VBW Bauen und Wohnen

Gemeinwohlorientierung fängt beim Menschen an

In der über einhundertjährigen Unternehmensgeschichte von VBW Bauen und Wohnen haben sich die Anforderungen an das Wohnen stark verändert. Geschäftsführer Norbert Riffel erklärt, wie das Bochumer Wohnungsunternehmen darauf reagiert und wie sich aus den Herausforderungen der Pandemie neue Stärken ergeben haben.

06.07.2022

Norbert Riffel

ist Geschäftsführer von VBW Bauen und Wohnen. Das 1916 gegründete Wohnungsunternehmen bietet in Bochum 12.600 eigene und 178 fremdverwaltete Wohnungen an.

Wie hat sich Ihr Business in den vergangenen Monaten entwickelt? Gibt es ein besonderes Learning aus der Coronakrise für Ihr Unternehmen?

Norbert Riffel: Die COVID-19-Pandemie hat bei uns für weniger Kundenkontakt und weniger Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen gesorgt. Gerade der Austausch intern, aber auch die Kommunikation von intern nach extern ist in der Wohnungswirtschaft von sehr hoher Bedeutung. Wo gewohnt wird, da wird gelebt – und gerade während der Coronakrise waren die eigenen vier Wände nicht nur der sicherste Ort im Lockdown, sondern sie wandelten sich auch zur Kindertagesstätte, zum Homeoffice-Platz und zur Selbstverwirklichung vieler kreativer Köpfe. Die Pandemie hat also den Begriff „Zuhause“ in ein völlig neues Licht gerückt; die Wohnung wurde zum räumlichen Zentrum des Alltagslebens. Weiter haben die Einschränkungen zu Bauverzögerungen geführt. Nicht nur die Baukosten sind durch den preislichen Anstieg von Material in die Höhe geschnellt, sondern auch Lieferketten wurden unterbrochen. Das führte in der Konsequenz zu einer Anpassung der Zeitpläne und einer Verschiebung der Fertigstellungsdaten. Rückblickend hat uns diese Entschleunigung aber beschleunigt. Wir haben trotz aller Einschränkungen unsere Dienstleistungen neu aufgestellt – und viel mehr noch – ausbauen können. Das kommt jetzt unseren Kundinnen und Kunden zugute. Gemeint sind unsere neuen KundenCenter im Quartier, durch die wir vor Ort intensivere Gespräche führen können. Und auch wirtschaftlich gesehen geht es uns gut, dank der souveränen Vorausplanung und dem schnellen Reagieren vor und während der Pandemie.

Was ist das Erfolgsrezept für Ihr Business - der Motor für Wachstum?

Riffel: Unsere „Strategie 2030“ mit den Strategiefeldern „Wachstum“ und „Digitalisierung“, „Nachhaltigkeit“ und „Bestand“, hat uns gut durch die Pandemie gebracht. Schon vor dem Ausbruch war und ist sie der Motor für die VBW. Unser gesamtes Handeln basiert auf unserer „Strategie 2030“. Wachstum ist wichtig, um unsere Quartiere auch zukunftsfähig zu gestalten. So haben wir 2021 richtig angepackt und es entstehen insgesamt 36.000 Quadratmeter neue Wohnfläche. Das sind etwa 450 neue Wohnungen für Bochumerinnen und Bochumer – zu 50 Prozent öffentlich gefördert. Welches Wohnungsunternehmen setzt heutzutage noch so stark auf eine derartige Gemeinwohlorientierung? Auf der anderen Seite steht die Digitalisierung. Hier haben wir jede Kollegin und jeden Kollegen mit einem Laptop und einem Smartphone ausgestattet. Hybride Meetings und hybrides Arbeiten – also sowohl im Unternehmen als auch mobil in den eigenen vier Wänden, beim Kunden oder im Café um die Ecke – sind für uns das Erfolgsrezept der Zukunft und zeigen, dass sich schnelle Anpassungen an die Umstände lohnen können.

Wie bleibt das Unternehmen neugierig und innovativ und was tun Sie im Management, um das zu fördern?

