Hamburg hat Anfang März gewählt. Die SPD bleibt mit 33,5 Prozent der Wählerstimmen stärkste Fraktion der Bürgerschaft, Dr. Peter Tschentscher (SPD) Erster Bürgermeister der Hansestadt. Doch hat seine Partei nach dem vorläufigen Ergebnis ein herbes Minus von 5,7 Prozentpunkten gegenüber der Wahl im Jahr 2020 hinnehmen müssen. Liegt der Vertrauensverlust womöglich auch an der teils ausschweifenden Ausgabenpolitik der rot-grünen Koalition in der vergangenen Legislaturperiode?
Aufwendiger Trip nach Asien
Rückblick in die Zeit vor dem Urnengang. Tschentscher blickt – seriös in dunkelblauem Sakko, weißem Hemd und Krawatte – vom Wahlplakat. Slogan: „Hamburg vereint Wohlstand und Zusammenhalt. SPD“. Wohlstand wünschen sich wohl die meisten Wähler von Tschentschers Partei. Doch ob Mieten, Immobilienpreise oder Lebenshaltungskosten insgesamt – die Metropole im Norden rangiert regelmäßig über dem Bundesdurchschnitt.
Ein schöner Trip, vielleicht mal nach Asien, ist für viele nicht drin. Für den Ersten Bürgermeister samt Entourage dagegen schon. Er reiste mit einer vielköpfigen Delegation aus Wirtschaft und Wissenschaft im Herbst nach Südkorea und Singapur. Doch was haben die Unternehmen, die Wirtschaft, der Steuerzahler und die vielen Jobsuchenden davon?
Zahlreiche Mitarbeitende für die Delegationsreise im Einsatz
Der Aufwand für eine solch mehrtägige Reise ist enorm. Die Pressestelle des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg erklärt gegenüber dem DUP UNTERNEHMER-Magazin: „Delegationsreisen des Ersten Bürgermeisters werden durch die Ämter der Senatskanzlei (Staatsamt, Planungsstab und Pressestelle des Senats) vorbereitet. Die Vorbereitungen der Reise nach Seoul, Busan und Singapur erfolgte zudem in Zusammenarbeit mit den deutschen Auslandsvertretungen vor Ort, den Auslandshandelskammern und den Hamburg Ambassadors in Südkorea sowie Singapur.
Von Seiten der Senatskanzlei waren über einen Zeitraum von circa sechs Monaten circa zehn Personen in die Planungen involviert.“ Einen solchen Aufwand könnten sich beispielsweise mittelständische Unternehmen niemals leisten. Bei ihnen werden vergleichbare Reisen mit einem Bruchteil der Mitarbeitendenzahl organisiert und abgewickelt.
Auch Chefinnen und Chefs engagiert
Und bei der Vorbereitung von Tschentschers Asientour waren keineswegs lediglich Sekretariate oder Reisestelle involviert. Die Senatskanzlei: „In die organisatorische und inhaltliche Vorbereitung sowie Durchführung der Reise waren insbesondere die Abteilungen Protokoll und Internationale Zusammenarbeit sowie die Pressestelle des Senats und der Planungsstab eingebunden.
Folgende Funktionen haben die Mitarbeitenden inne: Amtsleiterin/Amtsleiter, Abteilungsleiterin/Abteilungsleiter, Referatsleiterin/Referatsleiter, Referentin/Referent sowie Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter.“ Wie viel Arbeitszeit in die Delegationsreise investiert wurde und wie hoch die entsprechenden Personalkosten waren, bleibt allerdings ungewiss. „Der Stundenaufwand für diese Aufgaben kann nicht gemessen werden, da sich die Aufgabe in die allgemeinen Tätigkeiten einfügt.“
Auf die Anfrage des DUP UNTERNEHMER-Magazins, wie hoch insgesamt die Kosten für Reise und Unterbringung liegen, lautet die Antwort der Senatskanzlei: „Die Reise- und Unterbringungskosten der Mitreisenden der Senatskanzlei liegen bei circa 80.000 Euro. Die Reisekosten der Delegationsmitglieder, die nicht der Senatskanzlei angehören, werden separat über die Unternehmen beziehungsweise Institutionen abgerechnet und können daher nicht angegeben werden.“
Hohe Summen
Dann erscheinen andere Angaben. Der Antwort auf die Kleine Anfrage des Bürgerschaftsabgeordneten Richard Seelmaecker (CDU), Betreff „Auslandsreisen und Empfänge des Senats in Zeiten knapper Kassen“, Drucksache 22/17589, vom 16. Januar 2025 zur Ausgabenpolitik des Senats sind für die Asien-Reise die Beträge von 18.673,34 Euro (Erster Bürgermeister) sowie 110.523,89 Euro (Begleitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) zu entnehmen. Wie erklärt sich die Differenz?
