Mitarbeiterbindung in Zeiten der Rezession

Kommunikation ist in der Krise das A und O

Der größte Fehler, den Unternehmerinnen und Unternehmer in unsicheren Zeiten machen können? Die individuellen Bedürfnisse der Angestellten aus den Augen zu verlieren, sagen Jenny von Podewils und Kajetan von Armansperg, Gründer der People-Enablement-Plattform Leapsome. Zudem gilt: „Wir plädieren stets für eine offene und ehrliche Kommunikation“, betont von Armansperg. Das sei ein wichtiges Mittel, um die Mitarbeiterbindung zu stärken.

22.02.2023

Jenny von Podewils

ist Mitgründerin und Co-CEO der People-Enablement-Plattform Leapsome. Sie ist Alumna der Universitäten St. Gallen und Oxford sowie der Singularity University. Zuvor arbeitete sie beim Technologie-Unternehmen Younicos im Bereich Business Development & Sales

Kajetan von Armansperg

ist Mitgründer und Co-CEO von Leapsome. Er studierte Volkswirtschaftslehre und Management in Mannheim und Paris. Vor der Leapsome-Gründung verantwortete er beim Scale-up Funding Circle den Bereich Product

Die Ausgaben für Personalentwicklung werden reduziert, Entlassungen scheinen unvermeidbar: In Krisenzeiten ist das mitunter der erste Reflex von Unternehmerinnen und Unternehmern. Doch warum sollte gerade in schwierigen Phasen in die Mitarbeiterbindung investiert werden?

Kajetan von Armansperg: Motivierte Teams sind nicht nur leistungsfähiger, sondern auch resilienter und können Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil verschaffen. Aber solch eine krisenfeste Belegschaft entsteht nur, wenn Organisationen in die Entwicklung und Bindung ihrer Teammitglieder investieren. Gerade in unsicheren Zeiten haben Mitarbeitende oft Ängste und Sorgen, die sie in ihrem Arbeitsalltag beeinflussen. Für Führungskräfte ist es in solchen Situationen besonders wichtig, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der Mitarbeitende sich sicher, ernst genommen und wertgeschätzt fühlen. Dabei helfen transparente Kommunikation und ein stetiger Austausch zwischen Mitarbeitenden und der Führungsebene – nicht nur zu den wichtigsten Themen, sondern auch zu Fragen, Vorschlägen und der allgemeinen Stimmungslage. Das schafft ein „Wir sitzen alle im selben Boot“-Gefühl, bestärkt Teams und fördert die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens in unbeständigen Zeiten.

Die emotionale Bindung an den Arbeitgeber ist in Deutschland vergleichsweise gering ausgeprägt. Laut „Gallup Engagement Index 2021“ fühlen sich hierzulande nur 16 Prozent der Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber verbunden. Woran liegt das? Und welche Folgen hat die fehlende emotionale Bindung?

Jenny von Podewils: Jeder Mensch hat Interesse daran, sich selbst zu verwirklichen. Ohne den Sinn in ihrer täglichen Arbeit zu sehen, verlieren viele Menschen die Bindung zu ihrem Job. Sie sind weniger motiviert, leisten dadurch weniger und überlegen letztendlich, den Arbeitsplatz zu wechseln. Das hat direkte Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens. Personalentwicklung legt den Fokus voll und ganz auf die individuelle Befähigung der Teammitglieder. Gemeinsam mit ihren Führungskräften bestimmen Mitarbeitende, was sie erreichen wollen: Sie ergründen den Sinn und die Tragweite ihrer Arbeit für sich und für das Unternehmen. Durch regelmäßiges Feedback und Unterstützung arbeiten sie effektiv auf die gemeinsam gesteckten Ziele hin und bauen ihre Kompetenzen aus. So binden Unternehmen ihre Beschäftigten und schaffen eine gesunde Unternehmenskultur.