Riffel: Wir sind überzeugt, dass von intensiver Talentförderung bei der VBW alle profitieren – die Teammitglieder selbst, das Unternehmen und die Kundinnen und Kunden. Ein wichtiger Baustein dabei ist das wieder aufgelegte Programm „Zukunftsmacher“: Fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zu den Themen „Strategie & Organisationsentwicklung“, „Persönlichkeit & Zusammenarbeit“ und „Innovation & Digitale Transformation“ intensiv über anderthalb Jahre geschult. Darüber hinaus haben wir das Programm „Generation VBW: Vital und kreativ die Zukunft meistern“ als weitere Fördermaßnahme gestartet. Es richtig sich speziell an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die keine Führungsrolle innehaben, sich aber dennoch aktiv in die Veränderungsprozesse einbringen und diese mitgestalten wollen. Speziell gefragt sind langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen großen Erfahrungsschatz mitbringen, und auf eine lange Historie in unserem Unternehmen zurückblicken können. Ziel ist es voneinander zu lernen und den Mehrwert von Mehrgenerationen-Teams zu verstehen und zu verständigen. Überdies haben wir fest in unserem Organigramm die Abteilung „Unternehmensentwicklung“ mit dem Team „Innovation“ verankert. Auch das zahlt nicht nur auf unsere „Strategie 2030“ ein, sondern die dort entstehenden Projekte und visionäre Herangehensweisen sorgen auch für ein Plus an Gemeinwohl für Bochumer und Bochumerinnen.

Was ist die größte Stärke des Unternehmens? Trauen Sie sich auch eine Schwäche preiszugeben?

Riffel: Gemeinwohlorientierung fängt beim Menschen an. Deshalb sehen wir uns als ein Quartiers- und Stadtteilentwickler und schaffen Integration durch soziale Netze. Das gelingt durch die Nachbarschaftsinitiativen vor Ort, die wir durch unsere VBW Stiftung fördern und fordern. Darauf sind wir stolz. Gerade hierbei sehe ich aber auch noch Nachholbedarf bei uns, denn bis dato zeigen wir Stake- und Shareholdern, aber auch Kundinnen und Kunden und Bochumerinnen und Bochumern noch nicht mit genügend Nachdruck, wie gemeinwohlorientiert wird als Wohnungsunternehmen sind.

Was tun Sie, um den technischen beziehungsweise digitalen Anschluss nicht zu verpassen?

Riffel: Aus gebäudetechnischer Sicht haben wir das erste Energiesprong-Projekt im gesamten Ruhrgebiet verwirklicht, worauf ich sehr stolz bin. Um CO2-Neutralität in Europa zu erreichen, müssen auch Wohngebäude bei uns in Bochum energetisch saniert werden. An einem Bestandsgebäude aus den 1960er-Jahren haben wir das sogenannte „Energiesprong“-Verfahren angewendet. „Sprong“ ist niederländisch und steht für „Sprung“. Dabei werden Gebäude mittels moderner 3D-Technik zunächst millimetergenau vermessen, anschließend werden Fassaden- und Dachelemente dann passgenau und in Serie hergestellt. Und der Clou: Fenster, Türen und Gebäudetechnik wie Lüftungen und Rollläden sowie Solartechnik sind in diesen Elementen schon fix und fertig integriert. Am Ende werden die vorgefertigten Fassadenelemente dann wie eine zweite Außenhaut an das Gebäude gesetzt. Mit diesem Verfahren sind wir Vorreiter und Early Adopter auf dem deutschen Markt und können uns als lokales Unternehmen auch gegenüber größeren Marktteilnehmern behaupten.

Was macht Ihr Unternehmen bei Bestandskunden besonders erfolgreich?

Riffel: Ich bin fest davon überzeugt, dass auch in einem sehr nachfrageorientierten Markt, wie der Wohnungswirtschaft, die Kundin beziehungsweise der Kunde fest im Mittelpunkt unseres Handelns und Tuns steht. Speziell unsere Gemeinwohlorientierung macht uns also so erfolgreich; das geht von der energetischen Optimierung am Gebäude und in der Wohnung, hin zu unserer sozial ausgewogenen Mietpreis-Strategie, über den Service vor Ort und den durchmischten Quartieren, die gleichermaßen von Neubau und Bestand geprägt sind. Die Zufriedenheit zeigt sich aber auch an der sehr niedrigen Fluktuation von unter sieben Prozent. Unser Mindset ist also genau richtig und macht uns bei Bestandskundinnen und -kunden so erfolgreich, denn an ihnen müssen wir uns messen und alles dafür ermöglichen, dass sie beziehungsweise er sich im Zuhause wohlfühlt.