Zunächst wurden die Reise- und Unterbringungskosten nur der Mitreisenden aus der Senatskanzlei genannt. Diese beliefen sich offenbar auf circa 80.000 Euro für Flüge und Unterbringung. Die Senatskanzlei: „In dieser Summe sind weder die Kosten für den Ersten Bürgermeister noch die Kosten für das LKA noch (für alle) die lokalen Transportkosten (Transfers vor Ort) enthalten.“
Zu viel Staat?
Ist eine solche Delegationsreise ein Beispiel für die überbordende Bürokratie in Deutschland? Ein Blick ins Ausland zeigt, dass es auch anders geht. In den USA hat Donald Trump während seiner ersten Amtszeit unter dem Motto „Cut the Red Tape“ gezielt Regularien abgebaut, um Unternehmen zu entlasten und internationale Geschäftsbeziehungen zu erleichtern. Er betrachte Bürokratie als Feind des Fortschritts, meinte er 2017 und verankerte ein Prinzip, nach dem für jede neue Vorschrift zwei alte abgeschafft werden mussten. Multi-Unternehmer Elon Musk soll in der zweiten Amtszeit Trumps die Entbürokratisierung nun beschleunigen.
Ein weiteres Beispiel liefert Argentinien. Präsident Javier Milei verfolgt eine radikale Politik des Staatsabbaus, um wirtschaftliche Effizienz zu steigern. Der Staat müsse sich nicht in jede Wirtschaftstransaktion einmischen, so das Credo von Milei. Er strebt danach, die staatliche Einflussnahme auf wirtschaftliche Beziehungen drastisch zu reduzieren und damit Kosten für Bürger und Unternehmen zu senken.
Schwammige Erfolge der Delegationsreise
Welche bezifferbaren Erfolge, wie beispielsweise Geschäftsabschlüsse der Delegationsmitglieder aus dem Unternehmenssektor, hat Tschentschers Reise gebracht? Die Antwort aus dem Rathaus: „Während der Reise wurden neun Memoranden of Understanding, MoU, unterzeichnet. Die MoUs betreffen die Themenfelder maritime Wirtschaft, Hochschulkooperation, Food-Industrie und Wirtschaftsförderung.
Zudem wurde ein MoU zwischen den Rechnungshöfen von Busan und Hamburg unterzeichnet." Zu konkreten Geschäftsabschlüssen „kann die Senatskanzlei keine Auskunft geben, da es sich hierbei um unternehmensinterne Angaben handelt.“ Selbst die Namen der Firmenvertreter sind Verschlusssache: „In ständiger Praxis gibt der Senat lediglich die Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen (aber nicht die Personen) bekannt“, heißt es aus dem Rathaus.
Konkrete Abschlüsse Fehlanzeige
Auf Nachfrage des DUP UNTERNEHMER-Magazins bei 18 von der Senatskanzlei benannten Firmen, deren Vertreter teils an einzelnen Stationen der Reise hinzustießen, antworten sechs. Geschäftsabschlüsse aufgrund der Reise werden nicht mitgeteilt. Teils wird etwa von getroffenen Absichtserklärungen berichtet. Ausführlich meldet sich Hendrik Wolff, Geschäftsführer von Armaturen-Wolff, einem Hamburger Familienunternehmen, das weltweit unter anderem Ventile oder Filter liefert.
