Techwerte

KI-Aktien: Schock aus China

Als Ende Januar die aus China stammende Deepseek-Chatbot-App R1 veröffentlicht wurde, stürzten viel KI-Aktien heftig ab. Droht dem Hype ums Geschäft mit Künstlicher Intelligenz damit ein Ende?

Eine Person in einem Schutzanzug und mit blauen Latexhandschuhen hält einen Chip in der Hand und begutachtet ihn als Symbolbild für KI-Aktien

07.02.2025

Deep was?, fragten sich manche Anleger als sie die Kurse ihrer KI-Aktien im Depot registrierten und die Nachrichten nach Ursachen deren herber Verluste durchsuchten. Was war geschehen? Deepseek, ein im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) aktives chinesisches Start-up, veröffentlichte eine Chatbot-App in der Version R1, deren Fähigkeiten in etwa denen von beispielsweise ChatGPT entsprechen sollen: Rechenaufgaben lösen – kein Problem, Texte formulieren – ebenso wenig.

Hohe Wertverluste von KI-Aktien

Dazu stellte sich heraus, dass der neue Chatbot mit weniger Halbleitern und geringerem Stromverbrauch trainiert wurde. Insbesondere deshalb breiteten sich unter den Aktionären von Chipherstellern wie Nvidia oder Tech-Riesen wie Meta Sorgen aus, dass sich deren milliardenschwere Investitionen – wie schon zuvor oftmals befürchtet – auf Dauer nicht rechnen könnten. Eine Verkaufsflut von Tech-Titeln war die Folge, Börsenbeobachter sprachen von annhähernd einer Billion Dollar Wertverlust.

Zweifel machen sich breit

Wenn es in den Folgetagen auch zu einer Gegenbewegung der Kurse kam, zweifeln viele Anlegende zunehmend an der bisherigen Effizienz der Chatbot-Entwicklungen und an der nachhaltigen Tragfähigkeit des Geschäftsmodells der Hersteller. Zudem deutete der Weckruf aus Chinas breiter Technologieszene darauf hin, dass amerikanische Träume von oligopolartigen Marktstellungen der US-Riesen eben auch solche bleiben dürften.

Professionell aufgestellt

Doch einige Börsenexperten warnen vor zu viel Pessimismus. So etwa Robert Halver, Managing Director und Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank in der Frankfurter Dependance des Instituts aus Unterschleißheim bei München. Halver sagt: „Diese Kursanpassungen sind gesund wie reinigende Gewitter. Diese Art Abstürze sind jedoch nicht mit dem Platzen der Internet-Blase zu vergleichen. Damals gab es statt Substanz nur heiße Luft. Heute sind die Tech-Unternehmen im KI-Hardware-Bereich deutlich professioneller aufgestellt, auch wenn die Bäume nicht in den Himmel wachsen“ (siehe Interview unten).

Auch Datenschutz spielt bei KI-Aktien eine Rolle

KI dürfte trotz aller Bedenken auf Jahre hinaus eine der Technologien sein, welche der Wirtschaft die stärksten Impulse geben. Wettbewerber wie Deepseek sollten aber mit dazu führen, dass die bereits etablierten Herrsteller ihre Produkte verbessern und die Kosten senken, meint Halver. Bei Angeboten aus der Volksrepublik dämpfen zudem Sorgen um den Datenschutz die Bereitschaft von Anwendern, deren Chatbot zu nutzen.

„Zacken aus der Krone!“

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank, über die Turbulenzen bei KI-Aktien.

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Fast eine Billion Dollar Kursverluste nach Vorstellung eines neuen KI-Modells aus China – war für Sie ein solcher Einbruch der Technologieaktien absehbar?

