Gastbeitrag

Resilienz

Buy European: Warum digitale Souveränität zur härtesten Währung für Unternehmer wird

In unsicheren Zeiten wird Kontrolle über digitale Systeme zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Wer auf europäische Partner setzt, minimiert Risiken, bleibt handlungsfähig und macht Resilienz zur Strategie, statt sie dem Zufall zu überlassen.

Ein Globus, auf dem verschiedene Lichter zu sehen sind, als Hinweis auf digitale Souveränität

28.11.2025

Der Druck auf Unternehmen steigt spürbar. Lieferketten geraten ins Wanken, geopolitische Spannungen wirken bis in den Maschinenraum europäischer Organisationen und Cyberangriffe treffen längst nicht mehr nur Konzerne, sondern Unternehmen unterschiedlicher Größen quer durch alle Branchen. In dieser Realität stellt sich nicht mehr die Frage, ob Unternehmen resilient sein müssen, sondern wie sie ihre Handlungsfähigkeit sichern können, wenn die Lage eskaliert. Und die härteste Währung in diesem Kontext heißt digitale Souveränität. Denn wer seine kritischen Systeme, Kommunikationswege und Daten nicht selbst kontrolliert, ist im Krisenfall nicht mehr Herr über die eigene Lage.

Digitale Souveränität bedeutet deshalb weit mehr als Datenschutz oder moderne IT: Sie steht für die Fähigkeit eines Unternehmens, unabhängig von externen politischen, technischen oder rechtlichen Einflüssen arbeitsfähig zu bleiben. Sie entscheidet darüber, ob ein Cyberangriff „nur“ eine Störung ist oder ob ganze Geschäftsprozesse zum Stillstand kommen. In einer Welt, in der Risiken globaler werden und Reaktionszeiten kürzer, wird digitale Souveränität damit zur Voraussetzung für jede Form unternehmerischer Resilienz.

„Buy european“ wird zum wichtigen Resilienzfaktor

Genau deshalb verdient ein Prinzip besondere Aufmerksamkeit: Buy European. Hierbei geht es nicht so sehr um einen romantischen Appell an europäische Wirtschaftskultur und auch nicht um protektionistische Abgrenzung, sondern um eine betriebswirtschaftlich rationale Antwort auf ein zunehmend unberechenbares globales Umfeld. Unternehmen, die kritische digitale Dienste bei Anbietern außerhalb Europas beziehen, gehen Risiken ein, die sich nicht mehr wegmoderieren lassen.

Extraterritoriale Gesetze schaffen Grauzonen, politische Konflikte beeinflussen plötzlich Zugriffsrechte auf Daten und in vielen Fällen sind Unternehmen faktisch abhängig von Entscheidungen großer Konzerne, die nicht die gleichen regulatorischen Pflichten tragen wie Anbieter in Europa. Damit rückt eine Frage in den Mittelpunkt, die lange unterschätzt wurde: Wie robust ist die eigene Organisation wirklich, wenn äußere Faktoren nicht mehr planbar sind?

Dass diese Frage viele Unternehmen bereits umtreibt, zeigen die Ergebnisse des „Resilience Vision 2030“-Report des Business Continuity Institute (BCI), mit Unterstützung von F24. Mehr als 79 Prozent der befragten Organisationen erwarten, dass regulatorische Anforderungen weiter zunehmen. Gleichzeitig sagen über 63 Prozent, dass mangelnde Abstimmung und Silodenken die größte Gefahr für Resilienz darstellen. Beides hängt zusammen. Wenn kritische digitale Infrastruktur auf unterschiedlichen Rechtsräumen und fragmentierten Verantwortlichkeiten basiert, entsteht automatisch ein System, das im Ernstfall schwer steuerbar ist.

Die Folge sind Verzögerungen, Unsicherheiten und operative Lücken, die im Krisenfall wertvolle Zeit kosten. Buy European dagegen schafft einen Rahmen, in dem Unternehmen die Kontrolle behalten. Europäische Anbieter unterliegen einer transparenten, demokratisch legitimierten Rechtsordnung. Datenschutz, Compliance und Haftungsfragen sind klar definiert. Was oft unterschätzt wird: Diese Planbarkeit ist kein abstrakter Vorteil, sondern eine unmittelbare Entlastung für Unternehmerinnen und Unternehmer, die heute unter starkem Zeit- und Entscheidungsdruck agieren. Wer seine digitale Infrastruktur auf europäische Partner stützt, minimiert das Risiko, dass geopolitische Verwerfungen plötzlich die eigene Handlungsfähigkeit beeinträchtigen.

Digitale Souveränität: Stark in der Krise

Besonders deutlich wird der Vorteil europäischer Souveränität in Krisensituationen. Kommunikation ist der erste und wichtigste Stabilitätsfaktor. Wenn interne Systeme unter einem Cyberangriff leiden, wenn Cloud-Dienste ausfallen oder wenn eine Lieferkette kollabiert, entscheidet der Informationsfluss in den ersten Minuten darüber, ob ein Unternehmen kontrolliert reagiert oder in ein operatives Vakuum fällt.

Digitale Plattformen schaffen dafür die notwendigen Voraussetzungen: Sie konsolidieren Informationen, schaffen Transparenz über Abhängigkeiten und ermöglichen, dass Teams auch dann schnell reagieren können, wenn Teile der Infrastruktur beeinträchtigt sind. Der BCI-Report bestätigt, wie kritisch diese Fähigkeiten werden: 75,5 Prozent der befragten Unternehmen sehen ein besseres Prozessverständnis als entscheidenden Resilienzwert, und 86,7 Prozent nennen die Vermeidung von Kosten durch Disruptionen als größten wirtschaftlichen Hebel.

Kein Trend, sondern strategische Notwendigkeit

All diese Entwicklungen führen zu einer klaren Schlussfolgerung: Resilienz ist längst kein IT-Nischenthema mehr. Sie ist Chefsache. Mehr als 73 Prozent der Fachleute halten die Einführung eines Chief Resilience Officer für notwendig, um das Thema auf Vorstandsebene zu verankern. Wer heute Führung übernimmt, muss nicht nur wirtschaftlich navigieren, sondern auch geopolitisch denken und technologische Risiken strategisch managen. Buy European ist deshalb keine moralische Entscheidung, sondern eine sehr nüchterne. Wer Europa kauft, kauft sich Kontrolle. Und wer Kontrolle behält, reduziert Unsicherheit. In einem volatilen Umfeld ist das nicht nur gute Governance, sondern unternehmerische Verantwortung.

Porträt von Eske Ofner

Eske Ofner

ist Head of Sales und Expertin für Krisen- und Notfallmanagement bei F24. Das Unternehmen ist führender Software-as-a-Service (SaaS)-Anbieter für proaktives Krisenmanagement und begleitet Unternehmen seit 25 Jahren durch Ausnahmesituationen.