Nun, Krefeld gilt nicht gerade als Epizentrum der internationalen Museumslandschaft. Und doch ist es bemerkenswert, diese rund 230.000 Einwohner zählende Stadt in NRW genau aus diesem Grund zu besuchen. Im 18. und 19. Jahrhundert galt Krefeld als „Samt- und Seidenstadt“, verbunden mit einer prosperierenden Produktion und Wohlstand. Diesem ist letztlich auch das Kaiser-Wilhelm-Museum mit seinen zwei Satelliten Haus Lange und Haus Esters zu verdanken.
Die Handschrift von Mies van der Rohe in Krefeld
Hermann Lange und Dr. Josef Esters, diese Namen stehen für zwei Seidenindustrielle und Unternehmertum. Sie ließen ihre Privathäuser 1927/28 von Ludwig Mies van der Rohe entwerfen. Einem der bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts, dessen Baustil seiner Zeit weit vorauseilte – klar und prägend. Seit 1955 gehört Haus Lange zum Museumsensemble, 1981 reihte sich Haus Esters ein. Beide befinden sich noch weitgehend im originalen Zustand. Und beide zeugen bis heute von der Denkweise, mit der sich Mies van der Rohe architektonisch abhob – auch wenn die beiden Unternehmerfamilien ihre Bedürfnisse an ihre Wohnhäuser nicht gänzlich dem ersten radikalen Entwurf Mies van der Rohes unterordneten.
„Damit verfügen wir über drei Häuser, die auch für das stehen, was die Kunstmuseen Krefeld programmatisch ausmacht. Die Verbindung von Kunst, Design und Architektur“, sagt Katia Baudin, seit 2016 als Direktorin verantwortlich für das außergewöhnliche Trio. Mit ihrer Ausrichtung folgt Baudin einem klaren Konzept, „sich von anderen Museen abzuheben und eine eigene Position einzunehmen.“
Tischfußball, Kunstimpulse und mehr
Viel ist seit ihrem Amtsantritt geschehen. Künstler und Künstlerinnen wie Sarah Morris und Andrea Zittel stellten in Krefeld aus. Und Joseph Beuys ziert nicht nur in der Adresse das KWM, wie das Kaiser Wilhelm Museum heißt, er nimmt sich auch Raum und Räumlichkeiten im Haus, auch wenn diese gerade restauriert werden.
Zugleich legt Baudin Wert darauf, die Museen allen Menschen geradezu spielerisch zugänglich zu machen, keine pseudointellektuellen Hürden aufzustellen. Und so gibt es immer wieder niederschwellige Angebote in die Häuser zu kommen, auch in Zusammenarbeit mit Sponsoren. Themenabende, Führungen, Events wie „Eine Nacht im Museum“, KunstImPuls oder After-Work-Angebote im gerade erst wiedereröffneten K+ Café – gestaltetet von Robert Stadler – mit Gang durch die Räumlichkeiten. Und in Haus Lange findet sich im Rahmen der aktuellen Ausstellung „Museum grenzenlos. Kunst-Design / Dunkerque-Krefeld“ sogar ein Tischfußball. Bespielen ausdrücklich erwünscht.
Baudin schließt mit ihrer Art, das Museum zu leiten, nicht nur an den ersten Museumsdirektor Friedrich Deneken an, der Gemälde, Skulpturen, Plakate aber auch Gebrauchsgegenstände präsentierte, die stilbildend wirken sollte, um eine neue Form des „guten Geschmacks“ zu fördern, wie es beim Museum selbst heißt. Sie schließt damit auch einen Kreis.
24.000 Werke immer wieder neu inszeniert
Voller Leichtigkeit führt sie DUP UNTERNEHMER durch die Häuser, erzählt von ihrer Leidenschaft für Kunst, Design und Architektur, ihren Plänen, als sie antrat, und verrät, was sie noch vorhat. So möchte sie die ständige Sammlung mit ihren 24.000 Werken – von Monet bis Richter, vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart – gezielt ergänzen. „Sie ist so umfassend, dass wir Exponate immer wieder in verschiedenen temporären Ausstellungsformaten zeigen, die einem Thema folgen“, sagt uns Baudin nicht ohne Stolz. „So kommt es vor, dass Werke auch in ganz unterschiedlichem Kontext gezeigt werden. Und immer wieder anders wirken. Wichtig ist für uns, dass dieser Dialog durch neue Werke erweitert wird und so aktuell bleibt.“
Zum Abschluss des Besuches geht sie durch die weitläufigen, klar gegliederten Gärten mit ihren Skulpturen und Installationen ins Gartenhaus. Es wirkt wie ein originäres Relikt einer lang vergangenen Zeit, mit einer Südstaaten-Veranda und einem scheinbar über Jahre gealterten Interieur. In Wirklichkeit gestaltete auch dieses die US-amerikanische Künstlerin Andrea Zittel. Ein bezaubernder, stiller Ort. Intim und inspirierend zugleich.
Im Kosmos der internationalen Kunstmuseen
Was möchte Katia Baudin noch erreichen mit den ihr anvertrauten Kunstmuseen? Da muss sie nicht lange überlegen. „Wir arbeiten heute schon mit anderen Häusern über die Landesgrenzen hinaus zusammen, arrangieren gemeinsam Ausstellungen wie die Zusammenarbeit mit dem Regionalfonds für zeitgenössische Kunst von Nordfrankreich, FRAC.“ Beheimatet ist der FRAC in Dünkirchen, das in diesem Jahr 50 Jahre Städtepartnerschaft mit Krefeld feiert. So sind Werke der Sammlung des FRAC aktuell am Niederrhein zu sehen, 2025 erfolgt der künstlerische Gegenbesuch.
Doch damit nicht genug. Ab 22. November gastiert eine Ausstellung der Galerie Belvedere aus Wien in den Kunstmuseen mit „Visionäre Räume. Walter Pichler trifft Friedrich Kiesler“. Und im nächsten Jahr soll ein Projekt mit dem Miró Museum Barcelona folgen. „So möchten wir verstärkt als kleiner, aber feiner und spannender Teil der internationalen Kunstmuseen wahrgenommen werden“, sagt Katia Baudin.
Die Welt zu Gast in Krefeld. Warum nicht?