Bürokratieabbau

„Verfahren abschaffen statt digitalisieren“

Manfred Pentz (CDU) ist Deutschlands erster Landesminister für Entbürokratisierung. Im Interview erklärt er, wie er von Hessen aus gegen immer neue bürokratische Betonschuhe aus Brüssel, Berlin und Wiesbaden angeht.

Manfred Pentz, Minister für Entbürokratisierung in Hessen, in einer Interviewsituation

24.04.2025

DUP UNTERNEHMER-Magazin: Auf welche Erfolge für die deutsche und hessische Wirtschaft sind Sie als Minister für Entbürokratisierung besonders stolz?

Manfred Pentz: In Hessen haben wir ein Umdenken in Sachen Bürokratie erreicht. Beim Staat, aber auch bei Unternehmen, Verbänden und Bürgern. Das ist uns gelungen, weil wir den Dialog gesucht haben. Nicht der Staat entscheidet in irgendwelchen Gremien, wo der Bürokratiedschungel gelichtet werden soll, sondern wir haben mit dem „Bürokratie-Melder“, dem „Sounding Board“ in Brüssel und mit unserem „Bündnis gegen Bürokratie“ einen intensiven gesellschaftlichen Austausch erreicht.
Hier besprechen wir, wo der Schuh drückt und gemeinsam nutzen wir unsere Möglichkeiten, Bürokratie abzubauen. Ich freue mich deshalb ganz besonders über jeden parlamentarischen, organisatorischen oder verfahrenstechnischen Erfolg, den wir dadurch erreichen.

Schätzungen zufolge gehen 60 bis 80 Prozent der Gesetze und Verordnungen hierzulande auf Vorgaben aus der EU zurück. Was lässt sich auf Bundes- oder Landesebene da überhaupt ausrichten?

Pentz: In Hessen erarbeiten wir gerade ein umfangreiches Bürokratieabbau-Paket. Wir wollen Vorbild für Deutschland sein. Und wir mischen uns auf Bundes- oder EU-Ebene ein. Im Bundesrat haben wir zum Beispiel einen Gesetzentwurf zur Erleichterung der Halterhaftung und Abschaffung der Dokumentationspflicht im Bereich Dienst- und Mietwagen eingebracht und beschlossen.
Eine regelrechte Unsitte ist es, Vorgaben aus Europa noch mit nationalen Vorschriften auszuschmücken. Deutschland ist da Europameister. Da werden Berichts- und Dokumentationspflichten ergänzt, Grenzwerte verschärft oder Gesetze erlassen, die der Intention der europäischen Vorschrift sogar zuwiderlaufen. Kurzum: Unnötige Bürokratie und Belastungen werden geschaffen. Man nennt dies Gold-Plating und erst kürzlich hat der Bundesrat auf unseren Vorschlag hin beschlossen, dass Gold-Plating in Deutschland künftig tabu sein soll.

Wie beurteilen Sie das Vorhaben der EU, die Fristen für das Lieferkettengesetz und die Nachhaltigkeitsberichterstattung aufzuschieben – bringt das Unternehmen und insbesondere dem Mittelstand die nötige Entbürokratisierung?

Pentz: Grundsätzlich finde ich es gut, dass die EU sich jetzt endlich bewegt hat. Das zeigt: Der ständige Druck zahlt sich aus. Sowohl Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeitsrichtlinie, aber auch aktuell die Entwaldungsrichtlinie sind Fälle von gut gemeinter Zielsetzung auf Kosten der Wirtschaft. Hier war aus meiner Sicht von Anfang an die Balance nicht mehr gegeben. Ich hätte mir deshalb einen mutigeren Schritt gewünscht.
Nicht nur verschieben, sondern aussetzen oder gleich ganz abschaffen. Europa steht im globalen Wettbewerb und ohne eine starke Wirtschaft wird Europa seine sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht stemmen können. Deshalb sollten wir den Fokus auf die Wettbewerbsfähigkeit legen und nicht ständig neue bürokratischen Betonschuhe diskutieren.

Wie kann die Digitalisierung zur Entbürokratisierung beitragen?

Pentz: Die Digitalisierung wird ja immer als Zaubermittel für alles verkauft. Ich bin da skeptisch. Denn bestehende Verfahren zu digitalisieren, macht diese vielleicht etwas schneller und effizienter. Von der Pflicht diese zu betreiben, ist damit aber niemand entbunden. Ja, digitale Lösungen sind in bestimmten Bereichen sehr sinnvoll und richtig. Wir haben in Hessen gerade erst den digitalen Bauantrag eingeführt. Aber jedes Verfahren, was ich abschaffe, brauche ich auch nicht zu digitalisieren. Das ist mir lieber.

Manfred Pentz

Der Staatsminister ist Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Entbürokratisierung sowie Bevollmächtigter des Landes Hessen beim Bund