Zukunft des Handwerks

„Zugehörigkeit zu einer größeren Gruppe bringt wirtschaftliche Stabilität“

Das deutsche Handwerk steckt in der Nachfolgekrise – und das nicht nur wegen der veränderten Erwartungen junger Generationen. Warum viele Betriebe keine geeigneten Nachfolger finden, welche Chancen in Kooperationen und moderner Präsentation liegen und wie Digitalisierung den Wandel erleichtern kann, erklärt Maurice Freiherr von Dalwigk, Geschäftsführer der Builtech Holding GmbH, im Interview.

Portrait, Maurice Freiherr von Dalwigk

24.03.2025

Zukunftsbranche Handwerk? Ohne Modernisierung und Nachwuchs bleibt es ein Wunschdenken. Das deutsche Handwerk kämpft nicht nur mit der herausfordernden wirtschaftlichen Lage – sondern seit Jahren auch gegen Talentemangel und die Nachfolgekrise. Manche Probleme davon haben nicht nur mit veränderten Ansprüchen der Gen Z und Co. zu tun, sondern sind hausgemacht. „Das Handwerk muss sich moderner präsentieren“, fordert Maurice Freiherr von Dalwigk, Geschäftsführer der Builtech Holding GmbH, im Interview. Die Handwerksbranche ist nach seinen Worten innovativer und zukunftsträchtiger als viele denken. Nur müsse diese Story bekannter werden. Zudem wirbt der Builtech-Chef für verstärkte Kooperationen und nennt die Vorteile, wenn vormals alleinkämpfende Handwerksbetriebe unter das starke Dach eines Verbundes schlüpfen.

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Warum ist die Nachfolgekrise im Handwerk so dramatisch – und warum reicht es nicht, nur auf familiäre Nachfolger zu setzen?

Maurice Freiherr von Dalwigk: Die Nachfolgekrise im Handwerk resultiert aus mehreren Faktoren. Viele junge Menschen wollen sich nicht mehr den hohen Belastungen und der Verantwortung eines Betriebs aussetzen. Gleichzeitig möchten Eltern ihren Kindern die gleichen Herausforderungen ersparen, die sie selbst erlebt haben. Zudem fehlen in den Betrieben geeignete Nachfolger, da viele Fachkräfte zwar operativ stark sind, aber sich die unternehmerische Verantwortung nicht zutrauen. Die steigende Bürokratie und komplexe regulatorische Anforderungen schrecken zusätzlich ab. Ein Handwerksbetrieb zu führen, erfordert heute weit mehr als handwerkliches Können – es braucht Management- und Compliance-Kenntnisse, die vielen potenziellen Nachfolgern fehlen oder diese nicht erwerben wollen.

Welche konkreten Maßnahmen helfen, traditionelle Handwerksbetriebe für die Gen Z attraktiver zu machen?

Von Dalwigk: Das Handwerk muss sich moderner präsentieren, um junge Menschen anzusprechen. Dazu gehört professionelles Marketing, das die Attraktivität der Berufe stärker in den Vordergrund rückt, sowie der gezielte Einsatz von Digitalisierung und Automatisierung, um den Arbeitsalltag effizienter zu gestalten. Auch die Ausbildung muss flexibler und schneller an neue Entwicklungen angepasst werden. Handwerksberufe bieten vielfältige Karrierechancen, doch das ist vielen nicht bewusst. Eine Ausbildung im Handwerk ist längst kein Sackgassenmodell mehr, sondern kann durch Weiterbildungen und Studiengänge ergänzt werden.

Wie profitieren Betriebe von einer Eingliederung in eine größere Unternehmensgruppe, ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren?

Von Dalwigk: Eine Unternehmensgruppe kann Betriebe in zentralen Bereichen wie Finanzen, HR, IT und Regulatorik entlasten, während sie gleichzeitig die unternehmerische Verantwortung beibehalten. Die Zugehörigkeit zu einer größeren Gruppe bringt zudem wirtschaftliche Stabilität und ermöglicht einen wertvollen Austausch mit anderen Betrieben. Gerade in Zeiten steigender Anforderungen profitieren Unternehmen von professioneller Unterstützung, die ihnen den Rücken für ihr Kerngeschäft freihält.

Welche Rolle spielt Digitalisierung bei der erfolgreichen Integration von übernommenen Betrieben in die Builtech-Gruppe?

Von Dalwigk: Digitalisierung ist ein zentraler Faktor für eine erfolgreiche Integration, da die Digitalisierungsgrade der übernommenen Betriebe oft stark variieren. Zunächst wird eine stabile IT-Infrastruktur geschaffen, bevor einheitliche Softwarelösungen wie ERP- und Baustellenmanagement-Systeme eingeführt werden. Um Akzeptanz zu schaffen, setzt Builtech auf Pilotprojekte, in denen neue Technologien praxisnah getestet werden, bevor sie flächendeckend ausgerollt werden.

Welche Hürden gibt es bei der Übergabe von Handwerksbetrieben – und wie können Unternehmer frühzeitig gegensteuern?

Von Dalwigk: Die größte Hürde ist fehlende Transparenz und eine zu späte Planung. Eine frühzeitige Strukturierung des Unternehmens erleichtert die Übergabe. Viele Unternehmer warten zu lange und laufen Gefahr, den Betrieb in wirtschaftlich schlechteren Zeiten abzugeben. Eine langfristige Planung stellt sicher, dass der Nachfolger gut eingearbeitet wird. Ein weiteres Problem ist die Fehleinschätzung potenzieller interner Nachfolger. Nicht jeder erfahrene Mitarbeiter eignet sich automatisch als Geschäftsführer. Der Wechsel von der zweiten in die erste Führungsebene erfordert unternehmerisches Denken und strategische Fähigkeiten, die realistisch bewertet werden müssen.

Ist der Buy-and-Build-Ansatz eine Blaupause für andere Branchen mit ähnlichen Nachfolgeproblemen?

Von Dalwigk: Der Buy-and-Build-Ansatz kann auch in anderen Branchen mit vielen wenig konsolidierten Unternehmen funktionieren. Entscheidend ist dabei nicht nur die finanzielle Strukturierung, sondern vor allem der menschliche Faktor. Erfolgreiche Integration hängt stark von der Unternehmenskultur und den handelnden Personen ab. In einigen Bereichen, wie beispielsweise im Tiefbau, gibt es bereits erfolgreiche Beispiele für diesen Ansatz. Allerdings hängt der Erfolg stark von den spezifischen Marktbedingungen ab.

Portrait, Maurice Freiherr von Dalwigk

Maurice Freiherr von Dalwigk

ist CEO der Builtech Holding GmbH glaubt, dass das Handwerk als Zukunftsbranche ohne Modernisierung und Nachwuchs Wunschdenken bleibt