Was ist Ihr Erfolgsfaktor, um Neugeschäft zu gewinnen?

Riffel: Unsere Leerstandsquote von unter einem Prozent spricht für sich. Wir befinden uns also in einer Vollvermietung. Auf der einen Seite ist Wohnraum knapp, auf der anderen Seite bieten wir als gemeinwohlorientiertes Wohnungsunternehmen rund 40 Prozent unseres gesamten Wohnungsbestands mit einer Mietpreisbindung an. Und das gilt auch für unseren Neubau, der qualitativ identisch mit frei finanzierten Angeboten ist.

Was tun Sie, um den Service zu verbessern?

Riffel: Es gibt drei wesentliche Säulen, wie wir unseren Service verbessern: Auf der einen Seite sind wir für unsere Kundinnen und Kunden rund um die Uhr durch unser Inhouse-CallCenter erreichbar – natürlich auch außerhalb der Geschäftszeiten, 24 Stunden am Tag, an 7 Tagen in der Woche. Auf der anderen Seite sind wir durch unsere KundenCenter .nord, .mitte und .süd direkt vor Ort – egal ob bei Interesse an einer Mietwohnung ober bei spezifischen Fragen während des Mietverhältnisses. Genau das zeichnet unseren Service aus und macht uns Tag für Tag besser – die persönliche Nähe zum Kunden ist sehr wichtig in Zeiten von Digitalisierung. Ein unterschätzter Faktor.

Nennen Sie bitte ein Beispiel wie Ihr Unternehmen Service lebt …

Riffel: Bei dem Unwetter am 14. Juli 2021 und dessen Folgen, gab es viele Schicksals-Schläge – auch bei unseren Kundinnen und Kunden. Viele waren von der Flutkatastrophe betroffen, einige schwer. Aus diesem Grund haben wir einen „VBW Hilfs-Fond“ ins Leben gerufen. Kundinnen und Kunden konnten sich über eine speziell angelegte E-Mail-Adresse an uns wenden und die Schäden aufzeigen. Davon machten einige Gebrauch – und wir konnten unkompliziert helfen, solidarisch und nah. So konnten wir beispielsweise einer bewegungseingeschränkten Rentnerin aus Bochum helfen, deren Tochter sich aus 250 km Entfernung an uns gewandt hatte, um Hilfe zu erhalten. Der Keller ihrer Mutter stand knietief mit Wasser voll, was zu irreparablen Schäden führte. Besonders tragisch war für sie der Verlust der erst kürzlich neu gekauften Waschmaschine, für die sie längere Zeit gespart hatte. Wir als gemeinwohlorientiertes Unternehmen haben hier unkompliziert gehandelt und ihr eine neue Waschmaschine gekauft. Unsere Kundin und ihre Tochter waren sichtlich gerührt und haben uns einen langen Dankes-Brief geschrieben. Das hat mich selbst bewegt und zeigt, dass in solchen Situationen Menschlichkeit immer siegt – und an oberster Stelle steht.

Was tun Sie, um sich als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren? Was bieten Sie aktuellen und zukünftigen Mitarbeitenden?

Riffel: Als lokales Wohnungsunternehmen schauen wir auf über 100 Jahre Erfahrung zurück. Wir bieten 40.000 Bochumerinnen und Bochumern ein Zuhause. Unser Ziel ist es, Wohn- und Lebensraum in hoher Qualität zu erschaffen – aber bitte für jeden bezahlbar. Diese Philosophie kommt auch bei Bewerberinnen und Bewerbern sehr gut an, die frisches und innovatives Denken ins Unternehmen bringen. Jedes Jahr erreichen uns im Mittel 1.200 Bewerbungen: von der Asset Managerin, dem Asset Manager, über die Immobilienkauffrau und den Immobilienkaufmann bis zur BIM-Managerin sowie den BIM-Manager. BIM steht für Building Information Modeling, also Gebäudedatenmodellierung. Bei uns gibt es genügend Work-Life-Balance. Flexible Arbeitszeiten, Vereinbarung von Familie und Beruf, umfangreiche Sozialleistungen, hybride Arbeitsformen sowie ein Gesundheitsmanagement runden unser Angebot als attraktiver Arbeitgeber aus und für Bochum ab.