DUP UNTERNEHMER-Magazin: Wie nutzen Unternehmen technologische Innovationen, insbesondere künstliche Intelligenz, um ihre Position im E-Commerce zu stärken?
Paul Krauss: Der Einsatz von KI verändert den E-Commerce aktuell grundlegend – vor allem in Richtung Effizienz, Automatisierung und Personalisierung. Typische Anwendungsfälle sind automatisierte Produktbeschreibungen, Content-Erstellung oder ein schnellerer Kundenservice. Plattformen wie Temu oder SHEIN zeigen, wie weitreichend diese Technologien Prozesse digitalisieren können. Für Händler hierzulande liegt darin aber auch eine Chance: Qualität, Vertrauen und Nachhaltigkeit können echte Differenzierungsmerkmale sein.
Gleichzeitig verschiebt sich der Fokus immer stärker von der reinen Conversion hin zu einer ganzheitlichen Customer Journey – inklusive After-Sales und Retouren. Wer erfolgreich ist, setzt nicht auf Perfektion, sondern auf Mut zum Testen. Entscheidend sind dabei eine klare Problemdefinition und ein Nutzenversprechen – nicht blinder Technologieeinsatz.
Dabei bleibt die Datenbasis die wichtigste Grundlage – und oft auch das größte Hindernis. Ohne saubere, strukturierte Daten lassen sich weder KI noch personalisierte Erlebnisse sinnvoll umsetzen. Unternehmen, die hier investieren und ihre Systeme modernisieren, haben die Chance, den Wettbewerb hinter sich zu lassen. Besonders im D2C-Modell liegt Potenzial, da wertvolle Kundendaten direkt an der Quelle gesammelt werden können – bislang wird das aber selten konsequent skaliert.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in der E-Commerce-Strategie und wie wird sie praktisch integriert?
Krauss: Nachhaltigkeit entwickelt sich von einem reinen Kommunikationsthema zur betriebswirtschaftlichen Realität. Strengere Regulierungen, steigende Kosten und ein bewussteres Konsumverhalten machen sie zur Pflichtaufgabe. KI kann dabei helfen, Geschäftsmodelle von Grund auf nachhaltiger zu gestalten – vorausgesetzt, die gesamte Lieferkette wird mitgedacht.
Circular-Commerce-Ansätze, Reparaturmodelle oder Pay-per-Use-Modelle wie bei TRUMPF und DMG MORI zeigen, wie flexibel Nachhaltigkeit gedacht werden kann. Gerade die Modebranche steht hier unter Druck: 90 Millionen Tonnen Textilmüll jährlich sprechen für sich.
Der Schlüssel liegt auch hier in den Daten: Nur wer Retourengründe, Fitting-Probleme oder Kundenwünsche kennt, kann gezielt gegensteuern. Die Technologie ist vorhanden – oft scheitert es aber noch an Akzeptanz auf Konsumentenseite oder fehlenden politischen Anreizen.
Wie bleiben Unternehmen in einem dynamischen und wettbewerbsintensiven Markt agil?
Sunderbrink: Wettbewerbsfähigkeit beginnt mit echter Kundenzentrierung. Wer Erwartungen, Reibungspunkte und Verhalten entlang der gesamten Customer Journey versteht, kann seine Angebote gezielt anpassen. Personalisierung, loyale Kundenbeziehungen und smarte Segmentierung sind keine Kür mehr, sondern Pflicht – vor allem im Wettbewerb mit Plattformen wie Amazon.Technologisch setzen erfolgreiche Händler auf Pragmatismus: Automatisierung, datenbasierte Entscheidungen und schlanke Prozesse helfen, profitabel und flexibel zu bleiben. Doch Technologie allein reicht nicht.Agilität braucht Struktur – mit klaren Verantwortlichkeiten, schnellen Entscheidungswegen und einer gelebten Lernkultur. Wer technologische Innovation als Experimentierfeld versteht, kann schnell testen, was wirklich funktioniert – gerade im Bereich KI. Unternehmen, die Veränderung aktiv organisieren, statt nur zu reagieren, bleiben langfristig handlungsfähig. Entscheidend ist, mutig zu testen, aber auch den Fokus zu halten. Nicht jeder Trend ist relevant – aber gezieltes Ausprobieren verschafft den entscheidenden Vorsprung.
