Seit Kurzem können sich Unternehmen in Branchen mit Publikumsverkehr in einigen Teilen Deutschlands für eine Öffnung nach dem 2G-Modell entscheiden. Gilt die Prämisse, dass nur Geimpfte und Genesene Zugang haben, auch für die Beschäftigten dieser Betriebe?
Nils Wigger: Die 2G-Regelung sieht vor, dass auch die Arbeitnehmer der Betriebe, die das 2G-Modell einführen, einen Corona-Impfnachweis oder Genesenennachweis vorlegen müssen, wenn sie sich in denselben räumlichen Bereichen aufhalten, in denen sich auch das Publikum aufhält. Kommen Arbeitnehmer allerdings nicht mit dem Publikum in Kontakt, so gilt auch keine Nachweispflicht.
Woher können Arbeitgeber wissen, ob ihre Beschäftigten geimpft sind? Laut Datenschutzgrundverordnung dürfen Chefs Angestellte nicht danach fragen.
Wigger: Tatsächlich gibt es aktuell noch kein gesetzliches Fragerecht für sämtliche Arbeitgeber. Etwas Anderes galt nach § 23a Infektionsschutzgesetz bis dato nur für Beschäftigte im Gesundheitswesen – also zum Beispiel Mitarbeiter in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen. Hier hat der Gesetzgeber geregelt, dass eine Frage nach dem Impfstatus zulässig ist, wenn sie zur Infektionsverhütung erforderlich ist.
Der Bundestag hat am 7. September zudem beschlossen, dass zukünftig auch Arbeitgeber in Kitas, Schulen und Pflegeheimen ein Auskunftsrecht zum Impf- oder Genesenenstatus ihrer Mitarbeiter haben. Für alle anderen Arbeitgeber besteht weiterhin kein gesetzlich verankertes Fragerecht.
Das Problem ist, dass es sich bei den Angaben zum Impfstatus um besonders schützenswerte Gesundheitsdaten im Sinne des Artikel 9 DSGVO handelt. Die Verarbeitung von diesbezüglichen Gesundheitsdaten der Beschäftigten ist regelmäßig nur dann zulässig, wenn der Betroffene zuvor freiwillig eingewilligt hat. Freiwillig bedeutet laut Artikel 7 Absatz 4 DSGVO aber, dass die Datenpreisgabe an keine Vor- oder Nachteile für den Betroffenen gekoppelt werden darf. Die Arbeitgeber laufen daher Gefahr, einen Datenschutzverstoß zu begehen, wenn sie den Impfstatus abfragen und speichern. Grundsätzlich dürfen die Arbeitgeber daher nur dann von der Impfung beziehungsweise Genesung der Arbeitnehmer erfahren, wenn diese sich dazu freiwillig äußern.
Was ist, wenn sich Beschäftigte im Gesundheitswesen, in Kitas, Schulen und Pflegeheimen nicht impfen lassen wollen? Droht Ihnen dann eine Kündigung – und wäre dieser rechtsgültig?
Wigger: Da noch keine Impfpflicht in Deutschland besteht, ist die Verweigerung der Impfung grundsätzlich keine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis und berechtigt daher auch nicht zu einer Kündigung.
Eine Kündigung der ungeimpften Arbeitnehmer kommt jedoch dann in Betracht, wenn diese auf Dauer für den Arbeitgeber gar nicht mehr einsetzbar sind – auch nicht an einem anderen Arbeitsplatz ohne Publikumsverkehr. Hier kann eine Kündigung rechtsgültig sein. Es ist jedoch stets eine Einzelfallabwägung vorzunehmen.
Nach Auffassung der Gewerkschaften führt das Hamburger 2G-Modell eine indirekte Impfpflicht ein. Nicht nur aus diesem Grund stellen sich viele Juristen die Frage, ob die Verordnung überhaupt rechtmäßig ist. Es dürfte zu erwarten sein, dass hierüber zeitnah gerichtliche Entscheidungen getroffen werden.
Wäre es denkbar, dass die Bundesregierung das 2G-Modell für alle Unternehmen verpflichtend macht? Denn dann müssten Angestellte ihren Impfstatus offenlegen. Unter welchen Bedingungen könnte so eine Regelung vor Gericht dann überhaupt bestand haben?
Wigger: Grundsätzlich wäre es schon denkbar, dass die Bundesregierung eine 2G-Reglung für alle Unternehmen verpflichtend macht. Dies halte ich aufgrund der aktuellen politischen Lage mit der bevorstehenden Bundestagswahl jedoch nicht für sehr wahrscheinlich. Zudem wäre die Einführung einer entsprechenden Regelung rechtlich schwierig. Sie würde quasi zu einer Impfpflicht der Arbeitnehmer führen. Da bei einer Impfpflicht hohe Rechtsgüter betroffen sind – etwa die grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit und die körperliche Unversehrtheit –, müsste der Gesetzgeber ein Gesetz entwerfen, das verfassungskonform ist und diese Rechtsgüter hinreichend berücksichtigt. Insofern müsste sicher auch berücksichtigt werden, dass es gesundheitliche Indikationen gibt, bei denen aktuell eine Impfung gegen Covid-19 nicht empfohlen ist beziehungsweise davon abgeraten wird. Die Hürden für eine wirksame gesetzliche Einführung sind daher extrem hoch.
Welche Vorteile hätten Mitarbeitende generell vom 2G-Modell, welche Regeln würden damit wegfallen?
Wigger: Die Vorteile der 2G-Regelung betreffen zunächst primär die Arbeitgeber und das Publikum. So ist beispielsweise in Gaststätten und Diskotheken ein Alkoholausschank auch ohne feste Sitzplätze möglich, das Abstandsgebot muss nicht mehr eingehalten werden und die Anzahl der Personen, welche die Einrichtungen betreten dürfen, wird erhöht.
Vorteile für Arbeitnehmer ergeben sich eher indirekt. So dürfte die Gefahr der Infektion mit Covid-19 bei Arbeitnehmern mit Publikumskontakt deutlich geringer sein, wenn das gesamte Publikum geimpft beziehungsweise genesen ist. Die 2G-Regelung dürfte zudem dazu führen, dass aufgrund der Möglichkeit, mehr Publikum in die Räumlichkeiten zu lassen, mehr Restaurants, Diskotheken, Bars oder andere Clubs den Betrieb wieder aufnehmen. Dies gilt insbesondere für Arbeitgeber, bei denen sich bisher ein Betrieb aufgrund der Einschränkungen finanziell nicht gelohnt hat. In diesem Zuge dürften dann einige Arbeitnehmer aus der Kurzarbeit herausgeholt werden.