Persönliche Gesprächstermine fallen in Zeiten von Corona flach. Keine Flüge, keine Zugfahrten, kein Shakehands. Stattdessen nur das Einchecken in Teams, Zoom und Co. Wie passend für ein Gespräch über Nachhaltigkeit. Immerhin sparen die Gesprächspartner dadurch Zeit, Geld und CO2. Aus seinem Londoner Homeoffice antwortet Ben Constable-Maxwell von M&G Investments. Man könnte sagen, er ist der Nachhaltigkeitsvordenker in dem britischen Unternehmen.
Impact Investing
Nachhaltiges Investieren federt Risiken ab
Investments Geld nachhaltig anzulegen ist ein Megatrend. Aber was bedeutet das für Wirtschaft und Staat? Und: Was bringt der Ansatz Unternehmen und Anlegern wirklich? Ben Constable-Maxwell von M&G Investments kennt die Antworten.

01.07.2021

Ben Constable-Maxwell
ist Head of Impact-Investing bei M&G Investments. Er ist einer der Nachhaltigkeits-Vordenker im Unternehmen.
Europa hat ein massives Finanzprogramm aus dem Boden gestampft, das auch einen nachhaltigen Kurswechsel anpeilt. Das gleiche Bild in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ist das jetzt der Start einer dauerhaften grünen Welle?
Ben Constable-Maxwell: Es gibt Experten, die von einem grünen Kondratieff sprechen. Also einem jener Zyklen, die über 50 Jahre andauern. Ich denke, es gibt Anzeichen dafür, aber in der Praxis braucht es dafür noch weitere Faktoren. Vielleicht sogar ein neues ökonomisches Modell und auch den Konsens. Und es sind Katalysatoren nötig, etwa regulatorische Auslöser und finanzielle Wendepunkte. Aber auch so ist das schon eine phänomenale Veränderung, die da vonstatten geht. Das ist ja kein Fokus nur auf grünes Bauen, sondern auf einen sozialen Ansatz, der von vielen bedeutenden Akteuren wie etwa Christine Lagarde oder Joe Biden befördert wird. Und Anleger und Regulatoren ziehen mit. Das ist ein ganz anderes Bild, als es sich noch vor nur fünf Jahren bot.
Verstehen Unternehmen und Politiker die Komplexität des Ansatzes eigentlich?
Constable-Maxwell: Ich erinnere mich an ein Event in Schottland, bei der Findhorn Foundation. Das ist gestartet als Hippie-Community und inzwischen ein Zentrum für Nachhaltigkeit. Dort gesprochen hatte Nick Robbins, ein Professor der London School of Economics. Es ging um „just transition“, also den sozial gerechten Übergang zu einer Energiewende. Und der Ansatz hat seinen Weg ins European Finance Program gefunden. Das ist für mich ein Indikator, wie schnell so eine Idee vom Klima- zu einem umfassenden Ansatz wird, der auch soziale Aspekte beinhaltet.
Zusammengefasst eben zum ESG-Dreiklang – Umwelt, Soziales und unternehmerisches Wohlverhalten.
Constable-Maxwell: Genau. Die Pandemie hat uns gezeigt, wie sehr alles mit allem zusammenhängt. Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Armut, der Zugang zu medizinischer Versorgung. Ein nachhaltiger Ansatz nutzt allen.
Manche Wissenschaftler raten Unternehmen daher zur „Resilienz“. Stimmt das?
Constable-Maxwell: Resilienz ist ein ganz wichtiger Teil der Arbeit. Wir verwalten ja auch einen Impact-Fund. Wir haben Unternehmen immer gefragt, wie resilient sie sind. Teil der Theorie ist, dass verantwortungsvolle und nachhaltige Firmen in der Krise widerstandsfähiger sind, wir als Impact-Investoren also davon profitieren. Wenn Großunternehmen etwa nicht auf die Nachhaltigkeit ihrer Lieferketten achten, geht das zulasten der Resilienz. Die Pandemie hat gezeigt, wie problematisch das ist, weil Lieferketten abreißen können. Und das ist auch ein Problem für Anleger. Mit einem nachhaltigen Ansatz in der breiten Definition, also nicht nur mit dem Fokus auf die Umwelt, lässt sich so ein Risiko abfedern.