Hendrik Wolff, der Tschentscher auf der Reise begleitete: „Geschäftsabschlüsse im Sinn von Ein- oder Verkauf konnten im Rahmen dieser Reise nicht erzielt werden. Es war aus unserer Sicht von vornherein klar, dass der wirtschaftliche Erfolg einer derartigen Reise nie durch die Reise allein zustande kommen kann, sondern maßgeblich von der nachträglichen Verfolgung der Ansätze abhängt, die sich gegebenenfalls während der Reise ergeben. Konkrete Abschlüsse können wir hier momentan noch nicht auf die Reise zurückführen.“
„Austausch und Vernetzung“
Die Hamburger Hochbahn AG teilt mit: „Mitglied der Delegation, die den Ersten Bürgermeister nach Asien begleitet hat, war unser CEO Robert Henrich. Im Mittelpunkt seiner Gespräche stand der Austausch zu Mobilitätssystemen der Zukunft. Konkrete Geschäftsabschlüsse waren weder Ziel noch Gegenstand der Gespräche.“ Stefanie Ostendorf, Co-Gründerin und Leiterin des Start-up-Accelerator-Programms des „Food Innovation Hub“ Food Harbour Hamburg, schreibt: „Ich habe Herrn Tschentscher auf der Reise begleitet. Dabei haben wir ein MoU mit der Firma Nurasa unterzeichnet. Ich würde das jedoch nicht als Geschäftsabschluss bezeichnen (es gibt keine Projekte, die man beziffern könnte). Es geht ausschließlich um Austausch, Vernetzung, Ökosystemarbeit. Wir machen das aus Gründen der Reputation für unser Unternehmen.“
Funktionäre aus der Wirtschaft scheinen klingelnde Kassen nach solchen Delegationsreisen ebenfalls nicht zu vermissen. So äußerte sich kurz nach der Tour etwa Delegationsmitglied Norbert Aust, Präses der Hamburger Handelskammer, gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“: „Hamburgs Wirtschaft muss in der Welt noch sichtbarer werden und diese Reise trägt dazu erheblich bei.“ Auch Andreas Pfannenberg, Vorstandsvorsitzender des Industrieverbands Hamburg, wurde zitiert: „Die geopolitischen Vorgänge etwa in der Ukraine und die eigene wirtschaftliche Lage erfordern es, dass sich die Hamburger Wirtschaft ein Stück weit neu orientiert. Bei dieser Reise konnten erste Kontakte aufgebaut werden.“
Transparenz bei Delegationsreisen gefordert
Hohe Kosten für den Steuerzahler, keine Impulse für Geschäft und damit womöglich Arbeitsplätze, obendrein einige Geheimnisse? Nicht jeder findet die Praxis solcher Delegationsreisen gut. Sascha Mummenhoff, Landesvorsitzender des Bundes der Steuerzahler Hamburg, etwa meint; „Delegationsreisen politischer Amtsträger können grundsätzlich dazu beitragen, wirtschaftliche Beziehungen zu stärken und Hamburg als Wirtschaftsstandort international zu positionieren. Entscheidend ist jedoch, dass die Kosten-Nutzen-Relation solcher Reisen im Verhältnis steht und die Transparenz über erzielte Ergebnisse gewährleistet wird.“
Wenn Delegationsreisen nicht unmittelbar zu messbaren wirtschaftlichen Erfolgen führten, müsse zumindest nachvollziehbar sein, welchen langfristigen Nutzen sie haben. Mummenhoff weiter: „Um Vertrauen in diese Maßnahmen zu stärken, wäre es notwendig, dass nach jeder Reise transparent dargelegt wird, welche konkreten Erträge – etwa in Form von Investitionen oder Aufträgen – tatsächlich erzielt wurden. Aus diesem Grund erwarte ich, dass alle beteiligten Unternehmen ihre Reiseergebnisse offenlegen. Wer auch auf Kosten der Steuerzahler reist, ist zur Transparenz verpflichtet – alles andere ist inakzeptabel. Dies gilt insbesondere für Firmen, an denen die Hansestadt Hamburg beteiligt ist.“
„Mehr Sparsamkeit angezeigt“
Bürgerschaftsabgeordneter Seelmaecker, dem überbordende Ausgaben der öffentlichen Hand schon lange ein Dorn im Auge sind, spart ebenfalls nicht mit Kritik: „Ob marode Spiel- und Sportplätze, defekte Schultoiletten oder eine verbesserte Ausstattung der Polizei, während es für viele wichtige Dinge regelmäßig an Geld mangelt, hat der Senat im vergangenen Jahr über 1,8 Millionen Euro für Empfänge und Auslandsreisen ausgegeben. Selbstverständlich gehört es zum Aufgabenfeld des Senats, repräsentative Aufgaben wahrzunehmen, aber hier wären eine vernünftige Prioritätensetzung und etwas mehr Sparsamkeit mehr als angezeigt. Wasser predigen und Wein trinken, ist auch hier die Devise des Senats!“