DUP UNTERNEHMER-Magazin: Ist New Work für Sie mehr Hype oder echte Revolution?
Laura Bornmann: New Work ist keine kurzfristige Modeerscheinung, sondern eine tiefgreifende Transformation unserer Arbeitswelt. Es geht um mehr als moderne Bürowelten, agile Methoden und Homeoffice – im Kern steht ein kultureller Wandel hin zu Eigenverantwortung, Flexibilität und Sinnhaftigkeit in der Arbeit.
Diese Veränderung ist nicht nur gesellschaftlich wünschenswert, sondern dringend notwendig. Unternehmen stehen vor immer komplexeren Herausforderungen, die herkömmliche Strukturen, Prozesse und Kulturen an ihre Grenzen bringen. Um zukunftsfähig zu bleiben, braucht es neue Denk-, Arbeits- und Führungsweisen, die es jedem Einzelnen ermöglichen, sein Potenzial voll zu entfalten und einen echten Mehrwert zu schaffen.
Haben Sie das Gefühl, dass Flexibilität im Job wirklich mehr Freiheit bringt – oder nur zusätzlichen Druck?
Bornmann: Flexibilität kann sowohl Freiheit als auch Druck bedeuten. Einerseits ermöglicht sie eine individuellere Arbeitsgestaltung und fördert eine bessere Work-Life-Balance. Sie erleichtert die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und trägt damit auch zur Gleichstellung der Geschlechter bei – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Frauen immer noch den Großteil der Care-Arbeit übernehmen.
Zudem erlaubt sie es, den eigenen Arbeitsrhythmus an persönliche Leistungshochs anzupassen. Andererseits birgt Flexibilität auch Herausforderungen. Ständige Erreichbarkeit und die zunehmende Vermischung von Berufs- und Privatleben können zu zusätzlichem Stress führen. Ob Flexibilität als Gewinn oder Belastung empfunden wird, hängt entscheidend von klaren Rahmenbedingungen und gegenseitigem Vertrauen ab. Zudem erfordert sie neue Kompetenzen: Viele Menschen müssen erst lernen, mit dieser neuen Freiheit umzugehen, sich selbst zu strukturieren und gesunde Grenzen zu setzen.
Würden Sie sagen, dass New Work eher den Unternehmen oder den Mitarbeitenden nützt?
Bornmann: Genau hier sehe ich das Problem: Die Debatte wird oft zu einseitig geführt. Die Arbeitswelt hat sich schon immer verändert – weil sich Anforderungen wandeln und neue Lösungen entstehen müssen. New Work ist daher kein Selbstzweck, sondern ein Modell, das beiden Seiten zugutekommt: Mitarbeitende gewinnen mehr Selbstbestimmung, Entwicklungsmöglichkeiten und Lebensqualität, während Unternehmen von höherer Produktivität, größerer Zufriedenheit und stärkerer Innovationskraft profitieren.
Eine Weiterentwicklung von Arbeitsmodellen darf nicht nur das Wohl der Mitarbeitenden in den Fokus rücken, sondern muss auch den langfristigen Erfolg von Unternehmen sichern. Mehr denn je brauchen wir motivierte Menschen, die mit Leidenschaft und Engagement arbeiten. Unsere Aufgabe ist es, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Menschen ihr Potenzial voll entfalten können – zum Vorteil aller.
Glauben Sie, dass sich durch New Work die klassische Karriereleiter überlebt hat?
Bornmann: Wir sehen, dass sich das Verständnis von Karriere wandelt. Der lineare Aufstieg auf der Karriereleiter weicht einem komplexen, individuellen Konzept beruflicher Entwicklung. Zentrale Aspekte dieser Neuausrichtung sind die Sinnstiftung und persönliche Erfüllung in der Arbeit, flexible und diverse Karrierewege statt starrer Laufbahnen sowie kontinuierliches Lernen und Selbstreflexion als Schlüssel zum Erfolg. Agilität und Anpassungsfähigkeit in einer sich schnell wandelnden Arbeitswelt werden immer wichtiger. Die digitale Transformation schafft neue Berufsfelder und erfordert die Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung. Erfolg definiert sich zunehmend über persönliche Zufriedenheit und den Mehrwert, den man schafft – weniger über Titel oder Positionen.
Welche New-Work-Idee würden Sie sofort abschaffen, wenn Sie könnten?
Bornmann: Viele New-Work-Befürworterinnen und -Befürworter stellen Hierarchien grundsätzlich infrage – eine Haltung, die meiner Ansicht nach zu kurz greift. Hierarchien sind nicht per se schlecht, im Gegenteil: Sie können in unsicheren Zeiten Orientierung und Klarheit bieten. Statt sie abzuschaffen, sollten Hierarchien flexibler und kompetenzorientierter gestaltet werden – weniger an formalen Titeln und stärker an den tatsächlichen Fähigkeiten der Mitarbeitenden. Viel wichtiger jedoch finde ich, dass wir unser Verständnis von Führung weiterentwickeln, hin zu einem menschen- und potenzialorientierten Führungsstil.