Was ist die Kernherausforderung für Firmen, die nachhaltiger werden wollen?
Constable-Maxwell: Unternehmen müssen eine Art Landkarte zeichnen, um strategisch planen zu können. Also: Was sind die Implikationen, wenn man sich in Richtung Nachhaltigkeit aufmacht, was bedeutetet es, nachhaltig zu arbeiten? Wer sind die Stakeholder, was sagen sie zu so einem Kurs? Was ist mit den Mitarbeitern, was sind die Kosten? Ich denke, das wäre ein guter Startpunkt. Und immer an die Komplexität denken!
Müssen Sie den Erfolg darum anders messen als nur in Finanzkennzahlen?
Constable-Maxwell: Ja, Investoren machen das auch zunehmend. Wir schauen mit unseren Impact-Funds zum Beispiel nicht nur auf Finanzkennzahlen, sondern auch darauf, ob Unternehmen einen Beitrag zu den SDGs leisten, den Sustainable Development Goals. Bei M&G denken wir mehr und mehr über diesen Ansatz nach. Auch weil Anleger und Regulatoren das so wollen. Klar, denn Umwelt- und Sozialwerte sind wichtige Bestandteile des Gesamtwerts. Vor allem sind es Bestandteile, die auch dem Anleger nutzen, weil sie dafür sorgen, dass bestimmte Risiken besser gemanagt werden.
Welche Rolle spielt Innovation dabei – Innovation etwa auch bei eher ferner liegenden Aspekten wie der Besteuerung?
Constable-Maxwell: Derzeit besteuern wir alles – egal ob es einen Beitrag für die Gesellschaft leistet oder nicht: Angestell te, also den Faktor Arbeit, aber auch Windenergie, Tabak und so weiter. Es gibt aber den innovativen Ansatz, weniger das Gute und mehr das Schlechte zu besteuern, um das Verhalten zu lenken. Nehmen Sie die Harvard Business School Impact-Weighted Accounts Initiative. Die bedeutet, dass es auf der Bilanz lastet, wenn ein Unternehmer seinen Arbeitnehmern weniger als einen fairen Lohn zahlt – genauso, wenn er die Umwelt verschmutzt oder Einwegverpackungen herstellt. Auf der anderen Seite ist es gut für die Bilanz, wenn sich das Unternehmen für die Umwelt einsetzt, etwa für sauberes Wasser sorgt. Das könnte als Tool genutzt werden, Unternehmen auf der Grundlage ihres gesellschaftlichen Beitrags genauer zu besteuern.
Wie nachhaltig ist Europas Wirtschaft? Und wie sieht sie in zehn Jahren aus?
Constable-Maxwell: Der „Circularity Gap“ zeigt, welcher Teil von Europas Wirtschaft den Anforderungen der Kreislaufwirtschaft genügt, also im weitesten Sinne nachhaltig ist. Über den groben Daumen sind das derzeit knapp zehn Prozent. Genauer: 8,6 Prozent; 2020 waren es 9,1 Prozent. Die Pandemie hat die Lage noch verschlimmert. Das liegt daran, dass zum Beispiel weniger Müll eingesammelt wurde, dass mehr online eingekauft wurde und auch mehr Einwegverpackungen anfielen. Da ist vieles falsch gelaufen. Man kann den Wert der Kreislaufwirtschaft auch beziffern: Bis 2030 können das in Europa fast zwei Billionen Dollar sein und 80 Millionen Jobs geschaffen werden. Das ist die Richtung, in die wir gehen müssen. Dazu brauchen wir Druck, von Regulatoren, aber auch von Investoren. Es gibt noch viel zu tun.

Redakteur
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