Das deutsche Bildungssystem besteht in seinen Grundzügen seit dem 18. Jahrhundert und hat sich innerhalb kürzester Zeit völlig überlebt: Standardisiertes Denken an fest installierten Lernstationen mit „One size fits all“-Content taugt nicht mehr. „Batch processing“ – sprich: stupides Repetieren von Inhalten – stützt heute nur noch wenige Berufsbilder. Stattdessen sind jetzt MINT-Kompetenzen, Kreativität und Adaptionsfähigkeiten gefragt. Und gesicherte Bildung für alle – ob arm oder reich, Junge oder Mädchen.
Das Bildungsdilemma hat nach Ansicht von Peter H. Diamandis und Steven Kotler, Autoren des Bestsellers „The future is faster than you think“, zwei Facetten: Quantität und Qualität. Das sehe ich genauso. Die Probleme in beiden Bereichen sollen neue Technologien richten – bis 2030. Kann das gehen? Es muss, wenn wir nicht wollen, dass unsere Kinder international den Anschluss verlieren. Nur wie?
Mehr Quantität durch digitale Lernformate
Bildungsquantität, also mehr Lehrkapazität, kann definitiv durch deutlich mehr digitale Lernformate erreicht werden. Es braucht Tablets, Lernsoftware, Strom und 5G; Begeisterung und Eigenantrieb zum Lernen bringen die Kinder selbst mit. Diamandis und Kotler verweisen dahingehend auf einen spannenden Feldversuch von Nicholas Negroponte, Mitgründer des MIT Media Lab, 2012 in Äthiopien.
Ich schaue gar nicht so weit, sondern in meine eigenen Kinderzimmer: Ich muss keinen meiner Söhne überreden, ohne Bedienungsanleitung Smartphones und Tablets zu konfigurieren oder Videos eines nordfriesischen Mathematiklehrers anzuschauen. Bildung ist, wenn sie spannend und zeitgemäß gestaltet ist, so einfach skalierbar.
Neue Technologien unterstützen das Lernen
Die Bildungsqualität hingegen steigt aus meiner Sicht nicht automatisch, wenn Lehrbücher und Notizen auf dem Tablet verwaltet und digitale Schulmanagementsysteme installiert werden. Das ist die Pflicht, von der leider viele Schulen in Deutschland noch meilenweit entfernt sind. Die Kür ist es, durch neue Technologien die Lernmethodik zu verändern. Diamandis und Kotler erwarten, dass Content zunehmend individuell durch Künstliche Intelligenz gelenkt oder wirklich faszinierend durch Virtual Reality vermittelt wird. Denn was virtuell „erlebt“ wird, bleibt haften und führt nach Einschätzung der Autoren sogar zu mehr Empathie und Moralerziehung in der Realität.
Transformation des Bildungswesens – das heißt also, umgehend an allen Schulen digitale Infrastrukturen zu schaffen und massiv in die digitalen Kompetenzen der Lehrer zu investieren. Wenn sich dann noch die Lehrpläne stärker an Zukunftskompetenzen orientieren und sehr viel früher individuelle Schwerpunktsetzung ermöglichen, um Bildungschancen gerecht zu verteilen, dann kann die Transformation der Bildung gelingen. Willkommen im 21. Jahrhundert!