DUP UNTERNEHMER: Ist New Work für Sie mehr Hype oder echte Revolution?
Nina Redel: Für mich ist New Work mehr als nur ein Hype. Es ist eine Neuausrichtung, die die Art und Weise verändert, wie wir arbeiten und wie Unternehmen organisiert sind. Mehr Flexibilität kann zu mehr Zufriedenheit führen, gleichzeitig denke ich aber, dass man genau hinsehen muss. Laut der Global Talent Trends 2024 Studie von Mercer geben beispielsweise lediglich zehn Prozent der Befragten an, dass sie gerne vollständig remote arbeiten möchten, während 27 Prozent gerne 50/50 hybrid arbeiten möchten und überraschenderweise 46 Prozent überwiegend oder sogar vollständig Onsite-Arbeit bevorzugen. Ich persönlich finde, dass drei Tage im Büro zu arbeiten und zwei Tage im Homeoffice zu verbringen, optimal ist. Das ist vermutlich der einzige Vorteil, den die Pandemie mit sich gebracht hat.
Haben Sie das Gefühl, dass Flexibilität im Job wirklich mehr Freiheit bringt – oder nur zusätzlichen Druck?
Redel: Ich glaube fest daran, dass Flexibilität im Job tatsächlich mehr Freiheit bringt. Sie ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Arbeit besser an ihr Leben anzupassen und fördert eine gesündere Work-Life-Balance. Ein Vorschlag, der gerade aus der Politik kommt und infrage stellt, weshalb wir eine tägliche Arbeitszeit gesetzlich festschreiben, finde ich gut. Könnte stattdessen eine Wochenarbeitszeit festgelegt werden? Das eigentliche Problem, das bereits lange diskutiert wird, ist der hohe Anteil an Teilzeitkräften in Deutschland.
Laut dem Statistischen Bundesamt arbeiteten im Jahr 2023 31 Prozent der Angestellten in Teilzeit, wobei Frauen deutlich häufiger in Teilzeit (50 Prozent) als Männer (13 Prozent) arbeiten. Zudem haben 27 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen die Arbeitszeit wegen Kinderbetreuung reduziert, während es bei Männern knapp sechs Prozent sind. Leider rutscht Deutschland auch bei der Arbeitsproduktivität im weltweiten Vergleich ab. Daher hoffe ich, dass insbesondere dieses Potenzial zukünftig ausgeschöpft werden kann, jedoch nur, wenn deutlich verbesserte Kita-Strukturen endlich zur Verfügung stehen.
Würden Sie sagen, dass New Work eher den Unternehmen oder den Mitarbeitenden nützt?
Redel: Von New Work profitieren sowohl die Unternehmen als auch die Mitarbeitenden. Es schafft eine Win-win-Situation, in der die Mitarbeiter mehr Zufriedenheit und Motivation erleben, während die Unternehmen von erhöhter Produktivität und Innovation profitieren. Dazu gibt es ebenfalls einschlägige Studien, die das belegen. Da wir in Deutschland allerdings aktuell verlieren in Bezug auf die Arbeitsproduktivität, möchte ich den Fokus gerne auf das Thema Führung lenken, ein wesentlicher Faktor, wenn wir über New Work sprechen.
Laut einer Umfrage von Gallup aus dem Jahr 2023 erreichte die Wechselbereitschaft einen Rekordwert von 45 Prozent. Ein entscheidender Faktor für diese hohe Wechselbereitschaft ist, dass nur 14 Prozent der Befragten (im Jahr 2022 waren es 13 Prozent) ein Arbeitsumfeld erleben, das von guter Führung geprägt ist und in einer starken emotionalen Bindung resultiert. Nicht jede/r Fachexperte/-in ist automatisch eine gute Führungskraft, daher würde ich mir wünschen, dass Unternehmen ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl ihrer Führungsmannschaft legen, beispielsweise durch den Einsatz eignungsdiagnostischer Instrumente.
Glauben Sie, dass sich durch New Work die klassische Karriereleiter überlebt hat?
Redel: Da bin ich eher unentschieden. Ich denke aber, dass sich durch New Work eine Vielzahl von Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierewegen ergeben, die individueller und vielfältiger sind. Beispielsweise setzen wir in unserem Unternehmen zurzeit ein 18-monatiges Trainingsprogramm auf, das einen 360° Blick wirft auf alle Facetten von Talent Management. Nach dem erfolgreichen Absolvieren kommen die Teilnehmer in einen Talentpool, um perspektivisch neue Aufgaben wahrnehmen zu können, die nicht zwingend die Übernahme von Führungsverantwortung bedeuten muss.
Welche New-Work-Idee würden Sie sofort abschaffen, wenn Sie könnten?
Redel: Ich glaube, dass eine ausgewogene Herangehensweise erforderlich ist, die Flexibilität und Eigenverantwortung fördert, aber auch klare Leistungsziele und -messungen beinhaltet. Durch klare Kommunikation der Unternehmensziele und individuellen Leistungserwartungen sowie die Förderung einer Kultur der Anerkennung und Belohnung für Leistung können New Work und der Wille zur Leistung erfolgreich miteinander vereint werden. Leistung macht Spaß, wenn die Rahmenbedingungen passen. Daher sollten wir uns darauf konzentrieren, beides in Einklang zu bringen. Besonders vor dem Hintergrund des globalen Wettbewerbs, beispielsweise mit China oder Indien, ist es entscheidend, sich anzustrengen, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben. Für mich persönlich stehen "Arbeit und Leben" nicht im Widerspruch. „On a positive note“: Darüber hinaus vertraue ich auf die Stärke positiver Gedanken, darum möchte ich zum Schluss das Buch "The Happiness Advantage" von Shawn Achor empfehlen.