klein verloren.

Was in Krisenmomenten hilft, ist, sich alles anzuschauen, was man im Augenblick zur Verfügung hat. Welche Optionen gibt es? Was sind wirklich belastbare Fakten, um dann eine Entscheidung zu treffen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen? Sie rät, Situationen Schritt für Schritt zu analysieren, eine Aktion nach der anderen auszuführen.

Risikobereitschaft

Carina_Kozole
Carina Kozole ist Managing Director und Chief Risk Officer bei N26. Sie verant-wortet die Risikostrategie, -richtlinien und -steuerung der digitalen Bank

Das beste Krisenmanagement ist natürlich, eine schwierige Situation gar nicht erst entstehen zu lassen. Risikomanagement ist allerdings in der VUCA-Welt von heute komplexer denn je. Besonders heikel ist das Managen von Risiken bei Banken, wo Vertrauen die härteste Währung ist. Wenn Kundinnen und Kunden nicht das Gefühl haben, dass ihr Geld zu 100 Prozent sicher ist, kann ein Geldhaus zumachen. Früher betraf das den Tresorraum, heute ist es viel komplexer. Das weiß kaum jemand besser als Carina Kozole, die Risikovorständin von N26 – offiziell CRO genannt. Sie misst mit ihrem Team tagtäglich die bestehenden Risiken. Das sind bei einer Digitalbank wie N26 vor allem die nichtfinanziellen Risiken wie Cyberangriffe, Outsourcing- oder Conductrisiken: „Wenn du als Bank eine große Verantwortung hast für mehrere Millionen Kunden, dann musst du einfach sicherstellen, dass das System nicht gehackt werden kann und dass niemand in das System hineinkommt“, erklärt Kozole im DUP- Podcast „Der Moment“.

Dazu kommen Themen wie Geldwäsche und Fraud, also Betrug. Immer mehr Menschen bezahlen digital, und die Methoden der Betrüger werden immer ausgefeilter. E-Mails sehen täuschend echt aus und sind dank KI inzwischen auch sprachlich gut formuliert. Omas bekommen Anrufe von ihren Enkelinnen – oder zumindest deren täuschend echt klingenden Stimmen – und werden um Geld gebeten. Wer wie N26 Instant Payment anbietet, also die Option, mit quasi einem Klick Geld zu überweisen, muss Menschen auch vor sich selbst beschützen.

Kozole und ihr Team haben für diese verschiedenen Betrügereien in den letzten Jahren KI-Modelle entwickelt, die Kriminelle auslesen, bevor sie auf die Plattform kommen. „Wir arbeiten mit einem KI- Modell, das Hunderte Datenpunkte abfragt“, erklärt Kozole und betont, wie bedeutend das Problem ge- worden ist: „Je instabiler die Sicherheitslage in der Welt ist, umso stärker hat man das Thema Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung. Wir schützen uns, unsere Kunden, helfen aber auch, dass sehr schlimme Sachen nicht finanziert werden.“

Sicherer als das Kopfkissen

Dass die Unternehmen es nicht allzu eilig haben, sich vor den Risiken von Cyberangriffen zu schützen, zeigt die aktuelle Diskussion rund um NIS-2. Deutschland hinkt bei der Umsetzung der EU-Verordnung, die Betriebe sicherer machen soll, stark hinterher. Banken müssen da weiter sein als ein Industriebetrieb, und Kozole sieht das Finanzsystem „gut aufgestellt“, auch wenn Deutschland in der Regulatorik teilweise noch nicht Schritt halten kann. „Es ist sicherer, sein Geld auf der Bank zu haben als irgendwo unter dem Kopfkissen.“