Nach Jahren niedriger Zinsen stehen Anleihen wieder im Fokus der Anleger. Vor allem Unternehmensanleihen bieten attraktive Renditen – vorausgesetzt, Auswahl und Strategie stimmen. Welche Rolle Anleihen im Portfolio und in einer Multi-Asset-Strategie spielen können und wie sich das Marktumfeld entwickelt, erklärt Tanja Siegrist. Sie ist Senior Portfolio Manager bei der DWS und Expertin für die Allokation von Anleihen.
DUP UNTERNEHMER-Magazin: Anleihen waren lange unattraktiv. Sind sie nun zurück?
Tanja Siegrist: Lange Zeit war das Zinsumfeld tatsächlich eine Herausforderung – Staatsanleihen mit Negativrenditen haben viele Investoren abgeschreckt. Inzwischen sehen wir wieder attraktive Renditen, gerade bei Unternehmensanleihen. Die Zinswende hat die Anleihenlandschaft verändert: Auch mit Papieren guter Bonität lassen sich wieder ordentliche Erträge erzielen. Und genau da setzen wir mit unserem Total-Return-Ansatz im „DWS Invest Credit Opportunities“ an.
Welche Rolle können Anleihen in einem gemischten Portfolio spielen?
Siegrist: Sie können als Beimischung sinnvoll sein, vor allem wenn Anlegende bisher auf Aktien fokussiert waren und der Rest ihres Vermögens auf dem Konto gelegen hat. Denn während sich letztes Jahr etwa mit Geldmarktfonds noch vier Prozent Rendite erzielen ließen, sind sie nach der Zinssenkung der Europäischen Zentralbank deutlich unattraktiver. Der Renditeverlust durch sinkende Geldmarktzinsen lässt sich mit einer selektiven Beimischung von Unternehmensanleihen kompensieren – bei moderatem Risiko. Entsprechend konnten Rentenfonds im vergangenen Jahr deutliche Zuflüsse verzeichnen.
Was zeichnet den „DWS Invest Credit Opportunities“ aus?
Siegrist: Er ist als Allwetterlösung für die Anleihenkomponente im Portfolio gedacht und richtet sich an Anleger mit einem mittleren bis längeren Zeithorizont von drei bis zehn Jahren. Unser Renditeziel ist nicht die Outperformance einer Markt-Benchmark, sondern wir verfolgen eine interne, absolute Renditevorgabe: den Drei-Monats-Euribor plus 350 Basispunkte, also zurzeit 5,5 Prozent. Das Konzept basiert auf Flexibilität: Wir kombinieren Zins- und Kreditrisiken gezielt, um eine attraktive risikoadjustierte Rendite über den gesamten Wirtschaftszyklus hinweg zu erzielen.
Wie unterscheiden sich aktuell Staats- und Unternehmensanleihen in der Bewertung?
Siegrist: Staatsanleihen gelten grundsätzlich als risikoarm. Allerdings hat die Volatilität von US-Treasuries nach Trumps „Liberation Day“ – der Verkündung hoher Zölle durch den US-Präsidenten – zuletzt zugenommen. Unternehmensanleihen bieten dagegen zusätzlich zum Zinsniveau eine Kreditprämie, die je nach Emittent und Bonität unterschiedlich ausfällt. Diese Risikoprämien sind für uns ein zentrales Kriterium. Wir schauen bei der Auswahl also sowohl auf die Zinskomponente als auch auf die Kreditqualität, Liquidität und Fundamentaldaten der Emittenten.
Wie hat sich das Marktumfeld für Unternehmensanleihen zuletzt entwickelt?
Siegrist: Wir sehen aktuell einen sehr aktiven Primärmarkt für Unternehmensanleihen, sowohl bei solchen mit hoher Bonität – dem Investment-Grade-Segment – als auch bei Hochzins- beziehungsweise High-Yield-Anleihen. 2024 war geprägt von hoher Nachfrage, viele Emissionen waren mehrfach überzeichnet. Die Performance am Sekundärmarkt war ebenfalls erfreulich. Nach dem „Liberation Day“ im April haben viele Unternehmen erst einmal abgewartet. Aber zuletzt sehen wir wieder mehr Aktivität, selbst im High-Yield-Bereich.
Wie gehen Sie bei der Titelauswahl vor?
Siegrist: Wir analysieren die Bilanzen, den Verschuldungsgrad, die Cashflows, aber auch branchenspezifische Risiken. Gerade bei Hochzinsanleihen ist die fundamentale Prüfung entscheidend. Wir führen regelmäßig Gespräche mit den Unternehmen, CFOs, manchmal auch mit CEOs, um ein möglichst vollständiges Bild zu erhalten. Denn: Es gibt insbesondere bei Unternehmen im Hochzinsbereich oft Interessenkonflikte zwischen Aktien- und Anleiheinvestoren.
Welche Strategien verfolgen Sie bei Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen?
Siegrist: Das richtet sich stark nach dem makroökonomischen Umfeld. In einer stabilen Phase mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit ist High Yield interessant. Aber auch antizyklisch nach einem deutlichen Marktabverkauf kann man hier selektiv attraktive Prämien einsammeln. In Phasen erhöhter Unsicherheit – wie aktuell – liegt unser Fokus eher auf Investment Grade. Die Renditen dort sind wegen der gestiegenen Zinsen attraktiv, das Risiko überschaubar.
Wie gut sind deutsche Mittelständler bei der Refinanzierung am Kapitalmarkt aufgestellt?
Siegrist: Der deutsche beziehungsweise europäische Markt ist nicht zu vergleichen mit der Tiefe des US-Markts. Viele Mittelständler hierzulande verlassen sich noch relativ stark auf Bankfinanzierungen. Einige sind aber inzwischen am Kapitalmarkt. Mit dem „Credit Opportunities“ gehen wir auch mal in kleinere Emissionen. Für große Fonds wie den „DWS Concept Kaldemorgen“ sind solche kleineren Anleihen allerdings zu illiquide.
Der „DWS Concept Kaldemorgen“ ist einer der Flaggschifffonds der DWS. Worauf legt er den Fokus?
Siegrist: Er richtet sich an eher konservative Anleger. Es handelt sich um ein Multi-Asset-Produkt mit klar definiertem Risikoprofil: Der maximale Wertverlust soll zehn Prozent im Kalenderjahr nicht überschreiten. Diese risikokontrollierte Strategie ermöglicht Partizipation an den Märkten, ohne Anlegern schlaflose Nächte zu bereiten.
Welche Anlageklassen nutzen Sie dabei?
Siegrist: Neben Aktien und Anleihen investieren wir auch in Gold, Währungen und Derivate. So können wir flexibel auf Veränderungen reagieren, Risiken absichern und das Portfolio sehr breit diversifizieren. In volatilen Phasen ist das ein entscheidender Vorteil. Beispielsweise haben wir nach Trumps Amtsantritt das US-Dollar-Exposure frühzeitig deutlich reduziert. Angesichts der starken Dollar-Abwertung nach dem „Liberation Day“, die wir in dieser Geschwindigkeit auch nicht erwartet hätten, hat sich das als sehr sinnvoll erwiesen.