Robert Halver: Wer hoch fliegt, kann auch tief fallen. Selbst amerikanische High-Tech-Überflieger sind nicht immun und müssen zwischenzeitliche Konsolidierungen aushalten, wenn zum Beispiel chinesische Wettbewerber wie Deepseek in Erscheinung treten. Dann werden ihre Geschäftsmodelle mit Blick auf Kosten, Nutzen und damit Bewertung stärker unter die Lupe genommen. Nur die Harten kommen in den Garten. Diese Kursanpassungen sind gesund wie reinigende Gewitter. Diese Art Abstürze sind jedoch nicht mit dem Platzen der Internet-Blase zu vergleichen. Damals gab es statt Substanz nur heiße Luft. Heute sind die Tech-Unternehmen im KI-Hardware-Bereich deutlich professioneller aufgestellt, auch wenn die Bäume nicht in den Himmel wachsen.   

Ist mit den Kursabstürzen der lange Boom von Titeln wie Nvidia beendet, oder erwarten Sie eine nachhaltige Erholung der Werte?

Halver: An High-Tech, KI und ihren Anwendungen geht kein Weg vorbei. Es ist die Zukunftstechnologie. Sie erleben eine langfristige Sonderkonjunktur. Doch tut es der amerikanischen High-Tech-Aristokratie und ihrer Selbstgefälligkeit gut, wenn die chinesische Revolution ihnen ab und zu einen Zacken aus der Krone bricht. Konkurrenz ist immer belebend. Beide Seiten ziehen alle Register, um in der Hardware immer besser zu werden, was auch ihren Aktienkursen grundsätzlich zugutekommt. Doch wenn KI-Hardware in Teilbereichen einfacher und preiswerter zu beschaffen ist und sich daher auch schneller verbreitern kann, profitieren Unternehmen, die zu günstigen Kosten eine Vielzahl von attraktiven Anwendungslösungen bieten. So wächst Software gegenüber der bislang börsenbestimmenden Hardware immer mehr. Innerhalb der High-Tech-Branche gibt es also eine Alternative. Die Karawane zieht innerhalb der Branche weiter. Damit bleibt allgemeine Panik bei IT aus. Im Gegenteil, High-Tech gewinnt in der Breite an Attraktivität für Anleger.

Werden sich die enormen Investitionen der Technologieunternehmen in Künstliche Intelligenz jemals auszahlen?

Halver: Die Annahme, dass längerfristig weniger qualitative Prozessorchips, Server, Hardware und Strom zur Erfüllung dramatisch wachsender KI-Aufgaben wie zum Beispiel in großen Rechenzentren benötigt werden, ist nicht gerechtfertigt. Die leistungsfähigsten Chips werden auch zukünftig gebraucht, etwa für Quantencomputer. Dann heißen sie Qubits, Quantencomputerchips. Von besonderer Bedeutung ist ohnehin die geopolitische Dimension. Das Land, das bei Hardware die Nase vorn hat, besitzt ebenso Weltmachtqualitäten.

Mit den heftigen Korrekturen der Technologieaktien kamen auch Kryptowährungen wie Bitcoin ins Trudeln. Welchen Zusammenhang sehen Sie darin?

Halver: IT und Kryptos stehen an der Spitze der technologischen Entwicklung. Daher werden sie von Anlegern in eine Schublade gesteckt, was dazu führt, dass sich ihre Wertentwicklungen ähneln. Man könnte fast sagen „Läuft Butter, läuft auch Käse“, aber auch umgekehrt. Und beide haben Zukunft. High-Tech wegen seiner Sonderkonjunktur und Kryptos als mittlerweile etablierte Anlageklasse und auch als alternative Zahlungseinheit. Und beide werden von der neuen US-Regierung massiv gefördert. Sowohl bei IT wie bei Kryptos gönnt Trump den Chinesen nicht das Schwarze unter den Nägeln.  

Porträt von Robert Halver, Managing Director und Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank

Robert Halver

ist Managing Director und Leiter Kapi­tal­markt­ana­ly­se bei der Baader Bank. Nach seinem betriebs­wirt­schaft­li­chen Studium arbeitete er für ver­schie­dene Adressen im Finanzbereich, etwa für Vontobel