Finance und KI

Warum Unternehmen ihre Finanzabteilung neu ausrichten sollten

Der Finanzbereich als Strategiepartner der Geschäftsführung: Daran führt in Zeiten wachsender Komplexität durch Künstliche Intelligenz kein Weg vorbei – insbesondere im Mittelstand. Wie sich moderne CFOs positionieren, wie diese die Zukunft von Unternehmen entscheidend mitbestimmen können und welche ersten Schritte sinnvoll sind, erklärt Enomyc-Experte Jonas Keppler.

Illustration: Eine Person blickt mit einer Lupe auf Euromünzen, als Symbol für Finance Transformation Mittelstand

18.06.2025

Gerade bei kleineren und mittelgroßen Unternehmen steht die Finance-Abteilung für klassische Aufgaben wie Controlling und Buchhaltung – und nur selten für Zukunftsthemen wie Innovationen und Strategie. Das muss sich ändern, findet Jonas Keppler, Partner und Head of Finance bei der Mittelstandsberatung Enomyc. Denn so lassen Finanzverantwortliche unnötig Potenziale liegen, die für den Erfolg ihres Unternehmens entscheidend sein können. KI entlaste die Finance-Teams und schaffe Raum für neue Denkweisen. Was im Mittelstand bei der Einführung von KI im Finance-Bereich zu beachten ist, lesen Sie im folgenden Interview mit Jonas Keppler:

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Herr Keppler, Sie unterstützen mittelständische Unternehmen bei der Transformation des Finanzbereichs. Warum kommen diese dabei aus Ihrer Sicht um KI nicht herum?

Jonas Keppler: Die Erwartungen an CFOs verändern sich: Künftig wird der Einsatz von KI im Finanzbereich nicht mehr als Innovation gelten, sondern als Standard. Wer sich heute mit dem Thema auseinandersetzt, kann noch mit Differenzierung punkten – und sich als zukunftsfähiger Finanzmanager positionieren. Gleichzeitig schafft KI die Voraussetzungen, damit Finance über klassische Funktionen wie Buchhaltung oder Controlling hinauswächst und als Sparringspartner für die Geschäftsleitung agieren kann. Das steigert den Beitrag zur Wertschöpfung und erhöht zugleich intern die Sichtbarkeit und Anerkennung.

Wie kann das gelingen?

Keppler: Der erste Schritt ist immer eine Bestandsaufnahme. Die entscheidenden Leitfragen lauten: Welche Kernprozesse bestehen und wie sind diese strukturiert? Welche lassen sich auch ohne KI automatisieren? Und welche erfordern bislang menschliche Intelligenz – und könnten künftig durch KI ersetzt werden? Klassische Beispiele wären etwa Prüf- und Freigabeprozesse oder das Identifizieren und Erklären von Abweichungen im Rahmen des Reporting-Prozesses. Dabei bleibt klar: Die Köpfe dürfen nicht ausgeschaltet, Kompetenzen müssen im Unternehmen gehalten werden. Durch Validierung per Stichprobe lässt sich die notwendige Qualität sichern und gleichzeitig Vertrauen in die neuen Systeme aufbauen. Wichtig ist auch ein pragmatischer Einstieg: Lieber einen stabilen Prozess mit überschaubarer Technologie realisieren als eine ambitionierte Lösung, die an unklaren Zielsetzungen scheitert. KI sollte nicht um ihrer selbst Willen eingesetzt werden.

Wenn Kapazitäten freigesetzt sind und die KI Routineaufgaben zuverlässig bewältigt: Wie kann die Finanzabteilung die strategische Geschäftsplanung unterstützen?

Keppler: Die Stärke von KI liegt in der Mustererkennung – etwa bei der Erstellung datenbasierter Prognosen zu Umsatz- oder Liquiditätsentwicklung. Berücksichtigen muss man dabei selbstverständlich die Datenqualität: KI kann mit fehlerhaften Stamm- oder Transaktionsdaten umgehen, dies muss bei der Implementierung jedoch mitgedacht werden. Darüber hinaus kann KI aber auch zur Identifikation von Maßnahmen zur Ergebnis- oder Liquiditätsverbesserung, zur Analyse möglicher Transaktionsziele und zur Identifikation von Risiken eingesetzt werden.

Welche Vorgehensweise raten Sie mittelständischen Unternehmen, die KI in ihrer Finanzabteilung einführen wollen?

Keppler: Zunächst ist gemeinsam zu klären, welche Ziele mit KI verfolgt werden sollen – davon hängt der weitere Fahrplan ab. Ein bewährter Einstieg ist der Einsatz generativer KI, etwa zur Unterstützung der alltäglichen Analysetätigkeiten im Controlling. Dabei gibt man den Mitarbeitenden die Möglichkeit, KI nach eigenem Ermessen für bestehende Tätigkeiten zu nutzen, selbstverständlich inklusive vorhergehender Schulung. Der Vorteil: geringe Investitionen bei hoher Wirkung und gleichzeitiger Risiko-Reduktion. Denn, was einige CFOs kaum glauben können: Findige Controller und Controllerinnen werden früher oder später ohne ein entsprechendes Angebot des Unternehmens mit privaten Accounts KI nutzen und dabei gegebenenfalls sensible Informationen preisgeben.

In einem zweiten Schritt lohnt sich die Analyse komplexer Prozesse mit Automatisierungspotenzial. Für diese bieten sich spezialisierte KI-Anwendungen an, die meist extern entwickelt werden müssen. Der Aufwand ist höher, zahlt sich aber oft rasch aus. In der Regel halten mittelständische Unternehmen hierfür nicht das erforderliche Know-how oder die erforderlichen Ressourcen bereit. Daher lohnt es sich meist, auf eine temporäre externe Unterstützung zu setzen.

Jonas Keppler

ist Partner und Head of Finance der Mittelstandsberatung Enomyc. Er unterstützt Unternehmen im Finanzbereich mithilfe von Digitalisierung, Automatisierung und neuen Services – bei Strategien für die Zukunft, aber auch bei Sanierungen.