Mit klarer Remote-Strategie und gezieltem Leadership schaffte es das österreichische Start-up Storyblok mit seinem Content-Management-System (CMS), global zu skalieren. Dominik Angerer, Co-Gründer und CEO des Unternehmens, hat mit seinem Partner früh international gedacht, eine harte Auswahl bei Führungskräften etabliert und ein Produkt im Angebot, das Entwickler und Marketer gleichermaßen überzeugt.
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Sie sind mit Storyblok mittlerweile in 130 Ländern aktiv, sind kürzlich auf den US-Markt gegangen und liefern Ihr CMS sogar in China aus. Wie hat das alles begonnen?
Dominik Angerer: Wir sind 2016 zu zweit gestartet – komplett gebootstrappt, aus einer Agentur heraus. Das CMS, das wir damals genutzt haben, wurde aufgekündigt. Deshalb brauchten wir schnell etwas Neues – etwas, das Entwicklern und Marketingteams gleichermaßen hilft. Die existierenden Lösungen funktionierten entweder nur für die einen oder die anderen, waren entweder gratis oder sechsstellig teuer. Also haben wir selbst gebaut. Drei Monate nach der Gründung waren wir profitabel.
Wie kamen Sie so schnell zu Wachstum?
Angerer: Weil wir das Produkt so aufgesetzt haben, dass es weltweit funktioniert. Unsere Website war von Tag eins an nur auf Englisch. Für uns gab es keinen Grund, nur auf österreichische Kunden zu setzen. 2018 kam dann der Aha-Moment: In einem Video sagte jemand, die besten Verkäuferinnen Europas finde man in Barcelona, weil sie sieben Sprachen sprechen. Die besten Finanzleute – in der Schweiz. Da war klar: Wer glaubt, die besten Leute wohnen im Umkreis von fünf Kilometern, wird scheitern.
Das klingt stark nach „Remote first“ – lange vor der Coronapandemie.
Angerer: War es auch. Mein Mitgründer lebt in Brasilien, ich in Österreich – zeitzonentechnisch perfekt, aber auf Dauer nicht skalierbar. Der Wendepunkt war 2020, als uns ein potenzieller Kunde 350.000 Dollar auf den Tisch legen wollte – und dann zurückzog, weil wir nur zu zweit waren. Da sind wir für sechs Monate nach London gegangen, in ein Founders-Programm, und wurden 20 Stunden am Tag gecoacht. Danach waren wir zwölf Leute im Team.
Wie haben Sie es geschafft, die Struktur für schnelles Wachstum zu legen?
Angerer: Wir haben von Anfang an Prozesse gebaut, die auf Skalierbarkeit ausgelegt sind. Keine Büros, 100 Prozent remote, Slack statt E-Mail, automatisierte Tools, ISO-konform von Tag eins. Und dann haben wir gezielt Leadership gesucht: Für unsere Stelle Vicepresident of Sales haben wir 47 Kandidaten interviewt. Der einzige, der auf unsere absichtlich schlechte Organisationsidee sagte: „Das ist Bullshit“ – den haben wir genommen. Solche Leute brauchst du, wenn du etwas aufbauen willst.
Sie sagen, dass ein einziger Fehlgriff in der Führung Millionen kosten kann. Wie meinen Sie das?
Angerer: Vor zweieinhalb Jahren wollten wir mit einem General Manager den US-Markt aufbauen, dabei haben wir uns komplett verschätzt. Ein falscher Hire hat uns Monate gekostet. Technische Probleme kann man lösen, Marketing auch. Aber wenn du die falsche Führungsperson reinholst, beschädigst du Kultur, Struktur und Vertrauen. Das ist toxisch und teuer.
Wie reagieren Sie auf kulturelle Unterschiede zwischen Europa und den USA?
Angerer: Indem wir keine Mauern aufbauen. Ich spreche nie vom „US-Team“, sondern von einer Firma. Aber klar: Die Amerikaner brauchen andere Logos, andere Argumente. Wir sind dort gerade wieder in einer Art Start-up-Modus. Deshalb haben wir ein Personalteam, das überproportional groß ist. Mit einem klaren Code of Conduct und viel Training. Gruppenbildung ohne Intention ist Gift, also investieren wir früh, um das zu vermeiden.
Wie behält man bei all dem Wachstum den Produktfokus?
Angerer: Durch Struktur. Wir haben drei Advisory-Boards: eins mit Executives, eins mit Agenturpartnern, eins mit Kundinnen und Kunden. Feedback kommt aus allen Märkten und geht direkt ins Produkt. Zusätzlich arbeiten wir mit Shape Up statt Scrum: feste Zyklen, kleiner Scope, keine Feature-Ballerei. Und wir lassen unsere Büros mit Kunden arbeiten. Sie sind keine Projektmanager, sondern Product-Owner.
Welche Rolle spielt externes Kapital in Ihrer Expansionsstrategie?
Angerer: Kapital ist nicht das Entscheidende, sondern vielmehr die Frage, wann du es einsetzt. Investoren wollen Globalisierung. Aber in der Frühphase musst du selbst verkaufen, selbst die Pain-Points der Kundinnen und Kunden spüren. Erst wenn du das verstanden hast, kannst du die Umsetzung delegieren. Wir hatten lange nur elf Millionen Euro eingesammelt, sind profitabel gewachsen, bewusst langsam. Skaliert haben wir erst mit dem richtigen Setup.
Was raten Sie anderen Gründerinnen und Gründern für den Schritt in die USA?
Angerer: Nicht zu früh rübergehen, baut zuerst Europa auf. Wenn ihr Marktführer in eurem Bereich seid, seid ihr in den USA eine Referenz. Wenn nicht, seid ihr einer von vielen. Die Zeitzonen sind ein Riesenthema, unterschätzt das nicht. Und wenn es dann einen echten Pull gibt – von Kunden, Partnern, dem Markt –, dann geht rüber. Aber nicht einfach, „weil man muss“.
Was ist Storybloks USP – technisch gesehen?
Angerer: Wir kombinieren Headless CMS mit einem echten Visual Editor. Entwickler arbeiten API-basiert, Marketer klicken sich durch die Vorschau und ändern Inhalte direkt. Es ist wie ein Webpage-Builder, aber in einer Enterprise-Architektur. Unser gesamtes Produkt ist UX-getrieben. Das ist kein einzelnes Feature, sondern ein durchdachtes System, das Entwickler und Marketing gleichermaßen bedient.
Und wie greifen Sie das Thema KI auf?
Angerer: Wir haben eine Ideas-Umgebung mit KI-Assistenz, ein Konzeptmodul, das automatisch Alternativtexte und Metadaten generiert. Unser Ziel ist eine automatisierte, personalisierte Content-Ausspielung auf verifizierter Datenbasis. Wir denken das Content-Management-System weiter – als Wissensbasis, die via Agenten zugänglich gemacht wird.


