Was trägt Sprache zur Führungsstärke bei? Tijen Onaran, Unternehmerin, Bestsellerautorin und gefragte Kommunikationsexpertin, erklärt, wie präzise Formulierungen Vertrauen stiften, warum Wiederholung ein Mittel gegen Fake News ist – und wieso Mut und Empathie ein sprachliches Zwillingspaar bilden.
Tijen Onaran, erfolgreiche Unternehmerin und bekannt aus der TV-Show „Die Höhle der Löwen“, spricht im Interview mit DUP UNTERNEHMER über die Kunst, in Zeiten von Dauerkrisen, Online-Meetings und Polarisierung die richtigen Worte zu finden – und über die Verantwortung von Führungskräften, Diskursräume zu gestalten statt auszuweichen.
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Sie sagen: „Nur wer’s richtig sagt, kommt ans Ziel.“ Was macht eine Formulierung aus, die im Krisenmoment nicht nur reagiert, sondern Führung erzeugt?
Tijen Onaran: Klarheit. Menschen wollen sich orientieren, an Worten und Taten. Wer in der Lage ist, in der Krise klar zu kommunizieren, ist auch in der Lage, diese Krise zu meistern. Herumschwurbeln oder um den heißen Brei herumreden lässt Menschen verzweifeln beziehungsweise führt dazu, dass sie sich an denen orientieren, die Klarheit und Bestimmtheit ausstrahlen.
Sie definieren Mut als die Bereitschaft, Entscheidungen sichtbar zu treffen – auch unpopuläre. Wie lässt sich dieser Mut sprachlich so verpacken, dass er Vertrauen weckt?
Onaran: Mut und Empathie sind verwandt. Denn um mutig zu sein, braucht es das richtige Gefühl, eine Entscheidung nicht nur zu treffen, sondern sie auch zu vertreten. Wer Empathie mitbringt, wird die richtigen Worte finden. Lieber ein ehrliches Nein als ein unehrliches Ja – so lautet die Devise bei unpopulären Entscheidungen. Nichts schafft mehr Distanz als das Hinausschieben und blumige Umschreiben von unpopulären Entscheidungen.
Wie helfen präzise sprachliche Strategien dabei, eine klare Haltung in Feedback-Situationen oder bei Kündigungen zu transportieren, ohne persönlich angreifend zu wirken?
Onaran: Wer in angespannten Diskussionen viel argumentiert, verliert. Mit dem Verlust meine ich vor allem den Vertrauensverlust des Gegenübers. Nehmen wir die konkrete Situation eines Feedbacks, von dem man zu Beginn des Gesprächs weiß: Es wird kein angenehmes Gespräch. Natürlich ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen. Allerdings ist es auch wichtig, dem Gegenüber, der Person, der ich Feedback gebe, Zeit zu lassen, alles zu verstoffwechseln – wie es so schön heißt. Daher gilt es, Sätze behutsam zu wählen und trotzdem nicht an Klarheit zu verlieren.
Online-Meetings geraten oft in emotionale Schieflagen. Welche konkreten Sprachwerkzeuge nutzen Sie, um Gesprächsverläufe bewusst wieder zu fokussieren und ein konstruktives Mindset zu sichern?
Onaran: Zunächst beschränke ich Online-Meetings auf maximal 30 Minuten. Denn ab einer halben Stunde, meist schon früher, beginnt der Konzentrationsverlust. Zudem kläre ich zu Beginn des Gesprächs, worum es gehen soll und was das Ziel ist. Wer von Anfang an weiß, worum es geht, wird sich im Gesprächsverlauf schneller an dieses Ziel erinnern können als ohne die klare Eingrenzung zu Beginn. Zum Ende des Gesprächs fasse ich meist zusammen, worum es ging und worauf sich verständigt wurde – auch für mich als Reminder. Konstruktive Meetings zeichnen sich durch Effizienz und Klarheit aus. Wer unklar ein Meeting verlässt, ob on- oder offline, wird auch unklare Ergebnisse bringen, und das wiederum führt zu emotionaler Schieflage.
Lieber ein ehrliches Nein als ein unehrliches Ja – so lautet die Devise bei unpopulären Entscheidungen
Tijen Onaran
Sie führen Initiativen wie Global Digital Women und ACI Diversity Consulting – wie können Führungskräfte Begrifflichkeiten in ihren Teams etablieren, die Diversity nicht einmalig, sondern dauerhaft verankern?
Onaran: Zunächst gilt es, Begrifflichkeiten im Diversity-Kontext überhaupt erst mal zu definieren. Nicht jeder oder jede ist im Diversity-Diskurs so verankert, dass Debattenbegriffe klar sind. Was für die einen ein selbstverständlicher Gebrauch von Begriffen wie „unconscious Bias“ ist, ist für andere ein unbegreifliches Nirvana, das durch Unwissen Angst macht. Die Kunst ist: Diskurs, denn Diversität heißt Diskurs. Viel entscheidender als konkrete Begrifflichkeiten ist aus meiner Erfahrung der Raum für Meinungsvielfalt. Und das ist die Verantwortung der Führungskräfte – so unterschiedlich politische Meinungen in der Gesellschaft derzeit sind, so sind sie es auch in Unternehmen. Wer hier Raum für echte Meinungsvielfalt lässt, versteht den Urkern jeglicher Diversity-Debatte.
Welche sprachlichen Leitplanken setzen Sie in hitzigen Diskussionen, um emotionale Eskalationen in sachliche, strategische Gespräche zu verwandeln?
Onaran: Es gibt verschiedene Kommunikationstaktiken, um eine emotional aufgeladene Debatte abkühlen zu lassen. Die Fragetechnik nutze ich beispielsweise sehr gern. Hier stelle ich Fragen zu dem Hintergrund einer These, Meinung oder Position. Vorurteilsfrei und offen. Aus den Fragen ergibt sich meist ein offenes Gespräch. Wichtig ist auch, zwischen der Position und der Persönlichkeit meines Gegenübers zu unterscheiden: Diskutiere ich mit meinem Kollegen, oder diskutieren wir auf persönlicher Ebene?
Welche sprachlichen Tugenden halten Sie für entscheidend, damit Führungskräfte Vertrauen schaffen und Orientierung bieten?
Onaran: Die Kunst, Sprache nicht zu überfrachten. Natürlich sind Nuancen in der Wahl der Sprache wichtig, aber klare Sprache ist das Gegenteil von Eiertanz. Um Spaltung und Fake News entgegenzuwirken, braucht es das Stilmittel der Wiederholung. Denn Polemisierung und Hetzerei arbeiten genau mit eben jener stetigen Wiederholung unwahrer Behauptungen. Um dem entgegenzuwirken, braucht es ebenfalls Wiederholung. Denn Redundanz schafft Vertrauen.
Welche Tools zur Sprache und Haltung empfehlen Sie für Führungssituationen wie Pitches oder Liveauftritten?
Onaran: Meine Eltern haben mir immer mitgegeben: „Dir gegenüber sitzt erst mal ein Mensch.“ So banal es klingt, so wichtig ist dieser Hinweis in der Praxis. Oft beobachte ich Führungskräfte, die meinen, sie müssten plötzlich eine völlig neue Persönlichkeit sein, um einen Pitch zu gewinnen. Das ist nicht zielführend. Aus der Politik habe ich das Lesen des Publikums gelernt. Denn jeder Politiker und jede Politikerin muss in der Lage sein, schnell das Publikum zu analysieren und zu entscheiden, welche Themen am wichtigsten sind.