Von der Arbeit im Homeoffice über Workation und Vertrauensurlaub bis hin zum Zuschuss fürs Mittagessen, Jobrad und die bAV: Mögliche Benefits gibt es viele. Doch was ist wirklich ein echtes Plus für Angestellte, was wird inzwischen als „Standardleistung“ von einem Arbeitgeber erwartet?

von Armansperg: Nach den einschneidenden letzten drei Jahren achten viele Menschen vermehrt darauf, dass ihnen die Arbeit und ihr Arbeitsumfeld gut tun. Benefits, die auf die Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Beruf und Familie abzielen, sind heutzutage ganz normal – und das ist wichtig und richtig so.

Auf welche Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung setzen Sie in Ihrem Unternehmen?

von Podewils: Wir setzen auf klare und transparent kommunizierte OKRs, Feedback, individuelle Lernpfade sowie eine faire Vergütung. Unser Ziel ist es, die Zufriedenheit unserer Teammitglieder zu stärken und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das sie erfüllt. Dafür eröffnen wir allen Mitarbeitenden Wege, sich bei Leapsome zu entfalten und behalten ihre Bedürfnisse mit regelmäßigen Check-ins und Umfragen im Auge. Um auch die mentale Gesundheit unserer Teammitglieder zu fördern, ermöglichen wir ihnen kostenlosen Zugang zu maßgeschneiderter psychologischer Unterstützung.

Krisenzeiten verunsichern Angestellte. Angst, etwa vor Entlassungen, macht sich schnell breit – selbst dann, wenn Arbeitgeber nichts dergleichen planen. Wie schafft man also ein Gefühl von Sicherheit in der Belegschaft, um etwa auch ungewollte Fluktuation zu vermeiden?

von Armansperg: Wir plädieren stets für eine offene und ehrliche Kommunikation. In Krisenzeiten sollten Führungskräfte umso öfter mit ihrer Belegschaft in Dialog treten und transparent über die Zukunftspläne des Unternehmens sprechen. Mit anonymen Umfragen bekommen Verantwortliche ein aktuelles Stimmungsbild der einzelnen Teams und können bedürfnisorientierte Maßnahmen – beispielsweise zur internen Weiterbildung – einführen. So stärken sie nicht nur das Engagement von Mitarbeitenden, sondern signalisieren gleichzeitig, dass der Arbeitsplatz sicher ist.

Warum sind gerade Krisenzeiten der richtige Moment, um Kompetenzen weiterzuentwickeln und um in die Weiterbildung von Angestellten zu investieren?

von Podewils: Unsicherheiten sind wie eine Sturmwarnung: Auch wenn wir nicht genau wissen, was auf uns zukommt, möchten wir bestmöglich vorbereitet sein und uns schützen. Rollen Ungewissheiten und Veränderungen auf ein Unternehmen zu, treffen sie bestenfalls auf eine anpassungsfähige und gut ausgebildete Belegschaft. Kontinuierliche Investitionen in die Weiterbildung der Mitarbeitenden stärken Teams und erweitern stetig den Pool an Kompetenzen und Wissen im Unternehmen – und machen es so auf lange Sicht erfolgreich.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil brachte kürzlich eine gesetzlich geregelte Bildungszeit ins Spiel. Kann das dafür sorgen, dass sich mehr Berufstätige für Weiterbildungen entscheiden?

von Armansperg: Es freut mich, dass das Thema Bildungszeit nun im Fokus der öffentlichen Debatte steht. Das deutet darauf hin, dass die Politik die Bedeutung von Weiterbildung und lebenslangem Lernen als wichtigen Faktor für wirtschaftlichen Fortschritt anerkennt und Rahmenbedingungen schaffen möchte. Derzeit hört man unterschiedliche Meinungen von verschiedenen Interessengruppen zu diesem Thema. Wichtig ist, dass Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger den Diskurs aufmerksam verfolgen, da viele dieser Stimmen die Einstellung künftiger Generationen zum Arbeitsmarkt widerspiegeln.