Vier Worte haben gereicht. Vier Worte, um zig Tränen auszulösen. „Wie geht es dir?“, hatte Lunia Hara als neue Führungskraft voller Tatendrang zu Beginn ihres ersten Mitarbeitendengesprächs gefragt. Für ihr Gegenüber war dieses aufrichtige Interesse gleichermaßen überraschend wie berührend. Noch nie sei sie das in der Firma gefragt worden.
„So traurig die Begegnung war, so sehr prägte sie mich“, schreibt Hara nun in ihrem Anfang Mai erschienenen Buch „Empathische Führung“. Darin beschreibt sie einen neuen Führungsstil. Einen, der den Menschen samt fachlichen und persönlichen Schwächen, Stärken sowie Antreibern in den Mittelpunkt stellt. Das fördert nicht nur Vertrauen und Bindung – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels –, sondern bringt auch den Unternehmen effizientere und motiviertere Mitarbeitende. Denn empathische Führung ist durchaus leistungsorientiert. Auch hier gibt es Kritik, Absagen und Kündigungen. Nur die Haltung dahinter ist eine andere: eine empathische.

Theorie, kombiniert mit handfester Praxis
Das Konzept basiert auf vier Säulen: Menschlichkeit, Selbstreflexion, Offenheit und Feedback. In ihrem Buch erklärt Hara die theoretischen Grundlagen, teilt persönliche Erfahrungen und gibt anhand der Führungserfahrung des fiktiven Mitarbeiters Kirtan Schmidt ganz praktische Handlungstipps, vom Bewerbungsgespräch über Gehaltsverhandlungen bis zur nötigen Kündigung. Fast ein bisschen zu empathisch, um wahr zu sein. „Kirtan ist vielleicht nicht die Norm“, sagt Hara dazu. „Aber er ist möglich. Und irgendwann wird aus Einzelfällen die Norm. Gerade in der mittleren Führungsebene gibt es Menschen, die genug haben von Machtspielchen und Mikromanagement.“
Mittelstand profitiert von mehr Empathie
Aber wie verhält es sich mit mittelständischen Unternehmen? Oft inhabergeführt, kleine Teams, viel direkter Kontakt über alle Ebenen. Da geht es doch automatisch menschlicher zu. „Ich glaube, in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen ist das Bewusstsein für den Menschen tatsächlich da – aber das heißt nicht automatisch, dass empathische Führung auch wirklich gelebt wird“, sagt Hara. Oft seien die Argumente fehlende Zeit und dass es doch auch so funktioniere. „Dabei kann empathische Führung gerade bei KMU, wo die Hierarchien flacher sind und der persönliche Kontakt eine größere Rolle spielt, eine enorme Wirkung entfalten.“ Und das heiße nicht, ständig nett zu sein oder alles durchgehen zu lassen. Ja, es gehe um zufriedenere Mitarbeitende, aber genau die seien eben der Schlüssel zum Erfolg.
Für alle, die das einfach mal ausprobieren wollen, empfiehlt Hara einen einfachen, aber vielleicht sehr verändernden ersten Schritt: „Stell in der nächsten Woche einer Person im Team die Frage, was sie gerade braucht – auch von der Führung –, um ihre Arbeit gut machen zu können. Und dann: wirklich zuhören, aushalten, reflektieren.“