Risiko Fehlbesetzung im Top-Management

„Der falsche Chef kostet Millionen“

In den Chefetagen deutscher Unternehmen werden noch immer Milliarden verbrannt – nicht durch falsche Strategien, sondern durch die falschen Menschen an der Spitze. Daniel Salamon entwickelt Verfahren zur Auswahl von Führungspersönlichkeiten, die mehr leisten sollen, als ihren Lebenslauf vorzutragen.

Illustration: Eine Businessperson, die auf einem Sprungbrett steht, als Symbol für Kosten einer C-Level Fehlbesetzung

17.06.2025

Was passiert, wenn die falsche Person das Steuer übernimmt? Daniel Salamon kennt die Antwort: Es wird teuer. Im Gespräch mit DUP UNTERNEHMER erklärt der Recruiting-Experte, Leadership-Dozent, Mitgründer und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Provimentis, warum klassische Auswahlverfahren im Top-Management scheitern, wie man echte Führungsstärke erkennt und wieso das stärkste Ego Raum für Reflexion braucht.

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Sie sagen, eine falsche C-Level-Besetzung kann ein Unternehmen nicht nur viel Geld, sondern auch seine Kultur kosten. Was genau steht auf dem Spiel?

Daniel Salamon: Sehr viel mehr als die oft genannten Headhunter-Honorare oder Abfindungen. Die direkten Kosten bewegen sich schnell im sechsstelligen Bereich. Doch der eigentliche Schaden reicht tiefer: Wenn eine Führungskraft strategisch in die falsche Richtung steuert oder kulturell nicht passt, verliert das Unternehmen nicht nur Zeit, sondern oft auch Talente, Glaubwürdigkeit und unternehmerischen Fokus. Die teuerste Folge ist die verpasste Zukunft.

Sie setzen auf ein Verfahren, das Sie „Insights to Impact“ nennen. Was steckt dahinter?

Salamon: Der Kern ist, nicht nur den richtigen Menschen zu identifizieren, sondern ihn auch schnell wirksam zu machen. Klassische Eignungsdiagnostik bleibt oft bei der Momentaufnahme stehen. Wir kombinieren Assessments mit Executive Coaching und einem strukturierten Onboarding. Dabei geht es nicht nur um Stärken und Schwächen, sondern um Entwicklungspotenziale – und deren Umsetzung.

Das klingt intensiv. Wie vermeiden Sie, dass Assessment-Verfahren zu stressigen Härtetests werden?

Salamon: Wir schaffen einen Raum, in dem Echtheit wichtiger ist als Hochglanzfassaden. Top-Führungskräfte sollen sich nicht in ein Erwartungsbild pressen, sondern zeigen, wie sie wirklich handeln. Ohne künstlichen Druck. Wir erleben, dass gerade authentisch reflektierende Persönlichkeiten langfristig besser wirken als reine Performer.

Wie trennen Sie zwischen resilienten Managern und solchen, die Wandel tatsächlich gestalten können?

Salamon: Resilienz allein reicht nicht. Wir beobachten, ob jemand mit einer Zukunftsorientierung agiert, Visionen formulieren kann, andere inspiriert. Dafür simulieren wir reale Herausforderungen – etwa eine Transformation im Finanzbereich – und prüfen, wie konkret und strategisch die Person vorgeht. Der Unterschied zeigt sich schnell.

Inwieweit nehmen Sie in traditionellen Finanzhäusern eine Veränderung in die Richtung wahr, dass Menschen mehr zählen als Lebensläufe?

Salamon: Die Veränderung findet statt, aber nur langsam. FinTechs sind da weiter. Sie priorisieren kulturelle Passung vor Karriereetappen. Bei klassischen Banken hemmen alte Entscheidungswege oft den Prozess. Aber: Sie sind präziser in der Eignungsdiagnostik, strukturierter und vermeiden dadurch mehr Fehlgriffe. Beide Seiten können voneinander lernen.

Was macht gutes Onboarding auf C-Level aus – und was läuft meistens schief?

Salamon: Ein häufiger Fehler ist: Der Vertrag wird unterschrieben, und es gilt das Prinzip „Hire and Hope“. Erwartungen bleiben diffus, es fehlt die gezielte Inte­gration. Gerade auf oberster Ebene braucht es strukturierte Übergaben, Stakeholder-Dialoge, Feedbackschleifen. Ohne das entsteht Unsicherheit – und Führung bleibt wirkungslos.

Welche Rolle spielt das Ego der Kandidatinnen und Kandidaten im Auswahlprozess? Gerade auf C-Level ist das mitunter ja mal ausgeprägter.

Salamon: Ein starkes Ego ist nicht per se schlecht. Im Gegenteil, es zeigt Selbstwirksamkeit. Aber es braucht Räume, in denen sich diese Persönlichkeit zeigen kann, ohne andere zu dominieren. Wenn Ego zur Arroganz wird, greifen wir ein. Unser Ziel ist es, Wirkung zu ermöglichen, nicht Macht zu messen.

In Ihren Trainings setzen Sie auf Reflexion statt Optimierung. Warum?

Salamon: Weil Führung zuerst bei der eigenen Haltung beginnt. Wer nicht weiß, wer er oder sie in der Führungsrolle sein will, kann keine glaubwürdige Richtung vorgeben. Deshalb sage ich meinen Studierenden auch immer: Erst muss die Selbstklärung stehen, dann folgt das Handwerkszeug.

Was müsste sich in den kommenden Jahren aus Ihrer Sicht im Executive Recruiting grundlegend ändern?

Salamon: Weg von der Prüfung, hin zur echten Begegnung. Die Devise sollte weniger „Erzähl mir, was du kannst“, sondern mehr „Zeig mir, wie du wirkst“ lauten. Wer Führung auf Reflexion und Passung statt auf Perfektion ausrichtet, vermeidet nicht nur Fehlgriffe, sondern baut Kultur – von oben nach unten.

Daniel Salomon

ist ein erfahrener Berater und Coach für Führungskräfte, speziali- siert auf Executive Transitions und C-Level- Recruiting im Finanz- bereich. Er ist Mitgrün- der und Geschäftsfüh- rer des Beratungsunter- nehmens Provimentis