KI-Aktien: Zwischen Hype und Realität
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Wie bewerten Sie die aktuelle Stimmung am Aktienmarkt gegenüber Unternehmen aus dem Bereich Künstliche Intelligenz, kurz KI. Befindet sich der Sektor eher in einer Wachstumsphase oder schon in einer Überhitzung?
Mirko Maier: Die aktuelle Marktstimmung gegenüber KI-Unternehmen zeigt ambivalente Signale. Hohe Erwartungen an zukünftige Umsatz- und Gewinnpotenziale werden durch die stetig wachsenden Anwendungsmöglichkeiten von KI in der Praxis befeuert, was die Aktienkurse stützt. Allerdings basieren die jüngsten Kursanstiege vieler KI-Unternehmen teils auf hohen Auftragseingängen, die erst in den kommenden Jahren zu tatsächlichem Umsatz werden. Zudem beruhen einige Erfolge auf wechselseitigen Partnerschaften und Verträgen zwischen KI-Unternehmen, die wie teuer erkaufte Umsätze wirken. Dies deutet meines Erachtens zunehmend auf eine Überhitzung hin.
Wie hoch schätzen Sie die Gefahr einer möglichen KI-Blase ein, ähnlich der Dotcom-Phase Anfang der 2000er-Jahre?
Maier: Der Absatzmarkt für die Produkte, Anwendungen und Ideen der Dotcom-Unternehmen in den 2000er-Jahren war stark limitiert. Das Internet hatte nur wenige Nutzer, die Rechenleistung der verfügbaren Hardware war begrenzt und die Übertragungsgeschwindigkeiten der Festnetz- und Mobilfunknetze waren – aus heutiger Perspektive – äußerst bescheiden. Heute sieht die Situation grundlegend anders aus. Zwar wird nicht jedes aktuelle KI-Unternehmen langfristig bestehen, doch die Chancen, mit guten Produkten und Lösungen schnell eine breite Kundenbasis aufzubauen und zu skalieren, sind deutlich höher als damals.
Die Aktienkurse von KI-Firmen stürzten ab, als der chinesische Anbieter Deepseek Anfang des Jahres ein kostengünstiges KI-Modell präsentierte. Besteht die Gefahr, dass sich eine solche Entwicklung wiederholt?
Maier: In der Technologiebranche ist der nächste Konkurrent oft nur einen Mausklick entfernt – ein abgedroschenes Bonmot, das jedoch weiterhin gilt, auch bei KI. Daher wird es vielleicht nicht ein weiteres „Billig“-Modell sein, das die Aktienkurse belasten könnte, sondern eher eine andere potenziell disruptive Innovation.
Welche Teilbereiche der KI halten Sie derzeit für besonders zukunftsträchtig – Hardware, Cloud-Services, Software oder beispielsweise Anbieter von Rechenzentren?
Maier: Der zusätzliche Nutzen immer besserer KI-Modelle nimmt ab, was die Milliardeninvestitionen in deren Entwicklung unseres Erachtens zunehmend infrage stellt. Die hohen Wachstumserwartungen für Hyperscaler ohne Amortisierungsmöglichkeiten ihrer Investitionen über ein eigenes Produktportfolio sowie für Hardwarehersteller ohne Alleinstellungsmerkmale dürften kritisch hinterfragt werden. Sollten KI-Anwendungen in Form von Millionen kleiner Lösungen – Stichwort Interferenz – Einzug in die Praxis halten, sehen wir Anbieter im Vorteil, die Zugriff auf Unternehmensdaten haben, insbesondere Hersteller von betriebswirtschaftlicher Standardsoftware und Datenbanken.
Welche börsennotierten Unternehmen sind Ihrer Meinung nach aktuell die vielversprechendsten Profiteure des KI-Booms und warum?
Maier: Im Fokus stehen im Moment die Entwickler und Enabler der grundlegenden KI-Technologien: Halbleiterhersteller wie zum Beispiel Nvidia und die Betreiber von dezidierten KI-Rechenzentren wie Microsoft, Alphabet und so weiter. Diese profitieren auch davon, dass ein Engagement über die Börse in die gewichtigen Entwickler der Modelle aktuell nicht möglich ist.
Welche Kennzahlen oder Indikatoren sind aus Ihrer Sicht besonders wichtig, um die Nachhaltigkeit von KI-Geschäftsmodellen zu bewerten?
Maier: Wie bei allen Technologieunternehmen zählen unseres Erachtens die Wachstumsraten von Umsatz, wiederkehrenden Erlösen und operativem Ertrag zu den zentralen Kriterien bei der Selektion. In diesen Kennzahlen spiegeln sich auch der Zugang zu geeigneten Trainingsdaten für die Modellentwicklung sowie die Skalierbarkeit des damit geschaffenen Produkts wider. Insbesondere bei Anbietern von KI-Rechenzentren sollten zusätzlich die Auswirkungen der weiterhin steigenden Hardwareinvestitionen berücksichtigt werden. Diese führen in der Folge zu höheren Abschreibungen und können deshalb die operative Ertragsentwicklung spürbar bremsen.
Welche Rolle spielt Regulierung, etwa durch EU-Gesetze oder US-Richtlinien, für die Bewertung und Zukunftsfähigkeit von KI-Unternehmen?
Maier: Regulierung hat einen enormen Einfluss auf Entwicklungsmöglichkeiten und Skalierungschancen von Unternehmen. In den USA wird eine Technologie zunächst entwickelt und in den Markt gebracht; mögliche Auswirkungen werden erst im Nachhinein reguliert. In der Europäischen Union hingegen entsteht zunächst zeitraubend ein komplexes Gesetz, das alle denkbaren Eventualitäten berücksichtigt – erst danach darf die Technologie genutzt werden. Das Ergebnis: Mit dem EU KI-Act hat Europa zwar den weltweit ersten regulatorischen Rahmen für KI geschaffen, jedoch keinen einzigen KI-Player von globaler Relevanz hervorgebracht.


