Tabuthema

Offen über Geld sprechen – ist das überhaupt möglich?

Für Bloggerin Celine Nadolny ist es normal, über Finanzen zu reden. Doch diese Offenheit ist häufig verpönt. In ihrem Gastbeitrag plädiert sie für mehr Transparenz.

Bild einer Frau mit Geld in der Hand als Sinnbild für das Sprechen über Finanzen

13.12.2024

Prinzipiell könnten wir alle offen über unser Einkommen und Vermögen sprechen. Doch warum tun es so wenige? Warum ist es unter Familienmitgliedern, im Freundeskreis sowie in der Kollegenschaft verpönt? In manchen Firmen verbieten Führungskräfte ihren Beschäftigten sogar, über ihre Gehälter zu sprechen. Es scheint, als sei Geld ein Tabuthema. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort: „Über Geld spricht man nicht. Geld hat man.“ Für mich vollkommener Nonsens, aber es trifft den Kern der öffentlichen Debatte.

Geld und Gesellschaft

Doch wir müssen gar nicht so weit gehen und über Reichtum philosophieren. Schon im Kleinen führen Unterschiede zu Neid und Missgunst aufgrund – zumindest gefühlter – Ungerechtigkeit. Was fällt meiner Nachbarin ein, ein größeres Auto zu fahren? Weshalb verdient meine Chefin so viel mehr als ich, die arbeitet doch gar nicht?
Objektive Ungerechtigkeiten müssen bekämpft werden, aber dazu müssen wir lernen, offen über Geld zu sprechen. Solange wir das nicht können, bewegen wir uns immer auf der Ebene von Mutmaßungen. Es ist paradox, dass wir einerseits nicht als gierig gelten wollen, andererseits aber oft über die Rechtmäßigkeit des Einkommens anderer diskutieren. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns über Einkommen und Vermögen definieren, was bei anderen jedoch Begehrlichkeiten weckt. Solange wir alle ungefähr gleich viel verdienen, ist alles in Ordnung. Aber sobald jemand mehr hat, wird es problematisch. Über kaum ein anderes Thema wird so viel gelogen. Mal rechnen wir uns arm, mal reich. Wer zu viel Vermögen hat, muss geizig gewesen sein oder sich auf Kosten anderer bereichert haben. Wenn wir akzeptieren, dass Geld neutral ist und nichts über unseren Charakter aussagt, wäre die Debatte leichter. Wie man es macht, macht man es falsch – und deshalb schweigen viele lieber über ihr Einkommen.

Eine neue Normalität schaffen

Wie können wir dem Teufelskreis nun entkommen? Im großen Stil sicherlich gar nicht, aber im Kleinen sollten wir uns darin üben, über Geld zu sprechen. In unserer Beziehung, mit unseren Eltern, im Freundeskreis. Ganz sachte, ganz behutsam. Es mag zunächst befremdlich sein, und wir sollten es nicht überstrapazieren, wenn wir aufkommenden Neid spüren. Aber mit der Zeit können wir uns an die Transparenz gewöhnen, die Vorteile darin erkennen und uns darin bestärken, anderen aufrichtig etwas zu gönnen.

Celine Nadolny

ist Gründerin des Blogs „Book of Finance“. Während ihres Studiums im Bereich Business- Administration machte sie sich selbstständig.